8| Ein Heimtückischer Plan
Zur gleichen Zeit in Za’eočsian
Das große schwarze Höllentor öffnete sich. Eine schwarze Kutsche, gezogen von vier roten Pferden, die aussahen als würden sie nur noch aus Knochen bestehen, verließ die Hölle. Sie steuerten den Wald der Qualen an, der sich direkt vor dem Tor befand. Schnell rasten die Pferde durch den Wald. Vorbei an kränklichen und abgestorbenen Bäumen, die sich dicht an dicht drängten. Wenn man sich hier nicht auskannte, war man verloren. Der Wald war wie ein Labyrinth. Unzählige Wege und Abzweigungen endeten in Sackgassen. Nur ein Weg führte sicher hindurch. Doch der Boden lag unter einem dichten Nebelschleier, was es noch schwieriger machte zu erkennen, wohin man ging.
Mit langen giftigen Dornen besetzte Nachtranken schlängelten sich über den Boden und an den dicken modrigen Baumstämmen empor. Der Ort war düster und kalt. Von überall her war ein Wehklagen zu hören. Man erzählte sich, dass es von den Seelen der Verdammten kam, die sich hier verirrt hatten. Aber es gab noch etwas anderes, dass diesen Ort gefährlich machte. Es war das Jagdgebiet der Barghests. Riesige schwarze Hunde, mit roten Augen und scharfen spitzen Reißzähnen, die sich im Nebel versteckten. Schon ein einzelner war enorm stark und gefährlich, ein ganzes Rudel dagegen zu hundert Prozent tödlich. Selbst für die mächtigsten Dämonen. Dazu waren sie noch sehr aggressiv. Aber die Barghests waren nicht die einzigen Kreaturen, die in der Dunkelheit lauerten.
Die Pferde fanden wie von selbst ihren Weg durch das Labyrinth. Denn niemand saß auf der Kutsche und dirigierte sie. Nur in der Kutsche selbst saß eine in Schwarz gekleidete Gestalt und durchstach die äußere Dunkelheit mit seinen blaugrauen Augen. Er hielt nach Gefahren Ausschau, es rührte sich jedoch nichts.
Bald hatten sie den Wald hinter sich gelassen und durchquerten nun die Düsterebene. Eine Gegend, die nicht weniger dunkel war, als die vorige und nicht weniger gefährlich. Der Boden hier war trocken und staubig. Nichts wuchs hier. Es war wie eine endlose schwarze Wüste, nur das es hier kaum Sand gab. Jeder Zeit könnten Drachen auf sie Aufmerksam werden, die es hier mehr als genug gab.
Allmählich wurden die Pferde langsamer. Sie mussten einen kleinen Hang hinauf und über eine steinerne Brücke, die über einen tiefen Abgrund führte. Auf der anderen Seite befand sich ein schwarzer Palast. Dort angekommen, hielt die Kutsche. Die Gestalt stieg heraus. Seine Haut war blass, fast weiß. Graues langes Haar fiel ihm über die Schulter. Er wirkte wie der Tod selbst. Und dieser Gedanke war bei ihm auch nicht so weit hergeholt. Denn er war ein Todesdämon. Sie galten als die, nach den Erzdämonen, mächtigsten und grausamsten Dämonen der gesamten Welt. Wie ihr Name schon sagte, war ihre Macht der Tod selbst. Sie konnten durch eine Handbewegung alles Leben in einem bestimmten Umkreis auslöschen. Dazu waren sie auch in der Lage Tote wieder auferstehen zu lassen, die dann willenlos jedem Befehl gehorchten.
Langsam ging er die sechs Stufen zum Palasttor hinauf. Die zwei Wachen nickten ihm nur zu und ließen ihn ohne ein Wort ein. Der Höllenfürst ging den breiten langen und finsteren Gang entlang. Der Boden war schwarz genau wie die Wände. Nur die grauen marmorierten Säulen bildeten etwas Abwechslung. Genau wie die Gemälde, die in regelmäßigen Abständen an den Wänden hingen. Darauf waren die Erzdämonen und die Göttin zu sehen.
Seine Schritte hallten schaurig von den Wänden wieder. Niemand war zu sehen, doch das war keine Überraschung. Mit Ausnahme der beiden Wachen gab es hier keinerlei Bediensteten. Der Erzdämon zog es vor alleine zu sein. Wie immer, wenn der Todesdämon hier war, kam er sich klein und verloren vor. Ein Gefühl, dass er hasste, aber von dem Erzdämon so beabsichtigt war. Jeder Dämon der hierherkam fühlte sich so.
Am Ende des Ganges, befand sich ein weiteres Tor, dass wie von Geisterhand aufschwang. Der Höllenfürst durchschritt es und fand sich im Thronsaal wieder. Auch hier war alles schwarz und finster. Hätte er nicht so gute Augen, hätte er rein gar nichts erkennen können.
»Was kann ich für dich tun, Baal?«, erklang die dunkle Stimme von Asmodeus. Der Erzdämon der Finsternis saß auf seinem gewaltigen Thron und blickte auf den Fürsten herab. Alleine der Anblick dieses Erzdämons reichte aus, um manch einem Dämon das fürchten zu lehren. Seine Haut war schwarz wie die Nacht und funkelte. Es sah aus, als würden hunderte Sterne darauf tanzen. Von allen Wesen dieser Welt war seine Erscheinung einzigartig. Seine Flügel waren riesig und schimmerten in einem dunklen Lila. Sein Kopf war glatt und oval. Nur zwei leuchtende Augen waren zu sehen. Seitlich an seinem Kopf befanden sich zwei schwarze Hörner, die sich nach vorne bogen. Auf seinem Kopf befanden sich zwei weitere schwarze Hörner. Seine Finger endeten in lange spitzen Klauen. Sein drachenähnlicher Schwanz war ebenfalls schwarz und lief am Ende spitz zu.
Baal verneigte sich unterwürfig. »Ich habe von den Nornen endlich erfahren, wer der Engel ist, der sich in unserer Welt befindet und weshalb er hier ist«, verkündete er stolz. Die Nornen waren drei Schwestern, die auch als Schicksalsgöttinnen bezeichnet wurden.
»Sprich«, forderte Asmodeus ihn auf.
»Dieser Engel wurde hierher verbannt, weil er einen Krieg gegen Gott geführt hat und Ihr werdet es mir nicht glauben, aber bei dem Gefallenen handelt es sich um Luzifer persönlich.«
Der Erzdämon erhob sich von seinem Thron und ging auf Baal zu. Skeptisch blickte er ihn an. »Sicher, dass es sich um den Erzengel handelt?«
»Ja, Herr.« Baal meinte etwas in Asmodeus' Augen aufblitzen zu sehen, war sich aber nicht sicher.
»Wenn das so ist, werde ich dem König wohl sofort davon berichten müssen«, meinte er nachdenklich. »Danach werde ich mich mit meinen Brüdern und meiner Schwester in Verbindung setzen.« Der Höllenfürst erwiderte nichts darauf.
Asmodeus setzte sich wieder auf seinen Thron und dachte nach. Für ihn war das eine gute Neuigkeit. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung für diese Welt. Vorausgesetzt, Luzifer war bereit ihnen zu helfen und sein Dasein als Engel vollkommen aufzugeben.
Ihm kam eine Idee und er sah Baal eindringlich an. »Ich denke, ich werde mich in der nächsten Zeit nicht mehr in der Hölle blicken lassen.«
Baal sah ihn überrascht an. »Was? – wieso? – wie lange werdet Ihr Euch fernhalten?« Eigentlich war es die Aufgabe von Asmodeus, mindestens einmal im Monat in der Hölle nach dem Rechten zu sehen und dem König Bericht zu erstatten.
»Solange, wie es eben dauert«, antwortete der Erzdämon nur.
Verwirrt schüttelte der Höllenfürst den Kopf. Worauf will Asmodeus hinaus, fragte er sich. Als er wieder zu dem Erzdämon blickte, sah er sein heimtückisches Grinsen, welches seine gezackten Zähne offenbarte und da verstand Baal.
Der König hatte bisher noch nie die Hölle betreten und würde dies wohl auch nie tun. Da Asmodeus sich nun auch fernhalten wollte, könnte Baal dort nun tun und lassen was er wollte. Dies bedeutete, dass er dort heimlich eine Armee aufbauen könnte. Die Hölle könnte damit zu einem Basis-Stützpunkt werden. Zuerst jedoch müsste er Luzifer davon überzeugen, ihnen zu helfen. Denn Baal wusste, dass sie ohne seine Hilfe keine Chance hätten, die Unterwelt von der Tyrannei des Königs zu befreien.
Zwar hatte Asmodeus, genau wie alle anderen Erzdämon, mit einem Eid jedem Herrscher die Treue geschworen. Dadurch war er gezwungen dem König sofort zu melden, wenn jemand Verrat begehen wollte. Aber das galt nur, wenn er konkrete Beweise dafür hatte. Auch wenn Asmodeus sich denken konnte, was der Höllenfürst nun vorhatte, war dies nur eine Vermutung.
»Was die Berichte angeht«, riss der Erzdämon Baal aus seinen Gedanken, »du kannst mir jeden Monat einen zukommen lassen, den ich dann an den König weitergebe. Natürlich muss darin nicht die Wahrheit stehen.«
Baal gab sein Einverständnis. Da es nun nichts mehr zu besprechen gab, verabschiedeten sie sich voneinander und Baal verließ den Palast. Er stieg wieder in seine Kutsche und reiste zurück in die Hölle. Während der Fahrt dachte er nach. Zuerst würde er seine besten Kämpfer zusammenrufen und ihnen Auftragen, sich schon einmal auf den Krieg vorzubereiten. Danach würde er den Nornen nochmal einen Besuch abstatten. Er hoffte, von ihnen zu erfahren, wo genau sich Luzifer im Moment aufhielt.
Hoffentlich ist Luzifer bereit uns helfen, dachte er missmutig. Dass der Erzengel schon längst selbst plante, die Herrschaft an sich zu reißen, konnte er nicht wissen.
Währenddessen lachte Asmodeus in sich hinein. Er konnte es kaum erwarten dem Herrscher die Neuigkeiten mitzuteilen. Es gab keinen Dämon in der gesamten Unterwelt, den er mehr verachtete als ihn. Der König musste um jeden Preis sterben. Kein Dämon wusste, was dieser alles getan hatte, um an die Macht zu kommen. Dazu noch die Verbrechen, die er seit seinem Aufstieg begangen hatte. Der Erzdämon würde ihn am liebsten selbst töten, doch das konnte er nicht. Doch nicht, weil er mit dem Bluteid jedem Herrscher die Treue gelobt hatte, wie alle Dämonen glaubten. Kein Erzdämon hatte dies getan. Sie haben mit dem unbrechbaren Eid etwas anders geschworen. Doch er und seine Geschwister ließen die Welt in dem Glauben. Diese Fehlinformation hatte, besonders in diesem Fall, seine Vorteile.
Er würde Luzifer helfen können, wenn auch nicht aktiv. Doch Asmodeus hatte Informationen, die dem Erzengel durchaus nützlich sein würden.
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