Kapitel 34

Kapitel 34

Das erste Lebenszeichen war ihre Nase, die sich krauste. Völlig benommen erwachte Janette und spürte sofort, dass sie in einem Bett lag. Zuvor hatte sie keine Berührungen mehr spüren können, doch nun fühlte sie eine weiche Matratze in ihrem Rücken.

Ihr Kopf dröhnte, aber das unangenehme Kribbeln hatte nachgelassen. Mit sichtbarer Mühe versuchte die Ärztin, ihre Augen zu öffnen.

"Ganz ruhig", erklang eine sanfte, tiefe Stimme und sie spürte eine Hand an ihrer Wange. "Du bist in Sicherheit."

„Lu-Lucien?", brachte sie mit kratzender Stimme hervor und hob wie in Zeitlupe ihre Hand, um diese auf seine zu legen.

"Ja", sagte er sanft. "Es ist alles gut."

Janette brauchte sichtlich Kraft, um die folgenden Worte zu formen. „Es tut ... mir leid", krächzte sie und bekam einen Hustenanfall, der ihr in der Brust schmerzte. Sie als Ärztin wusste, dass sie wohl zu viel Rauch eingeatmet hatte, denn der Ort war voller schwarzer Rauch gewesen.

Lucien ließ seine Finger über ihre Wange gleiten. "Ich wäre dir böse, wenn du das Halsband nicht getragen hättest", meinte er nüchtern.

Erst, nachdem sich die Ärztin von ihrem Hustenanfall erholt hatte, schüttelte sie leicht den Kopf. Was mit ihr passiert wäre, war ihr egal. Aber dass sie sich bei Lucien nicht für ihre Worte hatte entschuldigen können, setzte ihr zu und belastete sie.

Dieser streichelte sie sanft. Saß er neben ihr im Bett? Sie konnte seine Flügel spüren.

Ob sie sich wohl im Labor befand? Oder in einem Krankenzimmer der Engelsheiler? Dort waren die Betten klein, sodass man sie schnell umrunden konnte.

Janette hatte es aufgegeben, ihre Augen öffnen zu wollen. Dazu fehlte ihr einfach die Kraft. Deshalb wusste sie nicht einmal, wo sie eigentlich war. Noch einmal murmelte sie mit gebrochener Stimme eine Entschuldigung. „Meine ...Worte tun mir leid", fügte sie nach kurzer Pause hinzu.

"Welche?", fragte Lucien rau. "Dass ich ein kaltherziges Arschloch bin?", wollte er wissen. "Oder dass du mir deine Gefühle gestanden hast?"

Ihre Hand machte eine Bewegung, die eine Eins andeuten und ihm somit sagen sollte, dass die erste Vermutung richtig war.

Er schnalzte leicht mit der Zunge. "Du warst wütend", meinte er, als wäre es ihm egal. "Ich weiß, dass man da Dinge sagt, die man vielleicht bereut. Möchtest du etwas trinken?"

Leicht schüttelte sie den Kopf und wagte einen neuen Versuch, ihre Augen zu öffnen. Schließlich schaffte sie es, diese ein Stück weit zu öffnen und Janette blieb die Worte im Hals stecken.

Wo war sie? Das hier war kein Zimmer im Labor und sicherlich nicht bei den Heilern. So geschmackvoll eingerichtet waren sie nicht, das war ihr klar. Doch wo befand sie sich dann? „Wo bin ich?", fragte sie heiser und hob ihren Kopf ein kleines bisschen.

"Willst du dich aufsetzen?", fragte Lucien und half ihr dabei, ihren Kopf zu halten.

Er spürte, dass sie absolut keine Kraft hatte, ihren Kopf zu halten, denn er lag schwer in seiner Hand. Anstatt ihm zu antworten, fragte sie erneut, wo sie war. Diese Einrichtung ... war sehr hübsch und gleichzeitig wirkte sie auch dunkel, kühl und angenehm. Eine wirklich merkwürdige Mischung.

"In meinem Zimmer", meinte Lucien nüchtern. "Damit du nicht auf dumme Gedanken kommst."

Verblüfft schaffte sie es, ihm einen Blick zuzuwerfen. Allerdings erkannte sie Lucien nur an den Umrissen. Ihr lag etwas auf der Zunge, doch sie schluckte den Kommentar hinunter und ließ sich von ihm helfen, sich ein wenig aufzurichten, damit sie sitzen konnte.

Es fiel ihr sehr schwer, doch Lucien hielt sie. "Die Heiler haben einen Trank für dich gemacht", erklärte er.

Den würde sie auf jeden Fall nehmen. So konnte sie nicht bleiben. Deshalb nickte sie und ließ den Kopf hängen. Ihr Körper war wie eine Puppe, leblos und ohne jeglichen Willen. Wie lange sie wohl geschlafen hatte?

Lucien erklärte ihr, dass er sich kurz erheben und Wasser kochen musste, um ihr den Trank aufzugießen.

„Nicht gehen", quengelte Janette leise und griff seine Hand. „Danke für deine Hilfe und es tut mir leid, dass ... ich dich in eine unangenehme Situation gebracht habe", sagte sie leise.

Lucien streichelte ihre Wange. "Ich bin gleich wieder da", versprach er. "Ich werde nur in die Küche gehen und Wasser kochen."

Widerwillig ließ sie seine Hand los und spürte, wie heiße Tränen ihre Wangen hinabliefen, als er tatsächlich aufstand.

Allerdings beugte er sich dann vor und hob sie wie ein Baby auf den Arm. "Dann nehme ich dich eben mit", meinte er und trat mit ihr zusammen in eine großräumige Küche.

Ihre Arme schlangen sich sofort um seinen Nacken und Janette vergrub ihr Gesicht an seiner Halsbeuge. Würde Lucien sie nicht halten, würde sie vermutlich fallen, denn ihr Griff war lächerlich sanft.

„Verzeihst du mir?", fragte sie murmelnd an seiner Haut.

"Ich war dir nie böse", sagte er ernst. "Ich bin es, der sich entschuldigen sollte. Ich habe dich absichtlich in dem Glauben gelassen, dass ich nichts für dich empfinde, weil ich gehofft habe, es würde dir ein Leben und eine Zukunft leichter machen."

Leise grummelte sie, dass er nicht lügen musste, nur damit sie sich besser fühlte. Man konnte keine Gefühle erzwingen, das hatte sie verstanden. Genauso wenig, dass man nichts gegen Gefühle tun konnte.

Sie ging davon aus, dass Lucien das lediglich sagte, damit sie sich beruhigte.

"Ich habe nicht vor dich anzulügen", meinte Lucien. "Ich lüge nie. Darum habe ich auch geschwiegen, als du mich gefragt hast", erklärte er und schaffte es irgendwie mit ihr zusammen den Wasserkocher anzustellen.

Vielleicht hätte Janette auch gar nichts sagen sollen, um ihn nicht in eine unangenehme Situation zu bringen.

Wie ein Kind hing sie in Luciens Armen und seufzte. „Also ... fühlst du etwas für mich? Oder nur körperlich?"

"Ich fühle etwas für dich", sagte er ernst, während er es irgendwie schaffte, den Tee aufzugießen. "Ich fühle sogar sehr viel für dich und das macht es schwer."

Seine Worte brachten Janette zum Weinen. Ein Mann, der wirklich etwas für sie fühlte. Es war, als würde ein lang gehegter Traum in Erfüllung gehen. Auch wenn sie niemals zusammensein würden, war es ein schönes Gefühl, gemocht zu werden.

Lucien hielt sie sanft im Arm und nahm die Tasse, die er mit ihr zusammen ins Schlafzimmer mitnahm.

Schluchzend gestand sie, dass sie Angst gehabt hatte, als sie allein im Club gewesen war. Der Engel gab ihr ein beschütztes Gefühl, das ihr gefehlt hatte.

"Du hättest nicht gehen sollen", meinte Lucien. "Als ich erfahren habe, dass du allein losgezogen bist, habe ich sofort alles stehen und liegen gelassen und es war auch gut so."

„Ich musste, nachdem ich es versprochen habe, da zu sein", erklärte Janette mit gebrochener Stimme, denn diese wurde immer wieder von Schluchzern unterbrochen. „Warum hast du mich allein gelassen?", weinte sie bitterlich.

"Ich hatte gehofft, dass ein wenig Zeit dir helfen könnte, dich zu beruhigen", sagte er ernst. "Außerdem brauchte Raphael mich. Ich wollte es dir noch sagen, aber du warst so wütend."

Irgendwie konnte sie das verstehen. Hätte er das vermutlich in diesem Moment zu ihr gesagt, wäre sie wahrscheinlich dankbar gewesen. Doch nach der einsamen Nacht, in der sie nur geweint hatte, hatte sie ihn sehr vermisst. Auch am Tag mit Leandra hatte sie immer wieder an Lucien denken müssen. Sie vermutete sogar, dass es Luciens Wunsch gewesen war, ein wenig Abstand zu bekommen.

Lucien stellte die Tasse auf den Nachttisch, damit er etwas auskühlen konnte, bevor er sich mit Janette zusammen auf das Bett setzte, wobei er die Dämonin auf dem Schoß hatte.

„Es in das erste Mal, dass ich überhaupt Gefühle habe und das hat mich überfahren", gestand sie kleinlaut, während sie sich an seine Brust schmiegte. Jetzt konnte sie endlich wieder seinen Geruch wahrnehmen und das beruhigte sie.

Sanft streichelte er ihren Rücken. "Gefühle sind nicht immer leicht", meinte er beruhigend.

Am liebsten hätte sie Lucien gefragt, ob er damit schon viel Erfahrung hatte, wenn er so etwas sagen konnte, aber Janette wollte ihn nicht verletzen.

Erschöpft saß sie auf seinem Schoß und schmiegte sich an ihn. Erneut weinte sie, doch dieses Mal vor Glück, dass er bei ihr war. „Was ist genau passiert und wo ist Marco?", fragte sie vorsichtig. So weit sie sich noch erinnern konnte, war er irgendwohin geflogen.

"Wir wissen nicht, wo er ist. Gino sucht nach ihm. Das Gebäude ist abgebrannt", meinte er seufzend.

Ein Zittern ging durch den Körper der Sukkubus. Feuer ... der Geruch von Rauch und die Hitze in ihren Gedanken machte ihr zu schaffen. „Er ... weiß, dass ich für Raphael arbeite. Dieser eine Trank hat den Mann in einen Gestaltswandler verwandelt. Er hat mich als Schlage gebissen und irgendetwas injiziert ...", erzählte sie stockend, denn die Gedanken wirbelten herum, sodass es schwer war, sie in die richtige Reihenfolge zu bringen.

"Es wurden einige Tränke konfisziert. Der Club ist geschlossen", informierte er Janette. "Die Heiler sagen, dass alles in Ordnung ist. Es war ein Schlangengift. Dein Körper ist dabei es zu verarbeiten."

Ob das Gift auch in dem Tropf gewesen war? Zum Glück hatte es nicht noch mehr Schaden angerichtet. Mit heiserer Stimme berichtete Janette, was in dem Club vorgefallen war. Welche Art von Tränken er vorgestellt hatte und dass sie fünftausend für den Stärkungstrank bezahlt hatte. Den Gestaltswandlertrank hatte sie auf Anhieb nicht zahlen können.

Der Engel konnte hören, wie schwer es ihr fiel, die ganzen Dinge zu berichten. Das lag lediglich daran, dass die letzten Bilder des Feuers ihr zusetzten.

Lucien hielt sie und streichelte sie. Schlang seine Flügel um sie und gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Er wollte ihr zeigen, dass sie in Sicherheit war.

Einige Zeit saßen sie einfach so da, bis sie den Tee trinken sollte. Mit zitternden Händen nahm sie ihn und trank langsam. Die warme Flüssigkeit half ihrem gereiztem Hals, sich zu entspannen. Ihre Sicht wurde auch wieder klarer, was nur dafür sorgte, dass sie beschämt den Kopf senkte, um Lucien nicht ansehen zu müssen.

Dieser hielt sie und drängte sie nicht, während er sie ausgiebig streichelte. "Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht", gestand er.

„Ich habe dich vermisst", murmelte Janette und räusperte sich, als sie an ihren Hals fasste. „Wo ist das Halsband?", fragte sie verwirrt. War es ihr von den Männern abgenommen worden?

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