Kapitel 5

Kapitel 5

Dieses Angebot überraschte Janette, sodass sie für einen Moment sprachlos war. Schließlich nickte sie, auch wenn sie sehnsüchtig auf die Proben sah. Vielleicht waren die es nicht wert, die Zeit zu verschwenden, wenn sie einen neuen gefunden hatten, der noch am Leben war.

"Dann mach dich fertig. Sobald ich einen Anruf bekomme, dass sie ihn haben, gehen wir ihn abholen", sagte er und lehnte weiter scheinbar gelangweilt an der Wand im Labor.

Eigentlich war Janette bereits fertig angezogen, doch sie wollte sich noch die Hände waschen. Ein Waschbecken sowie dazugehörige Desinfektionsseife fand sie nicht weit entfernt des Raumes, in dem der Mann zu Tode gekommen war. "Ich brauche einen neuen Kittel", informierte sie den Engel mit einem Seitenblick, wirkte jedoch sehr konzentriert dabei, ihre Arme zu waschen.

Dieser machte eine Handbewegung, die auf einen Schrank deutete. "Dort sollte alles drin sein", sagte er gelassen.

"Perfekt", freute sich die Ärztin und ging auf diesen zu, um sich einen neuen, strahlend weißen Kittel herauszuholen und anzuziehen. "Seid Ihr sicher, dass Euch nichts passiert ist?", fragte sie, während sie ihre dunklen, langen Haare hervorholte.

"Ja, alles schon wieder verheilt", sagte er und hob den Arm, um ihr zu zeigen, dass alles wieder gut war.

"Das nächste Mal kommt bloß nicht herein, dass ich mir noch mehr Sorgen machen muss", murmelte die Ärztin und knöpfte sich den Kittel zu, bevor sie zu ihm kam.

"Solltest du irgendwo schwarze Flecken bemerken, melde dich", meinte Lucien, der gar nicht auf ihre Worte einging.

Die Sukkubus zog ihre Augenbrauen nach oben und sah den Engel mit ihren gelblichen Augen an, als wäre sie ein Raubtier. "Was wollt Ihr schon dagegen tun, wenn Ihr nicht einmal wisst, was das für eine Krankheit ist oder ob sie ansteckend ist?", fragte Janette neugierig.

"Nur zur Sicherheit, damit du niemanden anderen ansteckst", winkte er ab, als sein Handy wieder vibrierte. Er holte es aus seiner Tasche und ging ran. "Wir sind auf den Weg", murmelte er und blickte dann zu Janette. "Es geht los."

Mit einem Nicken packte Janette Dinge in ihre Taschen des Arztkittels, um so schnell wie möglich Proben nehmen zu können, sobald sie den Infizierten gefunden hatten. Dann war sie soweit und es konnte losgehen. Wohin, das wusste sie nicht. Doch Lucien würde sie darüber sicherlich noch aufklären.

"Wir gehen zur Piazza Navona", erklärte Lucien kurz angebunden und öffnete die Tür, um nach draußen zu gehen.

Sofort wurde die Ärztin verlegen. "Versteht mich nicht falsch, aber ... ich habe keine Ahnung, wo das ist. Ich war bisher noch nie in Italien", gestand Janette und huschte vor ihm durch die Tür.

"Ist nicht weiter schlimm, ich fahre dich hin", sagte er und führte sie zum Fahrstuhl und dann etwas höher in eine Tiefgarage. Dort stand ein Cabrio, das aussah, als könnte man es sogar mit Flügeln fahren.

Ein spöttisches Grinsen huschte über Janettes hübschen Gesicht, aber sie sagte nichts dazu, außer dass es ganz hübsch aussah.

Lucien musterte sie nachdenklich. Dann griff er in seine Hosentasche und holte den Schlüssel heraus. Er wäre lieber geflogen, doch das ging nicht, da Janette keine Flügel besaß. Außerdem kannte sie sich hier nicht aus und damit konnte er sie auch nicht allein fahren lassen. "Steig ein", wies er sie an, nachdem er das Auto öffnete.

„Geht fliegen nicht schneller?", fragte sie erstaunt. Mit dem Auto konnten sie im Stau stecken bleiben und würden wertvolle Zeit verschwenden.

"Vielleicht, aber du kannst nicht fliegen", bemerkte er. "Und allein fahren auch nicht, wenn du nicht weißt, wohin."

Seine Behauptung, dass sie nicht fliegen konnte, ließen Janette fauchen. „Wer sagt, dass ich nicht fliegen kann?", fragte sie erbost.

"Du hast keine Flügel", meinte er abwinkend und deutete auf das Auto. "Steig jetzt ein."

Ihre gelblichen Augen verengten sich zu Schlitzen, bevor ihre Hörner auf dem Kopf, die wie Mini-Flügel aussahen, wuchsen. Immer größer, bis sie so groß waren wie die der anderen Dämonen. Schwarze Flügel mit einem aufreizenden Pink flatterten im leichten Wind, so als würden sie sagen, dass sie bereit waren, Janette zu tragen.

Lucien hob eine Augenbraue. "Ab ins Auto mit dir oder was denkst du, was die Leute zu einem Dämon mitten in Rom sagen werden?", fragte er und wirkte nicht sonderlich begeistert davon.

„Wolltet Ihr nicht fliegen?", meinte die Ärztin und man spürte, dass sie langsam die Geduld verlor. Sie verschwendeten hier ihre Zeit, wenn es wichtigeres zu tun gab.

Schnell wurden ihre Flügel kleiner und Janette setzte sich schmollend in das Cabrio. Zu gern hätte sie ihre Flügel nach einiger Zeit wieder einmal gestreckt, aber wie es aussah, würde sie noch warten müssen.

"Ich kann niemanden erklären, warum auf einmal Dämonen über unseren Himmel fliegen", sagte Lucien nüchtern und fuhr das Auto aus der Tiefgarage. "Du wirst noch früh genug fliegen können, aber im Moment brauchen wir diese Art von Aufmerksamkeit einfach nicht."

„Ihr hättet mich auch tragen können", bemerkte sie spitz, da sie davon ausging, dass die Menschen eher an Engel gewöhnt waren.

Lucien schnaubte. "Das wäre ja noch schöner", meinte er und sie fuhren hinaus in die Sonne von Rom. Hitze schlug ihnen entgegen, doch der Fahrtwind kühlte sie etwas ab. Er fuhr ihnen durch die Haare und Janette musste gestehen, dass es gar nicht so schlimm war. Der Wind fühlte sich fast so an, als würden sie fliegen. Zudem lenkte Lucien den Wagen sehr geschickt durch den Verkehr, der eher gering war.

Was um diese Uhrzeit kein Wunder war, denn es war abends und die Sonne war bereits untergegangen.

Anstatt auf den Verkehr und die Straße zu sehen, blickte Janette in den Sternenhimmel und lächelte.

Mit Lucien würde sie wohl noch so einige Meinungsverschiedenheiten austragen, aber sie würde sich nicht in ihre Arbeit reden lassen. Nur hatte er damit Recht, dass sie sich hier nicht auskannte, weshalb sie auch nicht fahren konnte.

Wahrscheinlich hätte sie sich sogar verflogen.

Lucien lenkte das Auto über die Straßen und da sie nicht aufpasste, verlor sie die Orientierung.

Irgendwann hielten sie und Lucien stieg aus, bevor er schneller, als sie reagieren konnte, auf ihrer Seite war und die Tür öffnete. "Er wird in diesem Haus hier festgehalten", erklärte er. "Sein Zustand ist kritisch."

Ohne jeden Kommentar stieg die Ärztin aus und streckte sich. Mit Autos zu fahren war sie nicht gewohnt, weil sie entweder flog, zu Fuß ging oder öffentliche Verkehrsmittel benutzte. Dennoch war es angenehm gewesen, die Seele kurz baumeln zu lassen und nicht aufpassen zu müssen, in irgendjemanden hineinzurennen.

Nachdem sich Janette gestreckt hatte, betrachtete sie das Gebäude, das auf den ersten Blick sehr gewöhnlich aussah. So, wie die meisten Häuser in dieser Gegend.

"Man hat ihn auf dem Platz festgenommen. Hast du Dinge mit, um ihn zu untersuchen?", fragte Lucien, der ihr die Tür öffnete und sie in eine Art Treppenhaus gelangten.

„Das Nötigste", bemerkte Janette und trat ein. Zu mehr hatte die Zeit nicht gereicht. Sobald sie wieder in ihrem Zimmer war, würde sie ihre Arzttasche packen, damit sie alles zusammen hatte.

Die Stimmung in dem Haus wirkte bedrückend, denn die dunklen Möbel sowie die altmodischen Tapeten waren kein Hingucker.

Sie bemerkte zwei Engel, die einen Mann hielten, der einfach nicht auf dem Sofa sitzen bleiben wollte. Er wirkte zwar körperlich überhaupt nicht fit, sondern krank, aber die beiden Engel hatten dennoch Probleme. Dabei sollte ein Mensch ihnen gar nicht solchen Ärger machen.

Das war sehr verwunderlich und Janette fragte sich, ob derjenige vielleicht doch kein Mensch war.

"Sind alle so?", fragte sie nachdenklich, als sie sich Mundschutz und Handschuhe anzog. Das Gute an ihrem Kittel war, dass sie sämtliche Taschen besaß und sie einige Dinge einpacken konnte.

"Sie sind unnatürlich stark für Menschen", bemerkte Lucien, der dicht an ihrer Seite blieb. Er war immerhin damit vertraut, auf sie Acht zu geben und das würde er auch tun. Dämon hin oder her.

Das schien der Ärztin jedoch nicht zu gefallen, denn sie brauchte Platz bei ihrer Arbeit. "Rückt mir nicht so auf die Pelle", bemerkte sie trocken und meinte, dass es sich anhörte, als hätten sie einen magischen Trank zu sich genommen. Bisher gab es noch keine Beweise dafür, dass es solche Tränke wirklich gab, aber es war immerhin möglich.

"Du meinst eine Art ... magische Droge?", fragte Lucien, der ihr nicht ganz folgen konnte. Was sonst meinte sie mit magischen Tränken?

Nachdenklich zuckte Janette mit den Schultern. "In diesen Fantasiebüchern gibt es doch haufenweise Legenden und Sagen um magische Tränke, die einem Stärke verleihen", erklärte sie, gab aber zu, dass es auch Drogen sein konnte. Was in den Köpfen der Autoren vorging, konnte niemand ahnen. Sie wussten wahrscheinlich nicht einmal, was Magie wirklich bedeutete.

"Im Grunde sind diese magischen Tränke nichts anderes, als Drogen, Kräuter oder Dinge, die dafür da sind, um irgendwelche Effekte hervorzurufen", meinte Lucien nüchtern. "Aber so ein Trank, aus was er nun besteht, sei dahingestellt, könnte aber durchaus der Grund sein. Vielleicht geht eine neue Droge um."

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