K. 4 ~ Labyrinth aus Eis ♣


Als Air sich dann dazwischen stellt
Kam ein Blitz, der grellt
Die Wut durchschnellt
Und Gaia war es, die zu Boden fällt.

Promissum

~ Aria ~

Die Drachenschlange setzte zu seinem nächsten Angriff an, doch ich war mehr als bereit. Entschlossen, doch voller Angst zog, ich mich aus dem Wasser und hielt mich an der rutschigen Gesteinswand fest. Mit einem gewaltigem Satz und einem weit aufgerissenem Maul stürzte es wieder auf mich zu, doch ich sprang im perfekten Moment von dem Fels, sodass das Untier mit voller Wucht gegen den harten Stein krachte. Dunkelblaues Blut tropfte vom Gesicht des Wesens in das Wasser und blieb wie ein Ölteppich auf der Oberfläche. Wenn das Ding vorher noch nicht wütend war, dann spätestens jetzt.

Es begann zu keuchen und zu schnauben, leckte mit seiner gespaltenen Zunge über sein Gesicht und fixierte mich mit einem Killerblick, wie er im Buche stand. Mit einem Mal atmete das Monster einen gelblichen Dunst aus, der sich sofort wieder aufzulösen schien, als wäre er nur eine Illusion gewesen. In der Sekunde, in der das Untier nach mir schnappte, tauchte ich unter und versuchte Unterwasser vor ihm davon zu schwimmen, doch seine lange, raue Zunge schlang sich um mein rechtes Bein und zerrte mich wieder an die Wasseroberfläche. Mit einer Kraft, der ich mich nicht wehren konnte, schmiss das Ding mich in die Höhe und lies mich auf dem Wasser aufkommen, während das Ding um mich herum seine Runden zog. Zu meiner Bewunderung konnte dieses Ungeheuer schwimmen und dass sogar so schnell, sodass ein Strudel entstand, dem ich nicht entfliehen konnte. Er riss mich gnadenlos mit. In dem Moment, in dem ich damit kämpfte, nicht zu ertrinken, wurde mir klar, was dieses Wesen tat. Es spielte mit mir. So wurde mir nur noch mehr klar, wer von uns der Jäger und wer der Gejagte war. Wer die Macht von uns beiden hatte, über das Leben des Anderen zu entscheiden. Wenn ich einmal geglaubt hatte, ich würde hier lebendig davon kommen, hatte ich mich gewaltig getäuscht.

Der Strudel zog mich nach unten, doch ich hatte keine Kraft mehr, um das zu verhindern. Ich wollte einfach, dass alles mit einem Male aufhört und ich in Ruhe sterben konnte. Doch dieses Biest hatte seinen Spaß daran, mich zu quälen, sodass er mich mit seiner langen Zunge erneut aus der Tiefe an die Oberfläche zog, mich hinunter tauchte und dann wieder nach oben holte. Ich war doch verdammt nochmal keine gelbe Plastikente zum Spielen! Keuchend röchelte ich das Wasser aus meiner Kehle, meine Augen tränten schon von dem unangenehmen Kribbeln meiner Nase.

All mein Hass und der Rest meiner verzweifelt unterdrückten Gefühle bauten sich auf, bis neues Adrenalin durch meine Venen strömte und sie mit einem Mal entfesselte. Ohne auch nur einen Gedanken für meine Angst zu verschwenden, krallte ich mich an der Zunge des Ungeheuers fest und bohrte meine Krallen tief in das Fleisch hinein. Mit einem gequältem Laut schmiss es mich mit seiner Schwanzspitze auf die gegenüberliegende Seite, weiter weg von dem Kopf. Also krabbelte ich auf den Rumpf der Schlange und balancierte auf ihr herum, in Richtung seines Mauls. Jeder Schritt auf dieser Kreatur fühlte sich an, als ob ich mit Plastiksohlen in warmen Schaumstoff versinken würde. Dies gefiel dem Tier allerdings nicht so gut, weshalb er mit seinem Körper auf dem Wasser platschte, damit ich von seinem Körper hinunter fiel. Ich rutschte zwar weg, konnte mich aber noch mit meinen Krallen an seiner schuppenbedeckten Haut festhalten. Schnell schoss sein Drachenkopf zu mir, doch ich sprang beiseite und hielt mich an seinen bläulich schimmernden Kämmen über dem Kopf fest, zog mich hoch und klammerte nun auf ihm, wie ein Äffchen. Das Schlangenwesen grunzte, wälzte sich und drehte unter dem Wasser Pirouetten, um mich abzuwimmeln. Doch ich gab nicht nach, hielt mich nur noch weiter fest, bis meine eiskalten Finger seine Augen fanden und ich meinem Instinkt folgte. Mit einem matschendem Geräusch fühlte ich nur noch, wie eine glibbrige, warme Flüssigkeit über meine Finger lief.

Mit einem unglaublich schrillen Brüllen - selbst ein Löwe hätte davor den Hut gezogen - streckte sich das Wesen in die Höhe und platschte anschließend ins Wasser. Meine Finger brannten, als hätte ich in einen Strauß Brennnesseln gefasst und zitterten wie Espenlaub. Kraftlos platschte ich neben der Wasserschlange ins kühle Nass und versank mit ihr langsam in die Tiefe.
Meine Muskeln fühlten sich komplett starr und angespannt an, wie ein Brett, doch ich konnte sie einfach nicht entkrampfen. Dafür fehlte mir die Kraft. Mein Herzschlag senkte sich, als ich meine Augen schloss und meine letzte Atemluft als Luftblasen zur Oberfläche treiben ließ. Ich spürte die sanften Wellenschläge an meinem Körper, weshalb ich vermutete, dass dieses Tier nun wild um sich biss. Es sah mich nicht mehr und ich sah es auch nicht, lies mich einfach nur in der Tiefe treiben.

Meine Lungen verlangten nach neuer Atemluft, während meine Glieder unkontrolliert zu zucken begannen. Doch ich wehrte mich dagegen, versuchte dieses Verlangen so gut es ging zu unterdrücken. Ich wollte endlich meinen Frieden finden. Der bebende Klang des Wassers wirkte so bedrohlich auf mich, als wolle er mich noch tiefer in die Dunkelheit locken. Und ich ließ ihn gewähren. Ließ ihn mit meinem blonden Haar spielen und über meine Glieder streichen, als wollte es mich verzehren. Ich war das Wasser und das Wasser war ich.

Das war der Moment, in dem ich von einem Sog erfasst wurde, welcher mich in eine bestimmte Richtung trug und aus dem nassen Element hinaus schleuderte, an einem Ort, an dem ich wieder Luft bekam. Gierig schnappte ich nach dieser und hustete sogleich das kalte, metallisch schmeckende Wasser auf meiner Kehle. Ich drehte mich leicht zur Seite, als das Kratzen in meinem Halse immer stärker wurde. Mit meiner verbliebenen Kraft spuckte und erbrach ich alles, was normalerweise nicht in diesen Massen in mir herein gehörte. Röchelnd versuchte ich aufzustehen. Ich hatte schon Angst, meine Seele aus dem Leibe zu husten.
Mir war noch leicht schummerig und schwarz umrandete meine Sicht, jedoch wollte ich unbedingt wissen, was mich gerettet hatte. Unwillkürlich strich ich meine pitschnassen Haare nach hinten, damit ich wenigstens etwas sehen konnte. Vor mir befand sich ein großer Spalt in der Felswand. Das Wasser, welches normalerweise sofort eindringen müsste, tat dies allerdings nicht. Verwundert fasste ich in das Loch hinein, formte meine Hand zu einer Schüssel und wollte etwas Wasser zu meiner Seite ziehen, jedoch würde es mir ab einem bestimmten Punkt wieder abgestriffen. Wie war das Möglich? Es war, als wäre vor mir eine Luftbarriere, welche die Flüssigkeit davon abhielt, in diesen Raum einzudringen. Für mich beängstigend, doch faszinierend zugleich.

In diesem Raum fühlte ich mich gleich um Längen wohler. Nicht, dass es hier wärmer wäre, jedoch sah ich hier kein einziges Wesen. Ich gab meinem Körper eine gnädige Pause und atmete nochmal tief durch. Meine Arme umschlangen beschützend meinen Körper, als ich mich weiterhin in dem Saal aus Eis umsah. Alles war hier so glatt, dass ich mich beinahe darin spiegeln konnte. Als ich meinem Blick von meiner Umgebung riss, stellte ich schockiert fest, dass meine Glieder schon blau angelaufen waren. Also stand ich auf und vertritt mir ein wenig die Beine. Unwissend lief ich mit neu geschöpfter Hoffnung in das Labyrinth aus Eis.

***

❄Neves❄

Etwas weiter weg von der Herberge befand sich die Stadt des Lichts und Blumen. Anchorage. Sie war die größte Stadt Alaskas und gehörte somit zum US-Bundesstaat. Bevor wir hier unsere Klassenfahrt veranstalten durften, mussten wir ein Referat über diesen Ort halten. Und mit wir meine ich mich. Das war so eine Art 'Bezahlung', mit der ich hier auf Klassenfahrt dabei sein durfte, denn ich hatte mit Brand und seinen Jungs etwas Gewaltiges ausgefressen. Wir hatten uns betrunken und waren in die Schule eingebrochen, um dort unseren Rausch auszuschlafen. Und welchen von uns Idioten hatte es wohl als Einzigen erwischt und durfte als Folge die Kaugummis von den Unterseiten der Bänke und Stühle kratzen, um nicht Suspendiert zu werden? Meine Willigkeit.

Zur Klassenfahrt durfte ich trotz des Hausmeisterjobs nicht, doch Ella, meine Rettung, hat bei der Lehrerversammlung mit den Augen geklimpert und es geschafft, dass ich doch noch mitfahren durfte, vorausgesetzt, ich würde mich in Geographie verbessern. Also musste ich mich doch tatsächlich hinter die Schulbücher klemmen und Extraarbeiten abgeben, um dies zu verwirklichen. Und jetzt stand ich tatsächlich hier, in dem Ort meines Referates und entdeckte sogleich meinen ersten Vorteil daran, mein Gehirn etliche Stunden mit unnützem Wissen aus Büchern gefoltert zu haben.

Ich hatte mehrere Möglichkeiten von hier nach Hause zu kommen: Zum Ersten gab es da den Ted Stevens Anchorage International Flughafen, dann gab es noch die Alaska Railroad, eine Eisenbahnverbindung. Und zum krönendem Abschluss noch den Hafen Port of Anchorage, welchen ich als Beförderungsmittel ausschließen musste, da ich übers Wasser nicht an mein Ziel kam. Vielleicht könnte ich mir ja einen sibirischem Tiger aus dem Zoo klauen und auf ihm nach Hause reiten. Das wäre bestimmt äußerst lustig und wäre mal etwas Anderes, ungewöhnliches.

In der Innentasche meiner Skijacke hatte ich mein Portmonee gefunden - zum Glück hatte ich dieses eine Mal auf meine Englischlehrerin gehört und mein Geld, aus Schutz vor Diebstahl, bei mir getragen. Außer meinem Personal-, sowie Schülerausweis, fand ich ein paar alte Eintrittskarten von Icehockeyspielen, zu denen ich mit Brand war, Visitenkarten von Restaurants, für dessen Essen man sterben würde, etwas durchweichtes Geld, welches ich mir durch kleine Jobs erarbeitet hatte und drei Bilder. Auf einem war ich mit Brand, Ella und ein paar Freunden zu sehen. Brand seine Eltern und ich waren auf dem zweiten Bild. Ich trug dieses bei mir, um nicht zu vergessen, was sie alles für mich getan hatten. Sie hatten mich aufgenommen, mich wie ihren eigenen Sohn behandelt, mich großgezogen. Das dritte Bild zeigte meine leiblichen Eltern. Sie sollten nicht vergessen, dass ich sie einfach so ersetzt hatte. Ich liebte sie noch immer.

Mein Handy hatte ich auch gefunden, natürlich war der Display vollkommen schwarz, sei es, weil das Akku leer, oder es durch die Kälte komplett zu Schrott geworden war, ich konnte niemanden anrufen, um mich bemerkbar zu machen. Die Telefonnummern hatte ich auch nicht im Kopf. Ich war keiner von denen, die sich leicht Zahlen merken konnte. Allerdings war ich super in Wege einprägen. War ich ein Mal durch ein Labyrinth gelaufen, fand ich auf demselben Weg wieder heil heraus. Und bei Namen war ich auch gar nicht so schlecht, immerhin weiß ich noch die Vor- und Zunamen aller meiner Lehrer aus der Vorschule, der Elementary, der Junior Secondary und der Senior Secondary School.

Mein Kopf rauchte schon, als wäre er eine Dampflock. Das Geld würde niemals im Leben für einen Flug nach Hause reichen und ich hatte kein Bock in dieser Stadt zu jobben und unter der Brücke zu schlafen, bis ich genug Geld zusammengekratzt hatte, um mir ein Ticket leisten zu können. Ich könnte mein Handy verkaufen, meine Klamotten oder sonst irgendetwas, außer meinen Körper. Kurzerhand stiefelte ich einfach drauf los in die Stadt. Die Sonne stand am Himmel, wie nicht anders in Alaska zu erwarten, wenn nicht gerade die drei Wintermonate heran brachen, in denen vollkommene Finsternis herrschte – was ich, um ehrlich zu sein, schon immer faszinierend fand. Das Land, in dem die Sonne niemals unter ging, als würde der Tag niemals enden. Das war einer der Gründe, weshalb ich unbedingt hierher zur Klassenfahrt wollte. Diese poetische Ewigkeit des Ortes. Es gab schon so viele Momente in meinem Leben, in denen ich mir diese Ewigkeit gewünscht hatte. So unendlich viele Stunden und Sekunden. Doch genug von der Träumerei, ich musste so zügig wie möglich an Geld heran kommen – eine, für meinen Geschmack, ziemlich knifflige Aufgabe. Brands Freunde, mit denen ich mich niemals freiwillig ohne ihn getroffen hätte,, waren immer die gewesen, die an alles heran kamen, selbst wenn mir die Ideen nicht immer gefielen. Sei es Erpressung oder sonstige Schandtaten gewesen. Sofort schob ich diesen fiesen Gedanken abermals beiseite. Ich war etwas Besseres als sie, da brauchte ich gar nicht damit anzufangen. Jedoch war es eine Notsituation, versuchte mein inneres Teufelchen mich zu locken. Doch ich hielt standhaft dagegen. Noch hatte ich die Wahl. Und solange ich diese hatte, würde ich nicht auf solche Methoden zurück greifen.

Ich kam an einem Secondhandshop vorbei, in dem ich versuchte, mein Telefon an einer Rothaut mit einer braunen Baskenmütze, runden Brillengläsern und einer dampfenden Zigarillo im Mund zu verkaufen. Tiefe Furchen zogen durch sein schattengetränktes Gesicht, welches mich ein wenig an einen Shar-Pei erinnerte. Wahrscheinlich war er so alt wie meine Eltern und ich zusammen. Er konnte mir nicht viel für mein Telefon geben, da er meinte, dass ich ein wirklich altes Modell hatte. Aber haben oder nicht haben. Also nahm ich das Geld und versuchte das Gleiche mit meiner Jacke.

„Bist du dir wirklich sicher, junger Mann? Es ist nicht gerade Hochsommer dort draußen", sagte der Alte, wobei er durch der Zigarre im Mund ein wenig unverständlich war – als wäre sein amerikanischer Akzent nicht schon genug gewesen. Sein Gesicht war sauber rasiert, so wie er aussah, benutze er bestimmt, statt einem modernen Rasierer, eines dieser Rasiermesser aus alten Filmen, bei denen der Barbier dem Kunden nach jedem Atemzug beinahe geschnitten hätte.

Ich nickte beharrend.. „Ich brauche das Geld so schnell wie möglich", erklärte ich ehrlich, hielt aber den Kopf leicht gesenkt, weil ich seinen stechenden Blick nicht ertragen konnte.

„Junge, wenn du Probleme hast, dann sprich mit deinen Eltern darüber. Würde mir gerade noch fehlen, dass hier Jugendliche her kommen und ihre Sachen verkaufen, um ihre Drogen finanzieren zu können", nuschelte er mit einem leicht bedrohlichem Blick, wobei ihn der Qualm, der aus seinem Munde stieg, als er die Zigarillo absetzte, wie einen Drachen aussehen ließen.

Verwirrt und leicht schockiert schüttelte ich nur verneinend den Kopf, wie eine Wackelkopffigur. „Nein, so ist es nicht", ratterte ich schnell verteidigend herunter. „Ich muss nach Hause, habe aber das Geld dafür nicht. Also muss ich so viel Geld zusammenkratzen, bis ich mir ein Flugticket leisten kann"

„Also ein Ausreißer, was?", er hielt seinen prüfendem Blick stand, mit dem er sicherlich einen guten Polizisten abgeben würde.

„Nein, wirklich nicht. Es ist eine sehr lange und komplizierte Geschichte" Bei dem Gedanken an Polizei bekam ich sogleich kalte Füße. Nicht nur, dass ich schon genug schlechte Erfahrungen mit ihnen gesammelt hatte. Ich hatte so ein mieses Gefühl, dass wenn ich zu ihnen gehen würde, oder sie jemand meinetwegen ruft, sich meine jetzige Situation nur verschlimmern würde. „Ich kann Ihnen sogar Beweisen, dass ich nicht von hier bin" Sofort kramte ich meinen Ausweis heraus und hielt ihn ihm unter die Nase. Er nahm ihn mir aus der Hand, rückte seine Brille zurecht und betrachtete mich abschätzend aus einem gewissen Abstand, wobei er seine Augen zusammenkniff, als wäre ich ein abstraktes Gemälde.. „Ich komme aus Kanada, Whitehorse, der Hauptstadt von Youkon."

„Und dabei hätte ich dich wirklich jünger geschätzt und gedacht, du bist einer dieser tee- trinkenden Touristen, nach deinem Akzent zu urteilen. Dabei konnte ich mich sonst immer auf meine Nase verlassen. Tja, man wird eben auch nicht jünger, was?" Ich brauchte einen Moment, um zu kapieren, dass er damit den Teetrinkern die Englischen Touristen meinte. Statt ihm zu Antworten stand ich nur stumm da, steckte meinen Ausweis wieder ein und ließ mich wieder von ihm begutachten, wie ein Ausstellungsstück. „Meine Tochter wohnt mit ihrem Mann in Haines Junction, das ist mit dem Auto knapp ein-einhalb Stunden von Whitehorse entfernt. Sie ist zwar mit Auto zu Besuch gerade bei mir, jedoch fährt sie erst am Samstag wieder zurück", erklärte er.

„Welchen Wochentag haben wir noch gleich?" Mir kam die Frage etwas peinlich vor, jedoch musste es sein. Wenn ich hier weg wollte, musste ich jede Hilfe annehmen, die ich nur kriegen konnte.

„Freitag", meinte er, wobei er mich noch immer misstrauisch betrachtete. Wahrscheinlich dachte er, ich wäre irgendein Verrückter. Innerlich begann mein Herz vor Freunde zu pumpen. Wenn ich Glück hatte, würde sie mich dann mitnehmen? Er zog ein mal tief an seiner Zigarillo, bevor er wieder das Wort ergriff. „Du scheinst ein netter Junge zu sein. Wenn du sie nett fragst, nimmt sie dich vielleicht dorthin mit, natürlich nur, wenn du es doch nicht so eilig hast" Ich überlegte einen Moment, schüttelte aber dann den Kopf.

„So eilig habe ich es wirklich nicht", sagte ich schmunzelnd. „Das wäre wirklich sehr nett. Wo kann ich sie finden?"

Der Alte guckte auf seine Uhr an der Wand, striff das Verbrannte seiner Zigarillo auf dem Aschenbecher ab und begann resigniert zu nicken. „Sie wird bald kommen. Du kannst dich da vorne hinsetzten", sagte er und zeigte auf einen alten Barhocker, welcher sicherlich schon viel hinter sich gehabt haben musste. Er sah aus, als wäre er direkt aus einem Westernfilm entsprungen. Ob ich den Stuhl entehrte, wenn statt eines echten Cowboys, sich ein Junge in Skianzug und Snowboard-stiefeln auf ihn setzte?

Die Frau mit rabenschwarzem Haar Anfang dreißig kam irgendwann in einer weißen Skijacke mit plüschigen Fellkragen, in ihren Hand ein großer brauner Umzugskarton. „Sag bloß, du hast hier wieder deine stinkenden Zigarren geraucht. Dad, wie oft denn noch? Das ist doch hier kein Räucherhaus!", tadelte sie ihren Vater und umarmte ihn Herzlich.

„Freut mich auch, dich zu sehen" Er wollte gerade die letzten Züge seiner Zigarre tun, da nahm ihn die Frau die braune Zigarillo aus der Hand, legte den Kopf schief und schaute ihn mit einem ernsten Blick an. „Draußen, ja. Drinnen, nein."

Der Alte rollte mit den Augen, murmelte etwas unverständliches, eroberte seine Zigarre zurück und trat, wie befohlen, aus dem Laden heraus, um diese genießend zum Ende zu rauchen. Währenddessen faltete sie den leeren Karton zusammen und stellte ihn in eine Ecke. Erst jetzt begann sie mich wahrzunehmen. „Oh, Hallo" Sie reichte mir die Hand. „Ich wusste gar nicht, dass mein Dad einen Kunden hat. Mein Name ist Aiyana. Du kannst mich ruhig duzen."

„Neves", stellte ich mich vor und schüttelte ihre Hand, wobei sich unsere Berührung wie ein kalter Blitzschlag anfühlte, dessen Strom für kurze Zeit durch meine und ihre Venen floss. Während sie mich für einem Moment rätselhaft betrachtete, redete ich einfach weiter, als wäre nichts gewesen. Vielleicht waren wir beide ja statisch aufgeladen. „Ich bin nicht direkt ein Kunde. Eigentlich habe ich dich gesucht"

„Khaar yenetè arè Sinon wo Benu wo mar?", sagte sie plötzlich, wobei ich so starr wie ein Barsch guckte.

„Bitte, was?"

Sie betrachtete mich mit einem abschätzendem Blick, den sie auf alle Fälle von ihrem Vater geerbt haben musste. Dann schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid, ich hab dich für jemanden Anderes gehalten", erklärte sie und lächelte dann. „Wobei brauchst du meine Hilfe, Neves?", fragte sie interessiert, schnappte sich ebenfalls einen Hocker und setzte sich zu mir heran. Ohne auf ihre seltsame Bemerkung in einer fremden Sprache einzugehen, rappelte ich mich im Innern aus meiner Starre und begannmit dem Reißverschluss meiner Jackentasche zu spielen.

Der alte Mann kam wieder herein und holte am Tresen einen Kasten hervor, in dem er den Stummel seiner Zigarillo hinein legte. Er verschloss den Kasten und verstaute ihn wieder unter dem Tresen. „Es ist wirklich eine längere und seltsame Geschichte, jedenfalls bin ich von meiner Gruppe getrennt worden und muss zurück nach Hause. Dein Vater sagte mir, dass du in Haines Junction wohnst und da wollte ich dich fragen, ob du mich bis dorthin mitnehmen könntest"

„Wo wohnst du denn genau?", fragte sie, stand von dem Hocker auf und zog ihre Jacke aus, um sie hinter den Tresen zu verstauen. Danach kam sie wieder zu mir.

Whitehorse"

Sofort begann sie freudig zu grinsen. „Ja, den Ort kenne ich. Du sagtest was von einer seltsamen Geschichte. Zufälligerweise mag ich seltsame Geschichten" Mit einem Zwinkern versuchte sie es aus mir herauszukitzeln. Ich allerdings betrachtete sie und nickte dann zu ihrem Vater. Wenn mich schon vor jemandem mit diesem irren Erlebnis entblößte, dann sollte mich nur einer für Verrückt halten.

„Sag mal, hattest du nicht noch etwas Wichtiges vor?", fragte sie laut und drehte den Kopf nach hinten. Er saß gemütlich auf dem Stuhl, die Füße auf dem Tresen und die Zeitung auf dem Schoß, Seine Mütze lag etwas schräg auf seinem Haupt, wodurch seine Glatze zur Geltung kam.. „Nein, eigentlich nicht", antwortete er, in einen Artikel vertieft und die Stirn kraus gezogen. Erst als sich seine Tochter räusperte, hob er den Blick. „Äh, ich meine, natürlich" Er rückte seine Baskenmütze zurecht und zog sich eine Jacke an. Aus einer dunkelblauen Kiste nahm er sich eine Zigarillo und verschwand damit nach draußen. Jetzt wurde mir klar, wer von den Beiden das Zepter hatte.

„Na dann erzähl mal, aber lass bitte kein Detail aus" Seufzend begann ich vom Anfang beginnend zu erzählen, wie ich hier gelandet war.

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