Kapitel 11

Ich versank mit meinen Schuhen förmlich in den Schlamm, welcher sich auf dem Waldweg gebildet hatte. Gegen Mittag hatte es angefangen zu regnen. Zum Glück hatte es eben wieder aufgehört. Da ich immer noch jedes Auto mied so gut es eben ging, hatte ich beschlossen zu Fuß zugehen in der Hoffnung den Kopf frei zubekommen. Matt wohnte abseits von Dakerline. Das Haus seiner Familie lag in den Wäldern, zu welchen nur ein Waldweg führte. Früher hab ich mich immer gefragt, wieso man ausgerechnet im Wald ein Haus baute...entweder, weil man keine Horrorfilme kannte oder einfach nur genau deshalb. Jetzt war mir so Einiges klar. An der Hauptstraße konnte man sich schließlich nun wirklich nicht gut verwandeln. 

Das alte Backsteinhaus war versteckt zwischen großen Buchen. Matts Wagen stand vor der Einfahrt und Rauch kam aus dem Schornstein. Jeder Muskel meines Körpers streikte nur einen Schritt mich diesem Haus noch weiter zu nähern, aber mir blieb keine Wahl. Ich lief den Kiesweg zu der Haustür und seufzte. Wieso hätte mein Leben nicht einfach ganz normal weiterlaufen können? Ohne irgendwelche magischen Wesen? Ohne irgendwelchen abnormalen Dinge? Ich musste gar nicht erst klingeln, da ich von dringe Schritte hörte. Er machte sich nicht mal die Mühe leise zu laufen. Es war förmlich ein aggressives Stampfen. Die Tür wurde aufgerissen und Matt stand vor mir. Er trug eine grüne Holzfällerjacke und sah an sich so aus, als wollte er irgendwo hin. Seine braunen Augen musterte mich abschätzend, bevor er fast schon erleichtert aussah. Mit was hatte er gerechnet, dass Spencer neben mir stand oder dort hinten hinterm Baum stand? ,,Es ist gut, dass du dich dafür entschieden hast, dir helfen zu lassen", sagte er und ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ich tat das hier nur, weil ich niemanden verletzen will. ,,Wohin willst du?", fragte ich und ging gar nicht erst auf seine Bemerkung ein. Er trat einen Schritt vor, ich wich zurück, danach schloss er die Tür hinter sich. Okay, das hätte ich jetzt nicht erwartet. Er steckte seine Hände in seine Hosentaschen und lief die paar Stufen von seiner Veranda runter. ,,Lediglich ein Spaziergang zu den heißen Quellen, dachte wenn schon mal was spannendes hier passiert, dann muss man es gesehen haben", meinte er schulterzuckend und sah mich dann erwartungsvoll an. Die Quellen waren mehrere Kilometer von hier entfernt, war das sein voller Ernst? Mein Blick flog reflexartig zu seinem Auto und Matt zog die Augenbraue hoch. ,,Ich dachte du meidest Auto fahren", kommentierte er das und ich schluckte. Woher wusste er das? Ich gab mich geschlagen und lief die Stufen herunter.

Wir liefen erstmal schweigend den Waldweg weiter, wobei man nur unsere Schritte in dem Schlamm hörte und wie der Wind durch die Blätter wehte. ,,Du wolltest Kaden wirklich heute in der Schule eine Backpfeife geben?", fragte Matt belustigt und ich war kurz erstmal etwas perplex, dass er versuchte Smalltalk mit mir zuhalten und mich nicht runterzuputzen, wegen der Sache mit Spencer. ,,Der Arsch hat es verdient", kommentierte ich das nur schulterzuckend und Matt musste kurz auf Lachen. ,,Damit hast du ganz schön an seinem Ego gekratzt", sagte er und ich zuckte wieder mit den Schultern. Um ehrlich zu sein, war es mir relativ egal, ob ich damit Kaden zu Nahe getreten war. Soll er nur beleidigt sein. ,,Wo bleibt eigentlich die Standpauke?", fragte ich, weil ich die Spannung nicht mehr aus hielt. Lieber wollte ich sofort zusammengeschissen werden, als die ganze Zeit nur sinnlosen Smalltalk zu halten. ,,Welche Standpauke? Wegen der Vampirsache? Das war nicht sonderlich schlau. Das wissen wir beide", meinte Matt seufzend und wurde plötzlich langsamer. Ich sah ihn etwas irritiert an. ,,Das ist nun mal Spencer...ich glaube er wird nie die Grenze zwischen den Wesen verstehen...vielleicht will er sie auch nicht verstehen", sagte er und ich blieb blitzartig stehen. Bitte was? ,,Ihr kennt euch?", fragte ich perplex und Matt musste wieder etwas lachen. Was wurde hier bitte gespielt? 

,,Ja. Falls du es noch nicht begriffen hast, Sawyer, ich bin der Alpha. Ich weiß, was in meiner Stadt abgeht und Spencer ist ein bekanntes Gesicht. Sein Freund Elijah macht mir da eher Sorgen. Vermutlich habt ihr auch schon Bekanntschaft gemacht", sagte Matt und mir klappte die Kinnlade runter. Wenn Matt so reagierte...wieso hatte er mich dann an dem Abend so rund gemacht? Man könnte ja fast schon meinen, dass da etwas Sympathie herrschte. ,,Ich war nicht wirklich begeistert davon, dass Spencer und du euch anscheinend...befreundet habt? Aber er war gestern Nacht bei mir. Saß einfach so auf meiner Veranda und bettelte mich förmlich an, dir diese Sache zu verzeihen und dich zu trainieren", erklärte er weiter und zuckte die Schultern. Dann sah er mich etwas belustigt an. ,,Nur weil Kaden ein Ordnungsfreak ist, der vielleicht mit seiner kühlen Art etwas über das Ziel hinaus schießt, heißt es nicht, dass ich auch so bin. Und jetzt komm. Ich will heute noch bei den Quellen ankommen", sagte er und lief wieder los. Also war das in Ians Büro vielleicht wirklich nur ein schlechter Scherz gewesen. Ich lief auch weiter. 

,,In gut einer Woche ist Vollmond. Du solltest an diesem Tag nicht in die Schule gehen. Dein erster Vollmond wird grausam und anstrengend. Wenn dich nur jemand ansatzweise von der Seite dumm anmachen würde, könntest du explodieren und jeden allein schon mit deinem kleinen Finger umbringen. Diese Sauerei will nun wirklich niemand", sagte Matt so trocken, als hätte er mir eben nicht gerade erzählt, dass ich ein Massaker an Vollmond veranstalten könnte. ,,Und wie verhindern wir das? Ich meine daheim könnte ich ja trotzdem aus Versehen jemanden verletzen", sagte ich und in meinem Hals bildete sich ein dicker Klos. Ich wollte mich eigentlich nicht in dieses Monster verwandeln. Ganz und gar nicht. ,,Wir könnten eine Verwandlung vor Vollmond erzwingen...dann könnten wir vielleicht erzielen, dass du zumindest weißt, was auf dich zu kommt", meinte Matt und ich verharrte an der Stelle, wo ich gerade gelaufen war. Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich zitterte leicht. ,,Nein", sagte ich. Viel zu laut. Matt blieb stehen und musterte mich von oben bis unten, als müsste er überlegen, was er sagen sollte. Bei ihm hörte sich das alles so leicht an. Auch im Krankenhaus schien alles so einfach bei ihm zu sein...aber ich wollte nicht zu diesem Monster werden. ,,Sawyer, das Gen ist ein Geschenk. Kein Fluch, auch wenn es als solches dargestellt wird. Vertraust du mir, nur für einen kurzen Moment?", fragte er und streckte seine Hand aus. Ich sah erst ihn an und dann die Hand. Was hatte ich schon zu verlieren? Ich griff nach seiner Hand und ich spürte einen stechenden Schmerz. Ich wollte aufschreien, aber es gab kein Laut über meine Lippen. Der Waldweg verschwand vor meinen Augen. 

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