9| Streit Der Mächte
Am nächsten Morgen brachen Luzifer, Ninurta und Astaroth nach Babylon auf. Sie hatten sich entschlossen dorthin zu fliegen, um Zeit zu sparen. Da Ninurta keine Flügel besaß, musste Luzifer sie die ganze Zeit über tragen. Die anderen blieben derweil in Athen zurück. Sie flogen über das Meer hinweg und über viele Städte und kleinere Dörfer. Als Meeresdämonin hätte sich Ninurta nur zu gerne in die Fluten gestürzt, aber dafür hatte sie später immer noch Zeit. Dennoch war sie sehr neugierig darauf, was es in dieser Welt alles unter der Wasseroberfläche zu sehen geben würde.
In Babylon angekommen, wurden sie bereits von Dialen erwartet. Er führte die drei schnurstracks zum Tempel, der zu Ehren der Göttin Ištar erreicht wurde. Auf dem Weg dorthin sprangen die Menschen ehrfürchtig zur Seite, denn sie erkannten allein schon an Ninurtas dämonischen Aussehen, dass sie keine Menschen waren. Dazu kam, dass Luzifers Augen ein glühendes rot angenommen hatten.
Beim Tempel angekommen, ging der König zuerst hinein. Zu seiner Überraschung schien Ištar bereits auf ihn gewartet zu haben, denn sie stand in ihrer ganzen Schönheit vor ihm und blickte ihm erwartungsvoll entgegen. Die Göttin der Liebe und Krieges hatte langes blondes Haar und trug ein langes weißes Gewand. Während Astaroth und Dialen von ihrer Schönheit gänzlich eingelullt wurden, ließ Luzifer ihr Aussehen vollkommen kalt. Er hatte in seinem Leben als Engel genug mit Göttern zu tun gehabt und wusste, wie man sich effektiv gegen ihre Reize schützte.
»Ich habe auf dich gewartet Luzifer«, sprach Ištar mit einer warmen, verführerischen Stimme.
»Ich nehme an, diese Wolfswesen sind dein Werk?«, kam Luzifer gleich zur Sache. Er hatte keine Lust darauf dieses Gespräch unnötig in die Länge zu ziehen.
»In der Tat. Ich habe einen Schäfer in einen Wolf verwandelt und wie deine Blutsauger ist auch er in der Lage andere in das zu verwandeln, was er selbst ist.«
»Einen Schäfer also. Wenn das nicht mal Ironie vom feinsten ist«, sprach Luzifer abfällig. »Ich will, dass deine Wesen meine Schöpfung in Ruhe lassen.«
»Das wird nicht möglich sein. Es sei denn du vernichtest diese elendigen Blutsauger oder sorgst zumindest dafür, dass sie keine Menschen mehr töten.«
»Niemals«, knurrte Luzifer während er bedrohlich nah auf die Göttin zu ging. »Du solltest lieber tun, was ich dir sage. Andernfalls wird dir das noch sehr Leid tun«, zischte er sie an.
»Willst du mir etwa drohen? Ich muss schon sagen, du hast dich sehr verändert. Dieses leidenschaftliche Feuer in dir kannte ich noch gar nicht«, das letzte säuselte Ištar verführerisch, während sie ihn zärtlich berührte.
Diese Geste reichte aus, um Luzifer endgültig wütend zu machen. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er sich in seine wahre Gestalt verwandelt und packte die Göttin grob an der Kehle. Er drückte sie gegen die Säule, die sich in ihrem Rücken befand. »Glaubst du wirklich, du könntest mich mit deinen miesen Tricks verführen oder mich gar manipulieren?«, seine Stimme klang seltsam verzerrt, während er sprach. Er spürte die Furcht, die Ištar mit einem Mal überkam. Es kam so gut wie nie vor, dass ihre Reize keine Wirkung zeigten. Sowas hatte sie bisher nur einmal erlebt, als sie zu ihrer Schwester in die Unterwelt hinab gestiegen war. »Ihr Göttinnen seid doch alle gleich. Glaubt, ihr könntet mit eurer unschuldigen Schönheit alles bekommen, was ihr wollt, aber da täuscht ihr euch gewaltig. Und jetzt tust du gefälligst was ich dir sage und rufst deine verdammten Wölfe zurück.«
Während Luzifer sprach, schlich sich ein Wolf unbemerkt heran. Gerade als der König die Göttin wieder losließ, damit sie ihm antworten konnte, seztze er zum Sprung an. Luzifer konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Er staunte nicht schlecht, als er dieses Ungetüm erblickte. Schwarzes Fell zog sich über dessen Leib. Seine gelblichen Augen bildeten einen starken Kontrast dazu. Speichel troff aus seinem Maul, in dem sich eine Reihe weißer spitzer Zähne zeigten, während er Luzifer anknurrte.
»Ich nehme an, das ist der Schäfer?«, fragte er an Ištar gewandt, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
»Ist schon gut, verwandel dich wieder zurück«, sprach sie zum Wolf, der sofort seine menschliche Gestalt annahm. »Und was dich betrifft Luzifer, ich werde meine Geschöpfe sicher nicht davon abhalten deine Blutsauger zu jagen. Ganz gleich was du versuchst.«
»Das wirst du noch bitter bereuen«, war das letzte, was er zu ihr sagte, ehe er sich mit seinen Begleitern in Luft auflöste. Als sie sich kurz darauf wieder in ihrem Anwesen in Athen befanden, wollte Astaroth von seinem Vater wissen, was er nun vorhabe. Statt einer klaren Antwort, teilte er seinem Sohn mit, dass er es schon früh genug erfahren würde. Anschließend zog Luzifer sich allein zurück.
Während er an etwas arbeitete, um die Wolfswesen zu schwächen, fragte er sich, warum noch keiner seiner Geschwister eingetroffen war. Eigentlich hatte er damit gerechnet, sie bei seiner Rückkehr hier vorzufinden. Auch wenn er in seinen Briefen nicht schreiben konnte, wo genau er sich in dieser Welt aufhalten würde, so müssten sie ihn doch über seine Ausstrahlung ganz genau spüren können. Wollten sie ihn vielleicht einfach nicht sehen? Waren sie vielleicht sogar wütend auf ihn, weil er sein Geschöpf auf die Welt losgelassen hatte? Fragen, auf die er keine Antworten fand. Auch von Azrael hatte er nichts mehr gehört. Je mehr er darüber nachdachte, warum sie noch nicht erschienen waren, umso größer wurde seine Befürchtung, dass sie tatsächlich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten.
Luzifer versuchte sich von den trüben Gedanken abzulenken, in dem er sich intensiver mit seinem Vorhaben beschäftigte. Er wollte die Wölfe mit einem Fluch belegen, doch wusste er noch nicht, welchen er ihnen auferlegen könnte. Bis ihm eine Idee kam. Fast alle Wolfswesen wurden irgendwie durch den ersten verwandelt oder zumindest durch welche, die nach ihm kamen. Er könnte also dafür sorgen, dass alle verwandelten Menschen nur noch zu einer bestimmten Zeit ihre Wolfsgestalt annehmen konnten. Und er wusste auch schon, welcher Zeitpunkt Ideal wäre.
Der König machte sich sofort daran, den Zauber für den Fluch zu schreiben. Wenn er diesen über die Geschöpfe der Ištar aussprach, würden sie sich nur noch bei Vollmond verwandeln können. Doch ahnte er nicht, dass sich Ištar für diesen Fluch revanchieren würde.
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