Kapitel 36
Kapitel 36
„Hast du Angst, ich könnte dich verurteilen?", wollte Janette vorsichtig wissen. Ihre Worte klangen gedämpft und traurig.
"Nein, das nicht. Aber meine Kindheit ist stark mit Raphaels verknüpft und das würde auch viel über ihn verraten", meinte er leise.
„Ich verstehe", erwiderte Janette enttäuscht. Ihr war klar, warum er dann darüber nicht sprach. Zwingen konnte sie ihn nicht und vielleicht war es auch besser, wenn es einfach so blieb. Je weniger Emotionen sie hatten, desto leichter würde der Abschied hoffentlich fallen.
Lucien rieb seine Wange sanft an ihrer. "Als ich klein war, habe ich einmal den Fehler gemacht und bin weiter aufs Meer geflogen, als ich hätte zurückfliegen können", meinte er belustigt.
Janette hob den Kopf und sah ihn fragend an. Die Vorstellung, dass er so etwas getan hatte, war lustig. „Was ist dann passiert?", fragte sie neugierig.
"Ich habe bemerkt, dass ich zu weit draußen war und dachte, dass die Insel, die ich gesehen habe, näher ist", meinte er schmunzelnd. "Aber ich war zu jung und bin irgendwann im Wasser gelandet und musste schwimmen."
Bei seinen Worten legte sie ihre Hand an seine muskulöse Brust. „Daher die stahlharten Muskeln", murmelte sie gespielt ernst und erstaunt.
Lucien lachte. "Damals noch nicht. Ich habe zwei Tage auf der Insel verbracht, bevor ich mich genug erholt habe, um zurückzufliegen."
Ein kleines Lächeln erschien auf Janettes Lippen und sie sah ihn nachdenklich an. „Was hattest du da draußen eigentlich zu suchen?"
"Es war ... eine Wette", lachte der Engel, der sich zu gern daran erinnerte. "Wir haben eine Art Wettrennen unter Freunde gemacht."
Kopfschüttelnd seufzte Janette und streichelte Luciens Brust. „Wenigstens ist dir nichts passiert. Wer weiß, was hätte passieren können", brummte sie gespielt.
"Es ist nichts passiert. Aber meine Eltern hätten mich wohl auch gefunden", sagte er beruhigend.
Wo seine Eltern wohl waren? „Ich hätte dir deinen Hintern versohlt", behauptete die Sukkubus.
"Ach, das ist doch ganz normal für dieses Alter", behauptete er.
„Den Hintern versohlt zu bekommen?", fragte Janette mit hochgezogenen Augenbrauen. Ihr Körper fühlte sich wieder normal an, außer, dass ihr leicht schwindelig war. Aber sie war froh, dass sonst nichts passiert war.
"Nein, Dummheiten machen", lachte er.
„Die machst du heute auch noch", erwiderte die Dämonin und richtete sich auf, um besser sitzen zu können.
"Das kann durchaus vorkommen", meinte er schulterzuckend. "Aber zumindest weiß ich, dass ich jetzt jemanden habe, der sich Sorgen um mich macht."
„Raphael macht sich bestimmt immer Sorgen um dich, wenn ihr Freunde seid", sagte Janette ernst und zog die samtweiche Decke über sich, denn ihr wurde kalt. Dabei war das eigentlich nicht normal.
"Sicher, dass es dir gut geht?", fragte Lucien besorgt.
„Mir ist kalt. Ist wohl der Schock, der langsam einsetzt", gestand die Ärztin missmutig.
"Das könnte sein", meinte er und zog sie samt Decke wieder an sich.
„Ich muss arbeiten ...", flüsterte Janette im leicht quengelndem Ton.
"Erst, wenn du den Schock überwunden hast", sagte er ernst.
„Lucien", begann die Ärztin, bevor sie sich an ihn kuschelte. „Solange ich hier bin, verlasse mich nicht und bleibe bei mir. Nachdem das hier vorbei ist, wird mein restliches Leben einsam sein, daher möchte ich die Zeit mit dir genießen", flüsterte sie ihm zu.
Er fuhr ihr sanft durch die Haare und strich sie ihr hinter die Ohren. "Ich werde dich nicht verlassen", versprach er. "Vielleicht ist es nicht in Ordnung", begann er und beugte sich zu ihrem Ohr. "Aber ich möchte dich danach wiedersehen."
Das wollte Janette auch, doch es gab Regeln, an die sich alle zu halten hatten. Wenn sie die Chance hätte, würde sie hierbleiben. Oder mit Lucien woanders hingehen. Trotzdem hatten sie beide ihre Arbeit, die auf verschiedenen Kontinenten lagen. „Ich möchte dich auch wiedersehen", sagte sie heiser. Durch den Vorfall war sie empfindlicher geworden, weshalb sie wieder weinte.
Er hielt sie und streichelte sie, als wäre er ihr Fels in der Brandung. "Dann werden wir uns auch wiedersehen. Vielleicht werden wir nie die Möglichkeit haben zusammen zu leben, aber sehen können wir uns."
Schluchzend nickte sie und wirkte wie ein kleines Kind, das gerade traurig war. Sie sollte sich nicht so fühlen und jemandem solche Gefühle entgegenbringen. Es beeinflusste ihr Leben, doch wenn Janette ehrlich war, wollte sie es nicht ändern. Lucien war wichtig für sie, denn er gab ihr Halt. Auch wenn es darin bestand, auf sie aufzupassen.
"Immerhin gibt es viele Engel und Dämonen, die sich regelmäßig sehen", behauptete er, um sie zu beruhigen.
„Fernbeziehung, nicht wahr? Oder wie nennt man das sonst?", fragte sie heiser und wischte sich die Tränen von den Wangen, bevor sie sich von Lucien löste und es sich wieder auf seinem Schoß bequem machte.
"Ja", seufzte er und gab es nur ungern zu.
Janette lehnte sich wieder an seine Brust und legte ihren Kopf an seine Halsbeuge, wo er ihren warmen Atem spüren konnte. „Etwas Gutes hat es ...", murmelte sie, „es würde keine Probleme mit Kindern geben." Es tat ihr immer leid, wenn Eltern sich trennten und die Kinder schwere Zeiten hatten, weil sie sich entscheiden mussten, bei wem sie lebten. Oder die Gerichte, die dafür verantwortlich waren.
"Ich weiß nicht, ob wir überhaupt Kinder bekommen könnten", gestand Lucien leise und entschuldigend.
„Deswegen sage ich ja: Es ist gut. Nicht nur, weil ich ständig verhüte, sondern auch, weil wir auch so keine bekommen können", meinte Janette, die es anscheinend nicht so schlimm sah. Es war ihr Vorteil, auch wenn sie Kinder liebte und sich manchmal fragte, wie es wohl war, wenn sie eines hatte.
"Du verhütest?", fragte Lucien überrascht. Die Geburtenrate bei Engeln und Dämonen war so gering, dass er dafür keinen Grund sah. Zudem sie sowieso nur mit Ihresgleichen Kinder bekommen konnten.
Als Antwort zuckte Janette mit den Schultern. „Es ist nicht nur das. Ich kann zwar nicht wirklich krank werden, aber ich mag den Gedanken nicht, dass jemand mich etwas anstecken könnte. Sieh es als Verhütung vor Krankheiten und vor dem Kinderkriegen mit einem Inkubus", erklärte sie nachdenklich.
"Verstehe", meinte Lucien, obwohl er es eigentlich nicht verstand.
Da sie den Engel bereits gut genug kannte, löste sie sich etwas von ihm, um ihn anzusehen. „Was?", fragte sie neugierig.
"Ich wunder mich nur", meinte er. "Ich kenne sonst weder Engel noch Dämon, der verhütet."
Die Ärztin legte ihren Kopf wieder an seine Schulter und zog die Decke um sich höher, weil sie mittlerweile zitterte. „Ich schlafe mit männlichen Dämonen. Oder ich habe mit ihnen geschlafen", korrigierte sich Janette. „Ich habe es tatsächlich erlebt, dass eine Sukkubus von einem Inkubus krank geworden ist. Sollte eigentlich nicht sein, doch sie hat ihre Fruchtbarkeit verloren", erzählte sie im Vertrauen, denn es ging Lucien nichts an. „Und da ... ich gerne meine Fruchtbarkeit behalten wollte ... für den Fall, dass ich mich in einen Inkubus verliebe ... habe ich angefangen, zu verhüten", erklärte Janette peinlich berührt.
"Das ist natürlich ein sehr guter Grund", meinte Lucien, der seinen Flügel etwas streckte, bevor er sich zusammen mit Janette ins Bett legte und die Decke über sie zog. Zusätzlich zu der, die sie schon um hatte.
Die Sukkubus lag auf dem Engel und hatte ihre Arme um seinen Nacken geschlungen. „Aber da das nicht mehr passieren wird, kann ich eigentlich damit aufhören", murmelte Janette und seufzte zufrieden, Luciens Geruch einatmen zu können.
"Mit was aufhören?", fragte Lucien vorsichtig. "Du weißt du brauchst diese Art von ... Nahrung."
„Ich meinte Verhütung", flüsterte Janette und seufzte. „Aber ich verspüre auch nicht mehr das Bedürfnis, mit ... jemandem zu schlafen", sagte sie mit einem Schaudern. Das war sehr schlecht, denn, wie Lucien es treffend genannt hatte, brauchte sie es.
Er ließ seine Finger zärtlich über ihre Seiten fahren. "Das ist nicht gut", bemerkte er.
Ein zustimmendes Geräusch ihrerseits erklang, während sie ihre Augen geschlossen hielt und einfach Luciens Nähe genoss.
"Dann ist es wohl noch wichtiger, dass wir uns regelmäßig sehen", bemerkte er nüchtern.
Nur würde es nichts bringen, wenn Janette trotzdem kein Bedürfnis mehr spürte. Dennoch hatte sie nichts dagegen, Lucien öfters zu sehen. Sie brauchte ihn.
"Ich hoffe sehr, dass es bald besser wird", flüsterte er. "Aber jetzt solltest du schlafen. Es ist spät in der Nacht."
Das war eine gute Idee. Die Müdigkeit und Erschöpfung holte Janette trotz des Stärkungtranks ein. Deshalb dauerte es nicht lange, bis Lucien ein gleichmäßiges Atmen von ihr hörte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top