1821
,,Es tut mir leid, mit deinem Kameraden. Ihr wart gut befreundet, hab ich recht?", sagte Elijah und bot mir einen Stuhl an. Sein Zelt war gemütlich, zumindest so gemütlich wie ein Zelt nun eben sein kann. Sein Bett war groß und war mit Fellen ausgelegt und mit mehreren dicken Decken. Und auch die Stühle waren mit einem dicken Kissenbezug gepolstert, damit man nicht fror. ,,Ja, Sir", antworte ich und Elijah musste schmunzeln. Dann wendete er mir den Rücken zu und schenkte in zwei Gläser dunkelroten Wein ein. Wie lange ich keinen Wein mehr getrunken habe...mein Vater hatten einen riesigen Weinkeller, aber wir waren seit drei Jahren nicht mehr daheim gewesen. ,,Was denkst du, wie lange dauert es noch, bis es zum Kampf kommt?", fragte Elijah und kam mit den zwei Gläsern zu mir. Eines reichte er mir. Seine kalte Hand streifte meine. Seine Haut war eiskalt, war er so unterkühlt? Sein Mantel schien ziemlich warm zu halten. Er zündete einen Feuerkorb, der in der Mitte des Raumes stand, an. ,,Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe keine Ahnung, Sir. Aber vermutlich nicht mehr lange", meinte ich und schwenkte den Wein im Glas hin und her. Er schien ziemlich dickflüssig zu sein. Elijah setzte sich gegenüber von mir in den anderen Stuhl und musterte mich. ,,Wenn du mich fragen würdest, würde ich sagen, dass der Kampf in den nächsten Stunden ausbricht. Wenn Soldaten schon auf Patrouille angegriffen werden...sie waren nicht weit weg vom Lager und die Nacht ist perfekt für einen Angriff, findest du nicht auch? Sie kennen ihre Wälder. Spätestens morgen in der Morgendämmerung, dann greifen sie an", erklärte Elijah schulterzuckend, als wäre er perfekt darauf vorbereitet, und mir gefror das Blut in den Andern. Das konnte er nicht wahrhaftig glauben.
,,Aber wieso haben sie den Männern dann Whiskey gegeben? Und wieso trinken sie denn jetzt Wein? Wir sollten nüchtern bleiben", sagte ich hysterisch und Elijah fing an zu lachen. Ich sprang auf und verschüttete fast den Wein in meiner Hand. ,,Haben sie das auch meinem Vater gesagt ihre Vermutung?" Meine Nackenhaare stellten sich auf und eine Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut aus. ,,Spencer, nun beruhig dich doch mal. Ihr werdet da draußen alle sterben. Die Aufsässigen werden diesen Kampf gewinnen", haute er kalt heraus, als hätte er sich damit schon längst abgefunden. Ich starrte ihn einfach nur noch sprachlos an. Wie konnte er uns dann in das offene Messer laufen lassen. ,,Spencer, ich wollte den Männern wenigstens etwas Frieden heute Nacht geben, dass verstehst du doch sicherlich? Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich sogar einige Frauen aus den Freudenhäusern hier her geholt...glaub mir ein Frauenschoss kann Wunder bewirken, aber dein Vater wollte das nicht", sagte Elijah und es bildete sich ein größerer Kloß in meinem Hals. Er behandelte uns wie Schweine, die ihre letzte Nacht auf Erden hatten, bevor sie zum Schlachter gebracht wurden. ,,Aber damit hätte ich dich wohl nicht reizen können, du ziehst ja eher das andere Geschlecht vor", fuhr er fort und ich zuckte zusammen, als hätte er mich direkt ins Gesicht geschlagen. Er nippte an seinem Glas und sah mich dabei forschend an. ,,Ich habe deine Briefe gelesen, tut mir leid, aber sie waren zu verlockend", erklärte er und deutete auf einen Stapel Papier, welcher auf seinem Schreibtisch lag. Mit schnellen Schritten war ich bei seinem Schreibtisch und blätterte durch meine Briefe.
,,W-Wieso?", mehr bekam ich nicht raus. Mein Hände zitterten als ich über die Tinte strich. Das waren alles Briefe, die ich an meiner Mutter verfasst habe...sie waren nie angekommen. ,,Deine Mutter ist tot", sagte Elijah, welcher plötzlich ganz dicht hinter mir stand und ich zuckte wieder zusammen. Sein kalter Atem drauf auf meine Nackenhaut. ,,A-An was?", fragte ich und musste mir meine Tränen verkneifen. Nicht noch ein geliebter Mensch...nicht noch einer. Wieso wurde mir das nicht gesagt?! ,,Eine Lungenentzündung. Mein Beileid", sagte Elijah und strich mit seiner Hand über meinen Oberarm hoch zu meiner Schulter. Ich spannte mich an. Jeder meiner Muskeln weigerte sich, aber ich war wie gelähmt...ich konnte nichts tun. Plötzlich spürte ich seine kalten Lippen an meinem Hals. Ein Schauer lief mir über den Rücken und Tränen rannen über meine Wangen. Steve. Nein, Steves Lippen waren immer warm und weich gewesen. Ich hatte ihn verloren. Ich hatte meine Mutter verloren und heute Nacht würde ich mein Leben verlieren. ,,Hören sie bitte auf", wimmerte ich und Elijahs Hand fasste mich fest an der Seite und zog mich an seinen harten und kalten Körper. ,,Du hast Angst vor dem Tod, Spencer. Ich weiß das. Was würdest du sagen, wenn ich dir einen Weg zeige zu überleben?", flüsterte Elijah mir zu und strich mit seinen Lippen über meine raue Haut. ,,Sie sprechen von Flucht?", fragte ich und Elijah lachte. Ein raues und leises Lachen. ,,Nein, nein nicht ganz. Aber du willst leben und ich würde es dir schenken, ein Leben", sagte er und meine Finger verkrampften sich in dem Papier der Briefe. ,,Was wollen sie dafür?", fragte ich immer noch auf der Hut, ob es ein Trick war. Aber was hatte ich schon zu verlieren? Ein armseliger junger Mann, welcher alles was er liebte verloren hatte und nur noch schmerzlich an der letzten winzigen Hoffnung klammerte zu überleben. ,,Nichts. Lediglich diese eine Nacht", meinte Elijah und ich schluckte. Daraufhin nickte ich langsam.
Den Wein, den Elijah mir damals gab, war kein Wein. Es war sein Blut gewesen, nur eben verdünnt. Durch meine Trauer, war ich gelähmt und wahrscheinlich zu blind, um zu sehen, was Elijah vorhatte. Er trank von meinem Blut, ich von seinem unwissend, was ich da überhaupt tat. Er nahm mich, mehrmals. Er tat es nicht, weil er jegliche Gefühle oder Interesse an mir hegte, ich weiß nicht mal wieso er das tat...vielleicht weil ihm eine Frau verwehrt blieb. Ich dachte an Steve und unterdrückte meine Tränen, die mir heiß in den Augen brannten. Er tat mir nicht weh, nein vielleicht hätte es mir in einer anderen Situation sogar gefallen, aber wir waren auf dem Schlachtfeld und der Tod kam immer näher. Wie Elijah sagte, standen am nächsten morgen die Aufsässigen im Lager. Sie nutzen die Morgendämmerung und zündeten unsere Zelte an und mit ihnen mein altes Leben. Ich weiß nicht, wie ich gestorben war. Ich weiß nur, dass es weh tat und dass ich dann in ein tiefes schwarze Loch fiel bis ich meine Augen wieder öffnete und in Elijahs rote Augen sah. Er hat mich amüsiert angelächelt und um seinem Mund herum klebte Blut, während die Sonne in meinen Augen brannte. Seine Hand hatte sich nicht mehr kalt angefühlt als er mir auf half. Er klopfte mir den Staub von den Schultern und sagte ,,Willkommen in deinem neuen Leben, Spencer, wie ich es dir versprochen habe, du lebst." Aber wir hatten nicht von dem selben Leben gesprochen. Mein Herz hatte auf gehört zu schlagen und ich war tot...nein ich bin tot. Der Spencer, der Steve geliebt hat und verloren hatte und der, der sich nichts mehr wünschte als zu Hause bei seiner Mutter zu sein, war tot. Nun wandelte lediglich die leere Hülle von ihm auf der Erde.
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