Kapitel 35

Kapitel 35

"Ich hatte Angst, dass du daran vielleicht erstickst", meinte er sanft. "Ich wusste nicht, wie sehr du dich bewegen konntest."

„Gar nicht ... ich war völlig gelähmt", gestand Janette und nahm einen weiteren Schluck. Der Geschmack war schrecklich, doch es war Medizin. Die schmeckten alle schlecht.

"Trotzdem wollte ich sichergehen, dass es dich nicht noch mehr beeinträchtigt", bemerkte Lucien und küsste ihre Stirn.

Das tat ihr gut und sie versuchte, zu lächeln. „Dann haben sie es mir nicht abgenommen? Wenn Marco schlauer gewesen wäre, hätte er es bemerkt und mir weggenommen ...", murmelte Janette.

"Er ist nicht sonderlich schlau", meinte Lucien nüchtern.

„Schlauer als gedacht", kommentierte Janette niedergeschlagen. Sie war eine schlechte Schauspielerin, sonst hätte er es nicht bemerkt.

"Vielleicht, oder einfach nur daran interessiert einen Dämon für seine Zwecke zu haben", knurrte Lucien und versteifte sich kurz, weil er so wütend auf diesen Wicht war.

Die Sukkubus seufzte leise. „Ich glaube, er will sich an Raphael rächen, weil dieser ihn nicht hatte wandeln wollen. Er meinte, dass er sich jetzt selbst wandeln kann. Aber er wollte auch irgendwelche Tests mit mir machen", gestand Janette.

"Das ist sehr seltsam", murmelte Lucien. "Er sollte doch wissen, dass viele Leute nicht gewandelt werden können. Wie das mit dem selbst wandeln gehen soll ... seltsam."

„Der Trank hat wohl etwas damit zu tun. Vielleicht glaubt er, dass Raphael wahllos die Leute auswählt und ihn nicht als gut genug empfunden hat. Sozusagen als Hass und Rache macht er das mit anderen Menschen", versuchte die Ärztin zu erklären und stellte ihre inzwischen leere Tasse auf dem Nachtschränkchen ab.

"Er ist ein Mensch", murmelte Lucien und wirkte nachdenklich. "Ohne einen Engel oder Dämon kann er niemanden wandeln. Ich bin sicher, er ist nur eine Schachfigur."

„Aber wie konnte dann der eine sich in einen Schlangenmenschen verwandeln?", fragte Janette, die darüber seit der Veranstaltung nachgedacht hatte.

"Du weißt doch, dass Engel und Dämonen ihr Blut infizieren. Vielleicht ist das, was er verkauft Engels- oder Dämonenblut", schlug Lucien vor. "Und er gibt es einfach irgendwelchen Leuten. Das könnte erklären, wieso sie so reagieren, wie sie reagieren. Die Menschen werden ja nach Verträglichkeit ausgesucht."

Dann stellte sich die Frage, von wem das Blut war. Ob Marco einen Dämonen oder Engel gefangen hielt, und diesem das Blut abzapfte, um es anderen zugeben.

Und wollte er sie vielleicht auch dafür haben? Das wäre ... grauenhaft.

Es war möglich, dass er sie als neues Opfer ausgesucht hatte. Das ließ sie schaudern und sie wusste nicht, was passiert wäre, wenn Lucien nicht aufgetaucht wäre.

"Wir werden herausfinden, was da los ist", versprach Lucien. "Ich möchte aber, dass du mir etwas versprichst", begann er vorsichtig.

„Was?", fragte Janette stirnrunzelnd.

"Ich möchte, dass du mir immer sagst, wenn du die Residenz verlässt", sagte er ernst.

Wenn sie ehrlich war, verspürte sie im Moment nicht das geringste Bedürfnis, die Residenz zu verlassen. „Ich gehe nicht mehr ohne dich", versprach Janette und senkte den Kopf.

"Sehr gut, das wäre das nächste, was ich gefordert hätte", meinte Lucien, der sie an sich drückte.

„Alter Kontrolleur", murmelte die Sukkubus, aber ein zaghaftes Lachen war in ihrer Stimme zu hören. „Kein Wunder, dass du ein Halsband gewählt hast", neckte sie ihn.

Lucien schmunzelte. "Ich möchte nur sichergehen, dass jemand auf dich achtet. Wenn du wirklich ein Ziel bist ... Niemand soll dich einfach so wegfangen können."

Janette kicherte leise und legte ihren Finger an seine Nase. „Du willst mich nur an die Leine legen ... wobei ... ich glaube, das ist wohl vorbei. Nachdem das Ganze passiert ist, sollten wir vorsichtiger mit allem sein", meinte sie kopfschüttelnd. Irgendwie machten ihr die Geschehnisse zu schaffen.

"Vielleicht möchte ich das. Aber ich werde es nicht. Trotzdem wäre es mir lieb, wenn du das Halsband trägst, damit ich weiß, wo du dich aufhältst", sagte er.

„Das meinte ich nicht ...", begann Janette zögerlich. Sie hatte eigentlich ihr sexuelles Verlangen nach Unterwürfigkeit gemeint. Bisher hatte sie alles mit sich machen lassen. Sie hatten sogar darüber gesprochen, dass Lucien sie auch im Bett fesseln würde. Doch nach dem Ganzen hatte sie nicht das Gefühl, dass der Engel und sie so weitermachen würden wie zuvor. Es war schwer zu erklären, doch das Gefühl hatte sie im Moment. Und das machte sie fertig.

"Aber das ist es, was mich im Moment interessiert. Das du sicher bist und dich erholen kannst", sagte er sanft und küsste ihre Schläfe.

Janette nickte verständlich und senkte den Kopf. Was, wenn sie sich weder Lucien noch den anderen wieder hingeben konnte? Sie brauchte diese Nahrung. „Ich möchte nicht mehr in den Club gehen. Auch wenn er geschlossen ist, ich ... glaube ich habe Angst."

"In den Club wirst erst einmal niemand mehr gehen", sagte Lucien und fuhr ihr über die Haare. "Vor was hast du Angst?"

Irgendwie versuchte Janette zu erklären, dass der Moment, als der Schlangenmann sie gebissen und sie die Flüssigkeit gespürt hatte, beängstigend gewesen war. Dass sie sich nicht mehr hatte bewegen können und völlig ausgeliefert war. Eigentlich mochte sie es, wenn sie von Lucien gefesselt und er tun konnte, was er wollte. Nur hatte sie gerade ein Gefühl, dass das nicht mehr möglich war.

"Das ist eine Vertrauenssache", meinte Lucien und streichelte sie weiter. "Solche Dinge sind nur dann angenehm, wenn man weiß, dass derjenige einen vertraut", sagte er sanft.

Hilflos zuckte sie mit den Schultern und wusste nicht, was sie sagen sollte. „Was war das für ein Tee von den Heilern und wie lange habe ich geschlafen?", wollte sie wissen, um das Thema zu wechseln. Es brachte nichts, zu jammern, wenn es viel wichtigere Dinge zu tun gab.

"Es war ein ... ich glaube Stärketrank", sagte er, zuckte aber die Schultern.

Langsam wollte Janette von seinem Schoß gleiten und seufzte. Sie fühlte sich etwas besser. Nicht viel, aber etwas besser. „Wie lange habe ich geschlafen?", fragte sie noch einmal.

"Ein paar Stunden nur", versicherte Lucien und ließ es zu.

„Sehr gut", sagte sie zufrieden und setzte sich an die Bettkante. „Ich muss ins Labor, die Tränke untersuchen. Es wäre doch gelacht, wenn wir der Sache nicht auf die Spur kommen", seufzte Janette. Vielleicht würde Leandra helfen. Die Forscherin wusste sehr viel.

"Würdest du mir den Gefallen tun und dich noch etwas ausruhen?", fragte Lucien. "Nur noch ein paar Stunden."

Janette wandte ihren Kopf zu Lucien. „Aber die Tränke ...", begann sie, bevor sie nickte. Vielleicht war es besser, noch etwas zu ruhen und die Gedanken zu ordnen.

Er öffnete leicht die Arme. "Würdest du zu mir kommen?", fragte er.

Ihr Zögern war nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar, denn sie brauchte einige Sekunden, bis sie sich wieder bewegte und langsam wieder weiter ins Bett rutschte und sich vorsichtig zu Lucien wie ein kleines Kind, das Schutz suchte, kuschelte.

Dieser schlang die Flügel um sie und streichelte sie weiter. "Möchtest du vielleicht irgendwas machen, was dich ablenkt?"

Als Antwort schüttelte sie den Kopf und ihre Hände krallten sich in sein Oberteil. Leider gab es nicht viel, was sie ablenken konnte. Das, was bisher meist funktioniert hatte, schied aus. Da seine Flügel um sie geschlungen waren, wurde sie in Dunkelheit gehüllt, was sie plötzlich zum Schluchzen brachte.

"Was ist los?", fragte Lucien mit ungewohnt besorgter Stimme. "Hab ich was falsch gemacht?", wollte er wissen. Ihm war klar, dass die Sache sie gezeichnet hatte. Obwohl sie eine Dämonin war, hatte er eher das Gefühl ein Kind im Arm zu halten. Zumindest in diesem Punkt.

Erneut schüttelte sie den Kopf und brachte unter Tränen hervor, dass sie sich für ihre harten Worte so sehr schämte. Dass sie den Mann, den sie liebte, so beschimpft hatte. So etwas verdiente keiner. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Es tat ihr selbst weh, dass sie diese Dinge gesagt und auch so dumm reagiert hatte.

Aber das war nicht alles. Ohne Lucien Zeit zum Antworten zu geben, brachte sie hervor, dass sie als Kind in einem Haus eingeschlossen war. In diesem hatte sie immer gespielt.

Dort hatte es aus unbekanntem Grund zu brennen angefangen und durch all die Flammen und den Rauch hatte sie nichts mehr sehen und keinen Ausweg mehr finden können. Damals war ein Teil des Daches auf sie gestürzt und hatte sie unter sich begraben. Ein Nachbar hatte sie Schreine gehört und rettete sie, in dem er durch die Flammen gerannt war und sie aus dem brennenden Fenster geworfen hatte. Kurz darauf war der Rest des brennenden Daches auf ihn gefallen und hatte ihn beim lebendigen Leib verbrannt. Die Schreie des Jungen waren noch heute sehr präsent, obwohl es so viele Jahrhunderte zurücklag. Er hatte sein Leben gegeben, um sie zu retten.

Junge Dämonen unterschieden sich eigentlich kaum von Menschen. Sie hätte es also wohl nicht überlebt.

Lucien küsste ihren Kopf. Er ahnte, dass der Junge ein Mensch gewesen war. "Eine traurige Erinnerung", sagte er sanft.

„Ich habe seitdem Angst vor Feuer und der Moment, als das Haus in Flammen aufgegangen ist ... und ich mich nicht bewegen konnte, war schrecklich", gestand Janette, die sich noch mehr an seiner Brust versteckte.

"Es tut mir leid, das Feuer war meine Schuld", sagte Lucien und küsste ihr die Schläfe.

Jedoch hatte er es nicht wissen können. Woher auch? Bisher hatten sie nicht über solche Dinge gesprochen. Eigentlich kannten beide die Vergangenheit des anderen überhaupt nicht. Dabei fragte sich Janette, warum Lucien so geworden war, wie er war.

Die Dämonin schüttelte den Kopf und fuhr sich über ihr tränennasses Gesicht.

"Kann ich etwas für dich tun?", wollte der Engel wissen und klang besorgt.

Hilflos zuckte sie mit den Schultern. „Einfach da sein, bis ich wieder ins Labor kann", bat sie heiser. Doch dann fiel ihr etwas Ungewöhnliches ein. „Kannst du Geschichten erzählen? Vielleicht sogar von dir? Ich möchte dich und dein Verhalten verstehen", bat sie unsicher.

"Ich bin nicht der Typ, der einfach so von sich erzählt", gestand er. "Aber ich kann dir etwas von meiner Kindheit erzählen."

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