Kapitel 4
,,Pass auf, stoß dich nicht", meinte ich und griff nach einem Handtuch, um meine Haare zu trocknen. In genau dem Moment prallte Spencers Kopf gegen den Holzbalken, der sich in meinem Zimmer befand. Mein Zimmer bestand aus dem ausgebauten Dachboden, weshalb hier Holzbalken unverkleidet hier verbaut waren. ,,Dieser Balken ist echt mies...also zu dir kann sich auch keiner ungestört reinschleichen", sagte Spencer, während er seine Stirn rieb. ,,Das war ja auch das Ziel", sagte ich lachend und lief durch mein Zimmer, um mich an meinen Schreibtisch zu setzen. Alle Schränke waren selbst geschreinert von meinem Vater, da man durch die Dachschrägen kaum normale Möbel hier unterbringen konnte. Ich kramte in meinen Heftern, nach meinen Aufzeichnungen vom letzten Jahr, während Spencer sich in meinem Zimmer umsah. ,,Aileen war ja ganz schön präsent in deinem Leben", stellte er fest, als er die Wand betrachtete, an welcher auch mein Bett stand. Diese Wand war voll mit Bildern. Die meisten waren von mir und Aileen und meiner Familie. Besonders jetzt, wo sie nicht mehr hier ist, hatte ich das Gefühl allein zu sein. Seit ich denken konnte, waren sie und ich unzertrennlich, wir brauchten niemand anderen...und das war wahrscheinlich ein Fehler gewesen, da ich jetzt vollkommen auf mich allein gestellt war.
,,Sie war meine beste Freundin", meinte ich und konzentrierte mich weiter auf meine Aufzeichnungen, um wichtige Dinge zu kopieren und für Spencer abzuheften. So viel wollte ich über Aileen gar nicht nachdenken. Heute Nacht würden mich die Erinnerungen eh wieder einholen. ,,Du hast noch gar nicht erzählt, wo du jetzt überhaupt wohnst", fiel mir gerade auf, als Spencer sich auf mein Bett setzte. ,,Ich wohne bei meiner Tante. Ich bezweifle, dass du sie kennst, sie ist ziemlich introvertiert und naja...eigenartig, aber meine Eltern wollen eben, dass ich meinen Schulabschluss hier mache. Hier hätte ich laut ihnen nicht so viel Ablenkung, wie in einer Großstadt", sagte er und seufzte, während er an den Ringen spielte, die er an seiner linken Hand trug. ,,Glaub mir, hier passiert nie was, also hier bekommst du ganz sicher keine Schwierigkeiten", sagte ich schmunzelnd und reichte ihm einen Hefter, in welchen ich meine Zusammenfassungen vom letzten Schuljahr kopiert hatte. ,,Ich merks. Sonst hättest du sicherlich besseres zutun, als dir Zusammenfassungen von den Zusammenfassungen zuschreiben. Gibt es hier nichts, wo man wenigstens etwas Spaß haben kann?", fragte er und sah den Hefter skeptisch an, während er ihn entgegen nahm. Ich drehte mich in meinem Stuhl zu ihm. Spencer würde noch sein blaues Wunder erleben, wenn er merkte, dass hier wirklich tote Hose war. ,,Naja man könnte in die Nachbarstadt fahren, da kann man minimal shoppen gehen. Hier hast du lediglich eine steinige Küste und wir haben das Daker, eine Art Dinner...aber nicht mit einem Dinner von New York zu vergleichen", meinte ich schulterzuckend. Es klopfte an meine Tür und meine Mum steckte den Kopf durch den Türspalt.
,,Ich dachte ihr hättet vielleicht Hunger", sagte sie und stellte und geschmierte Brote auf den Boden. Das Brot war noch warm, weshalb der Käse etwas zerlief. ,,Danke, Miss Evans", meinte Spencer freundlich und meine Mum machte eine abwertende Handbewegung. ,,Nenn mich, Catlyn. Sawyer, Ian hat eben angerufen und gefragt wie es dir geht", erklärte mir meine Mum und ich legte den Kopf schief. Wer war denn Ian? ,,Doktor Murphy. Nett von ihm, sich auch nach deiner Entlassung nochmal zu melden", sagte sie und mir rutschte das Lächeln aus dem Gesicht. Das hatte ich gerade wirklich verdrängen können. ,,Ja sehr nett", meinte ich perplex und setzte mich neben den Teller, wo die Brote waren. Zwar hatte ich die Vermutung, dass meine Eltern irgendetwas wussten, aber trotzdem wollte ich dieses Gespräch nicht weiterführen. Nicht heute. Nicht vor Spencer, der mich wahrscheinlich für total verrückt halten würde. Meine Mum verließ das Zimmer und Spencer sah mich etwas irritiert an.
,,Ich war bei dem Unfall dabei, als Aileen starb", sagte ich knapp und hielt ihm den Teller hin, damit er sich etwas nehmen konnte. ,,Oh...das wusste ich nicht. Das tut mir leid", er nahm sich ein Brot und sah mich dann etwas forschend an. Ich weiß selber, dass ich nicht so aussehe, als wäre ich in einem schweren Unfall verwickelt wurden. Wenigstens hatte er den Anstand nicht zu fragen. ,,Wie wärs, wenn wir morgen nach der Schule mal zu diesem Daker fahren uns was zu essen holen? So könntest du mir etwas von der Gegend zeigen und ich kann mich für das Schulzeug bedanken", schlug er vor und ich nickte. Vielleicht war es wirklich gut gewesen, dass Spencer heute hier her gekommen war, sonst hätte ich mich nur in meinem Bett verkrochen und nach gedacht und Gedanken taten nun wirklich nicht gut. Während wir unsere Brote aßen, unterhielten wir uns über Gott und die Welt, was eine wirkliche Ablenkung schaffte zu all dem, was ich in letzter Zeit erlebte. Spencer war nicht nur in der Welt herum gekommen, sondern hatte Kontakte aus aller Welt. Zudem hatte er viele Geschichten zu erzählen und er war gerade mal achtzehn. Ursprünglich kam er aus England, aber seine Eltern hatten einen Job, der gefühlt alle halbe Jahre den Standort wechselte, weshalb sie sie oft umziehen mussten. ,,Ich würde mir wünschen, endlich irgendwo anzukommen, weißt du? Nicht immer wieder einen Neuanfang machen zu müssen. Das wäre toll", sagte er fast schon traurig und stand auf. ,,Ach das wird schon. Besonders dann, wenn wir älter werden", sagte ich zuversichtlich und brachte ihn noch bis zur Tür. Der Regen hatte aufgehört, jedoch hatten sich die Regenwolken immer noch nicht verzogen, sodass man vermuten konnte, dass es jede Minute wieder losgehen könnte. ,,Danke nochmal wegen dem Schulzeug", sagte er, als er sich nochmal umdrehte und zu mir sah. Ich nickte nur und ging zurück ins Haus.
Nach dem ich geduscht hatte, legte ich mich ins Bett und schnappte mir mein Handy. Auf meinem Hintergrund, strahlte mir Aileen entgegen und ich seufzte. Es würde nie wieder so werden. Und das wegen mir. Ich öffnete Google und gab Dakerline Werwölfe ein. Natürlich stieß ich nur auf alte Legenden und Gute Nacht Geschichten, die ich schon auswendig kannte. Werwölfe wurden immer als Bestien beschrieben, die willenlos Menschen töteten und den Mond anheulten. Ja klar, noch verspürte ich kein Bedürfnis nach Menschenfleisch oder gar nach dem Mond. Ich drehte mich fast schon frustriert auf den Rücken und sah zur Zimmerdecke. Das war doch alles nur ein schlechter Scherz. Was anderes konnte es gar nicht sein. Ich schaltete mein Handy aus und schnappte mir einen Block vom Schreibtisch und einen Kugelschreiber. Schlafen konnte ich eh noch nicht. In die Mitte schrieb ich Werwölfe und malten einen Kreis herum.
Erster Punkt: sie heilen schneller als Menschen
Zweiter Punkt: sie können besser riechen
Dritter Punkt: vermutlich auch schneller rennen.
Vierter Punkt: anscheinend vererbbar -> meine Eltern sind normal...oder?
Langsam fing ich an alles zu hinterfragen. Wenn dieses Gen wirklich vererbbar war...wieso hatten es meine Eltern nicht? Dann schrieb ich zwei Begriffe auf, hinter denen ich Fragezeichen malte. Mensch? oder Tier? Von was wurde der Körper getrieben...wer hatte die Überhand? Dann schrieb ich drei Namen auf. Ian Murphy. Matt. Kaden. Diese umkreiste ich. Die drei hingen definitiv unter einer Decke, aber die Frage war, wie viele gab es noch...oder eher gefragt was gab es noch?
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