9| Der König

Kurze Zeit später, Iscaeria

Geduldig wartete er vor dem roten kunstvoll verzierten Tor, hinter dem sich der Thronsaal des Königs befand. Eigentlich hasste er es zu warten, doch dieses Mal überwog die Schadenfreude. Er konnte es kaum erwarten das Gesicht des Herrschers zu sehen, wenn er erfuhr, wer sich in sein Reich verirrt hatte. Ein gehässiges Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus.

»Der König ist nun bereit Euch zu empfangen«, wurde er aus seinen Gedanken gerissen.

Langsam und mit gesenktem Kopf ging er durch das Tor auf den Thron zu. Kurz davor kniete er sich nieder und verneigte sich ehrfurchtsvoll. Der Thronsaal war, wie der gesamte Palast, aus glattem schwarzem Stein. Die Säulen und der Thron dagegen in Blutrot. Die zwei Farben der Unterwelt. Auch der schmale Teppich, der sich vom Tor bis zur ersten Stufe des Throns erstreckte, war in diesem rot. An den Wänden hingen in regelmäßigen Abständen Fackeln, die zusammen mit den Feuerstellen, die zwischen den Säulen im Boden eingelassen waren, Licht spendeten.

»Was hast du mir so wichtiges zu berichten, Asmodeus?«, knurrte Caacrino von seinem Thron herab.

»Ich weiß jetzt, wer der Engel ist, der sich hier aufhält«, antwortete der Erzdämon, während er sich erhob.

»Dann sprich und spann mich nicht länger auf die Folter.«

Asmodeus schaute den Herrscher nun direkt an. Dieser war ein wahrer Koloss. Sein Körper schien nur aus Muskeln zu bestehen. Ein rotes Muster zog sich von Kopf bis Fuß über seine pechschwarze Haut. Ein Merkmal, das jeder Herrscher bekam. Genau wie die feuerroten Augen, die glühen, wenn dieser wütend war. Er hatte gewaltige Schwingen und vier riesige Hörner auf dem Kopf. Sein Gesicht war eine hässliche verzerrte Fratze.

Lange kostete Asmodeus diesen Moment voll und ganz aus, ehe er antwortete. »Luzifer.«

Sämtliche Gesichtszüge entglitten seinem Gegenüber. Fassungslos blickte Caacrino drein. »Alle raus hier!«, grollte er so laut, dass sogar der Boden erzitterte. Die Wachen und Dienerinnen eilten so schnell sie konnten ängstlich aus dem Saal. Der Herrscher erhob sich von seinem Thron und trat direkt vor den Erzdämon, der als einziger noch geblieben war. »Bist du ganz sich, dass es Luzifer ist?«

Asmodeus nickte. »Es gibt keinen Zweifel daran.«

Der Herrscher dachte darüber nach. Die Tatsache, dass sich ausgerechnet dieser Erzengel hier in der Unterwelt befand, behagte ihm gar nicht. »Du konntest nicht zufällig noch in Erfahrung bringen, wieso er hier ist, oder?«

»Er wurde von seinem Vater hierher verbannt.«

Nun verlor Caacrino vollkommen die Beherrschung. Wütend stapfte er auf und ab. »Wie kann Gott es wagen einen seiner widerlichen Engel hierher zu schicken! Er weiß doch ganz genau, dass es ihnen verboten ist dieses Reich zu betreten.« Er redete sich immer weiter in Rage. Asmodeus blendete sein herumbrüllen einfach aus.

Dafür hat sich das warten doch gelohnt. Der Erzdämon musste sich ein Lachen verkneifen. Besser hätte es kaum laufen können. Asmodeus erinnerte sich an die friedliche Zeit zurück, bevor Caacrino Herrscher wurde. Seltsamerweise verschwand seine Mutter Sartana kurz nach dessen Krönung. Der Erzdämon hatte keinen Zweifel daran, dass der König etwas damit zu tun hatte. Beweise hatte er für seinen Verdacht jedoch keine. In all den Jahrmillionen, in der es die Unterwelt schon gab, gab es nie einen so grausamen Herrscher wie den momentanen. All seine Vorgänger hatten dafür gesorgt, dass keine Kriege ausbrachen. Und Caacrino fing selbst welche an, statt es seinen Vorfahren gleichzutun. Asmodeus verachtete ihn zutiefst.

»Wo befindet er sich?« Der Erzdämon wurde aus seinen Gedanken gerissen und sah den König, der nun plötzlich direkt wieder vor ihm stand, an. Asmodeus sagte ihm, dass er es nicht wüsste, was der Wahrheit entsprach. Caacrino musterte ihn argwöhnisch. Doch er wusste, dass der Erzdämon ihn diesbezüglich nicht anlügen konnte. Denn sonst würde sich der Fluch des Bluteids bemerkbar machen, da es einem Verrat gleich käme. Vorausgesetzt, die Geschichten stimmen, dachte der König. Er hatte schon länger den Verdacht, dass Asmodeus nur so tat als ob. Doch darüber wollte er sich jetzt keine Gedanken machen.

»Wachen!«, brüllte Caacrino wütend. Kurz darauf betraten vier bewaffnete Soldaten den Thronsaal, und verneigten sich. Er befahl ihnen, sämtliche Soldaten auszusenden, die die gesamte Unterwelt nach Luzifer abzusuchen sollten. Jeder Stein sollte nach ihm umgedreht werden. Der König scheuchte sie aus seinem Palast und ordnete ihnen an ja nicht ohne den Gefallenen zurückzukehren. Anschließend jagte er auch Asmodeus davon.

Nervös lief er in dem nun leeren Saal auf und ab. Caacrino überlegte, wo sich dieser Engel verstecken könnte. Was er mit ihm anstellen würde, wenn er ihm gegenüber stand, wusste er ganz genau. Der König würde ihm jede seiner Federn einzeln herauszupfen und ihm anschließend die Flügel gänzlich abreißen. Danach würde er ihn aufschlitzen und ihm nach und nach die Organe herausziehen. Caacrino lächelte boshaft. Dieser Gedanke gefiel ihm. Ja, er würde diesen verfluchten Luzifer mehr als langsam töten und sich an seinem Leid ergötzen.

Doch der Herrscher wusste auch, dass er den Engel so schnell wie möglich finden musste. Er befürchtete nämlich, dass Luzifer auf die Idee kommen könnte, ihm den Thron streitig zu machen. Leider wusste Caacrino zu wenig über dessen Macht, weswegen er sich nicht sicher war, ob er einen Kampf gegen ihn gewinnen würde. Dazu kam noch, dass Luzifer immer mehr Anhänger um sich scharen könnte, je länger er frei herumlief. Der König wusste nur allzu gut, dass viele seiner Untertanen ihn hassten und am liebsten tot sehen würden.

In Gedanken versunken, machte er sich auf den Weg zu seinem Gemach. Einige Diener liefen an ihm vorbei und verneigten sich. Er schenkte ihnen keine Beachtung. Nach außen hin wirkte er gelassen, aber in seinem Inneren machte er sich Sorgen. Seit über einem Jahrzehnt herrschte er nun schon über diese Welt und musste sich noch nie ernsthaft Gedanken um seinen Thron machen. Bis heute. Wenn ich wenigstens irgendwie an Informationen bezüglich seiner Macht kommen würde, dachte er grimmig.

Das Luzifer das berüchtigte Flammenschwert dabei hatte, glaubte Caacrino nicht. Es war ein heiliges und sehr mächtiges Schwert, dass sogar Götter töten konnte. Von daher war es auch sehr wahrscheinlich, dass Gott es ihm vor seiner Verbannung abgenommen hatte. Trotzdem konnte der Engel ihm gefährlich werden. Vor allem, wenn er sich wissen über die dunklen Künste aneignete.

In seinem Gemach angekommen, setzte er sich ans Fußende seines großen Bettes. Zwei Schlangendämoninnen, die sich darin räkelten, schmiegten sich von hinten an ihn. Sie hatten menschenähnliche Oberkörper mit großen festen Brüsten und den Unterleib einer Schlange. Sie streichelten seinen Körper. Caacrino war versucht die beiden wegzustoßen, überlegte es sich aber anders. Die Ablenkung konnte er jetzt gut gebrauchen. Er legte sich ganz auf das Bett und die Dämoninnen begannen damit seinen ganzen Leib zu liebkosen. Der König gab sich ganz seinem Verlangen hin, dass ihm nach und nach den Verstand raubte.

Eines schien dem Herrscher jedoch nicht klar zu sein. Denn nicht nur Luzifer und seine Untertanen stellten eine Gefahr für ihn dar. Auch die fünf Erzdämonen, die in diesem Augenblick an einem geheimen Ort zusammen saßen, machten gemeinsame Pläne. Es war nun einmal ihre Aufgabe die Unterwelt zu beschützen. Und nun, da sie vielleicht endlich jemanden hatten, der sich mit dem König messen konnte, würden sie alles daran setzen, um diese Welt vor dem endgültigen Untergang zu bewahren.

Jedoch machten nicht nur diese fünf heimliche Pläne. Auch noch ganz andere Wesen hielten sich im Verborgenen bereit. Denn sie wollten ebenfalls endlich wieder Ruhe und Frieden. Dazu würden sie jedoch ihr Geheimnis preisgeben müssen und dazu war es für die Wesen noch zu früh. Außerdem wollten sie sich auch nur dem Gefallenen offenbaren. Bis dahin würden sie sich alle noch ruhig und unauffällig Verhalten und ihre Krallen wetzen.

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