Kapitel 19
Matts Ururgroßeltern waren die letzten, die hier gewohnt hatten. Die folgenden Generationen haben das Backsteinhaus errichtet und das Anwesen höchstens zu Feierlichkeiten genutzt. Das Anwesen hatte noch mehrere Quadratkilometer Garten, welcher jedoch sich nicht mehr großartig von dem restlichen Wald unterschied, höchstens durch die Mauer, welche den Garten von dem restlichen Wald trennte.
Es war kurz nach Mittag als wir wieder zurück in das Wohnzimmer traten. Eigentlich war es ein schöner Tag. Die Sonne schien warm vom Himmel und es gab ausnahmsweise keine Spur von Regen. Matt machte etwas zu essen in einer Küche, die im Keller lag, während ich durch das Wohnzimmer streifte. Ich riss die schweren Vorhänge auf und musste Husten, durch den Staub den ich aufgewirbelt hatte. Durch die warmen Sonnenstrahlen, sah das Wohnzimmer nicht mehr ganz so kühl aus. Dann nahm ich die Laken von den dunkelroten Sofas und legte sie zusammen. Matt hatte mir nicht verboten das Wohnzimmer langsam wieder herzurichten und was sollte ich sonst machen, wenn er schon darauf bestand, dass ich hier oben blieb? Ich sah mich nochmal um, bevor ein Schauer über meinen Rücken lief. Er kam ganz plötzlich und unerwartet. Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn und ich merkte wie sich meine Krallen ausbildeten. ,,Matt", schrie ich und klappte zusammen auf den Boden. Mein Atem ging stoßweise und unregelmäßig. Das Blut rauschte heiß durch meine Adern und gerade als ich wieder schreien wollte. Spürte ich die warmen Hände von Matt auf meinen Schultern. Er riss meinen Kopf nach hinten und legte mir die Wasserflasche an die Lippen. Ich trank und trank. Wasser lief mir in einem kleinen Rinnsal über mein Kinn und mein Körper beruhigte sich langsam. Ein Keuchen kam über meine Lippen und ich lehnte mich an die Wand. ,,Was war das?", fragte ich atemlos und strich mich mit meinem Ärmel den Schweiß von der Stirn. ,,Das war das Gen...was sich langsam bemerkbar macht", erklärte er und musterte mich besorgt, als würde er denken, dass es jeden Moment wieder losginge. Er verharrte noch einige Momente, bevor er wieder zurück in die Küche verschwand.
Kurz darauf kam er mit beschmierten Broten wieder und reichte mir eins, welches ich etwas skeptisch musterte. ,,Keine Sorge, da ist nicht mitten drin eine Silberplatte", meinte er schmunzelnd und biss in sein Brot. Ich verdrehte lediglich die Augen und tat es ihm gleich. Wir aßen schweigend die Brote. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sah zu Matt auf. ,,W-Wie war deine erste Verwandlung?", fragte ich und musterte ihn. Er sah mir in die Augen, als würde er abwiegen, was er mir erzählen konnte und was nicht. Dann seufzte er und lehnte sich etwas zurück. ,,Es war hier...war vielleicht nicht der schlauste Ort für mich, aber ich kannte keinen anderen Ort, wo ich hätte hingekonnt. Kaden war bei mir. Wir haben uns beide unten im Keller angekettet, in der Hoffnung, somit weniger Schaden anrichten zu können. Vorher haben wir ganz viel Schmerztabletten genommen. Man hätte meinen können, dass wir high sein mussten...aber das Gen hat es blockiert. Es hat trotzdem weh getan, so sehr, dass ich alles verflucht habe und am liebsten sofort sterben wollte, aber ich blieb stark. Für Kaden und um meiner Familie in der Hölle zu zeigen, dass ich stark war. Danach kann ich mich an nichts mehr erinnern", erklärte er und ballte dabei seine Hände leicht zu Fäusten. Entweder aus Reflex oder um seine Krallen vor mir zu verbergen. Dabei spannten sich seine Arme an und Sehnen zeichneten sich unter seinem Oberteil ab.
Ich lockerte etwas meine Schultern und versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren, aber plötzlich wurde mir kochend heiß. Als würde mein Blut anfangen zu kochen, breitete sich eine unangenehme Hitze unter meiner Haut aus und ich keuchte kurz an. ,,Hast du irgendwo kaltes Wasser?", fragte ich und wusste, wie bescheuert diese Frage doch sein musste. Matt stand sofort auf, ohne irgendwelche Bemerkungen zu machen und streckte mir die Hand hin. Dann führte er mich durch den Flur hin zu einem Badezimmer mit einer riesigen Dusche. Das Haus wirkte so alt, jedoch war das Bad modern. Irgendwer hatte das Haus saniert. Zumindest Teile davon. ,,Was passiert mit mir?", keuchte ich und riss meinen Pulli förmlich von meinen Körper. Es brannte alles auf meiner Haut und ich schwitze als stände ich in Flammen. ,,Sawyer lass es passieren, kämpf nicht dagegen an", sagte Matt ruhig und sah mir in meine verzweifelten Augen. ,,Ich bleibe vor der Tür. Wenn irgendwas ist, schrei. Ich bin da", versicherte mir Matt und ging aus dem Bad. Noch bevor die Tür richtig geschlossen war, riss ich mir die restlichen Klamotten vom Leib und sprang unter die Dusche und ließ das eiskalte Wasser über meinen Körper laufen. Anfangs schien es nichts zu helfen, das Wasser fühlte sich fast schon lauwarm auf meiner Haut an. Tränen bildeten sich in meinen Augenwinkeln und ich lehnte mich an die Duschwand. Ich wollte das hier nicht. Nein...ich konnte das hier nicht. Wenn ich jetzt schon komplett durch drehte, was sollte das nur werden wenn der Mond aufgeht?!
Wie lange ich unter der Dusche gestanden hatte, wusste ich nicht, aber als ich aus dem Bad trat, lehnte Matt an der gegenüberliegenden Wand und sah mich an. ,,Besser?", fragte er und ich nickte stumm. Mein Körper fühlte sich jetzt schon total ausgelaugt...das hielt ich nicht aus. ,,Wie viel Uhr ist es?", fragte ich als wir zurück ins Wohnzimmer traten. Der eben noch so sonnige Tag hatte sich in einen bewölkten und dunklen Nachmittag verwandelt. ,,Drei Uhr. Du hast über eine Stunde unter der Dusche gestanden...ich wusste gar nicht, dass das so lange anhält", sagte Matt und in meinem Hals bildete sich ein fetter Kloß. Das Glühen hatte ziemlich früh aufgehört...aber ich hatte geweint, so wie ich seit langen nicht mehr weinte. Es kam einfach wie einer Welle über mich, die mich mit sich riss ohne Erbarmen. ,,Die Gefühle sind heute extrem stark. Du musst dich vor mir nicht schämen, Sawyer", meinte Matt und ich gab einen erstickten Laut von mir. Und was war mit ihm? Er stand vor mir wie immer, als hätte er alles im Griff und wäre die Kontrolle selbst. ,,Und du? Du verbirgst es doch auch vor mir", sagte ich und Matt seufzte. Sein Schultern sackten nach unten, als hätte ich ihn in die Magengrube getreten. ,,Das ist jahrelange Kontrolle, aber in meinem Inneren kocht es genauso wie bei dir...nur eben nicht mehr so schlimm", erklärte er und zündete den Kamin an, welcher den Raum in warme gelb und orange Töne färbte.
,,Aileen und ich haben immer getanzt. Sie meinte, man müsste die schlechten Gefühle einfach abschütteln und den Takt als seinen Herzschlag akzeptieren, dann würde alles besser werden. Ich weiß es hört sich total dämlich an...das war einfach ein Gedanke...", fing ich an und lachte etwas heißer, während ich mir verlegen am Hinterkopf kratzte, aber bevor ich weiter reden konnte, griff Matt meine Hand und zog mich an sich. Ich hatte etwas zu viel Schwung und knallte mal wieder volle Breitseite an seinen harten Oberkörper, als wäre ich es nicht schon gewöhnt. Seine andere Hand legte er auf meine Hüfte und fing an eine Melodie zu summen. Ich legte etwas perplex meine Hand auf seine Schulter und ließ mich im Takt der Melodie durch den Raum führen. An so ein langsames Lied hatte ich gar nicht gedacht, Aileen und ich haben immer zu Single Ladies getanzt, aber irgendwie beruhigte mich diese Melodie und mein Inneres beruhigte sich etwas. Wenn uns jetzt jemand sehen würde. Matt musste schmunzeln und erst da merkte ich, dass ich durch meine Berührung Gedanken weiterleiten konnte. Kaden, würde uns aus lachen...nein er würde eher mit den Augenrollen und einen miesen Spruch runterschlucken. Erklang die Stimme von Matt in meinem Kopf. Irgendwie mochte langsam diese Art zu reden...es war etwas privates, fast schon etwas intimes. Niemand konnte zu hören, nur wir beide. Ach soll er doch. Er sollte sich lieber mal den Stock aus dem Arsch ziehen. Jetzt hallte Matts lachen durch den leeren Raum. Eigentlich wäre ich gerne mit eingestiegen, aber da brach eine Welle über mir zusammen, die Schlimmer war als alles andere.
Ich zuckte so stark zusammen, dass man denken können, mein ganzer Körper vibrierte. Ich schrie auf und ein Ohren betäubendes Knacken war zu hören. Es kam von mir. Mein Zahnfleisch fing an zu bluten und ich erbrach mich auf den kalten Steinboden. Blut. Über meinen Rücken fuhr eine weitere Welle voller Schmerzen, so als würde jede Rippe einzeln brechen und neu zusammen wachsen. Ich krümmte mich auf den Boden und Tränen brannten in meinen Augen winkeln, und verschleierten meine Sicht. Meine Haut fing wieder an zu brennen und ein lautes Knurren fuhr über meine Lippen. Mein Kopf fuhr nach rechts und ich heult vor schmerzen auf. Wieso war ich nicht einfach bei dem Autounfall gestorben?! Wäre mit Aileen verbannt. Ein weiteres Mal erbrach ich mich auf den Boden und meine Krallen kratzen über den Boden, ein ekelhaftes Quietschen. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib, als es nochmals knackte. Ich fühlte mich allein...noch nie in meinem Leben hatte ich mich so allein und verloren gefühlt. Als die Schmerzen unerträglich wurden, stürzte meine Welt in völlige Schwärze.
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