7| Bündnis
Belphegor konnte mal wieder nicht vernünftig schlafen. Eigentlich hatte er vorgehabt seinem Meister Gesellschaft zu leisten. Da er aber in seinem Unterschlupf nicht anzutreffen war, hatte er es bei Ninurta versucht. Schon von draußen hatte er Luzifers Stimme gehört. Der dürre Dämon wollte eigentlich wieder gehen, um die beiden nicht zu stören, aber als er gehört hatte, dass der Engel über den Grund seiner Verbannung sprach, konnte er nicht anders als zu lauschen. Er konnte kaum glauben, was er zu hören bekam.
Nun irrte Belphegor durch die dunklen leeren Gänge der Höhle. Er konnte nur hoffen, dass Luzifer seinen kleinen Lauschangriff nicht bemerkt hatte. Denn den Engel wütend erleben wollte er nicht. Während er weiter herum geisterte und den Ausgang suchte, begegnete er Adi.
»Du bist ja schon früh auf den Beinen«, meinte der Echsendämon.
»Das selbe könnte ich auch von dir behaupten.«
Adi lachte nur. »Wenn du eh schon wach bist, kannst mich gern zur Versammlung begleiten.«
Belphegor überlegte. »Was für eine Versammlung?«
»Wir wollen darüber entscheiden, ob wir uns Luzifer anschließen oder nicht. Da du ihn ja schon länger begleitest, kannst du sicherlich auch besser beurteilen, ob er es mit seinen Versprechen ernst meint.«
Der dürre Dämon war da etwas skeptisch. Immerhin konnte er Luzifer noch immer nicht richtig einschätzen. Dennoch nahm er Adis Angebot an. Zusammen liefen sie auf einen Durchgang zu, der breiter war als die der Unterkünfte. Dahinter war ein großer Versammlungsraum in den Stein gehauen worden. Sämtliche Echsendämonen saßen schon auf dem Boden verteilt und schienen nur noch auf Adi gewartete zu haben. Kaum hatten sie den Raum betreten, fingen die Diskussionen auch schon an.
Unterdessen lag Luzifer neben Ninurta, die tief und fest schlief. Er wusste das sein dürrer Begleiter gelauscht hatte und das gefiel ihm gar nicht. Zwar machte es ihm nichts aus, dass Belphegor nun seine Geschichte kannte, da er sie ihm sowieso erzählen wollte. Aber es ging ihm ums Prinzip. Der Gefallene nahm sich vor nachher mal ein ernstes Wort mit dem Dämon zu wechseln.
Eine Zeit lang blieb er noch so liegen, bis Belphegor hereingeplatzt kam. »Verzeiht die Störung Meister, aber Adi möchte mit Euch sprechen. Es gibt gute Neuigkeiten.«
Luzifer stutzte kurz, als der Dämon ihn mit 'Meister' ansprach. Das hatte er bisher noch nie getan. Sagen tat er dazu jedoch nichts. Er stand auf und verließ mit Belphegor das Quartier. Sie liefen durch das Wirrwarr von Gängen, an einigen Abzweigungen vorbei und blieben schließlich vor Adis Unterschlupf stehen. Sie traten ein.
»Setzt euch«, meinte der Echsendämon. Sie kamen der Aufforderung nach.
»Also, worüber wolltest du mit mir sprechen?«, kam Luzifer gleich zur Sache.
»Ich habe mit den anderen meines Clans gesprochen. Sie sind von Eurem Vorhaben angetan und wollen sich Euch anschließen.«
Luzifer dachte darüber nach. Zwar waren die Echsendämonen nicht besonders stark, was körperliche Kraft anging, aber sie waren sehr wendig und geschickt. Vor allem im Umgang mit Waffen, was sie am gestrigen Tag bewiesen hatten. Keine Gegner, die man unterschätzen sollte. Von Adi wusste der Engel auch, dass sie eine spezielle Fähigkeit hatten, von der sie bei ihrem Kampf zum Glück keinen Gebrauch gemacht hatten. Sie konnten eine säurehaltige Flüssigkeit absondern, die einem das Fleisch von den Knochen ätzte. Aber man hatte ihm auch erzählt, dass sie dies nur im äußersten Notfall taten. Denn ihre Körper konnten keine Unmengen dieser Flüssigkeit produzieren. Ein Bündnis mit diesen Wesen wäre also durchaus sinnvoll. Dies teilte der Engel Adi auch mit.
»Gut, dann wäre unser Bündnis damit Offiziell, Ihr solltet Eurem Diener dafür danken«, meinte Adi.
Luzifer sah Belphegor mit einem undefinierbaren Blick an. »Wie ist das gemeint?«
»Ich muss leider gestehen, dass einige meines Stammes sich nicht ganz sicher waren, ob man Euch vertrauen kann. Belphegor hat sich jedoch für Euch eingesetzt und sie schlussendlich von Eurer Aufrichtigkeit überzeugt.« Das überraschte Luzifer. Mit so etwas hatte er bei dem dürren Dämon nicht gerechnet. »Ich hätte da noch etwas für Euch, was Euch von Nutzen sein wird.«
Während Adi in einer Truhe kramte, beugte sich der Engel zu Belphegor rüber und flüsterte, »Da muss ich dir wohl wirklich danken. Anhand dieser Information werde ich sogar ausnahmsweise darüber hinwegsehen, dass du mich vergangenen Nacht belauscht hast.«
Er hatte mich also bemerkt, schoss es dem Dämon in den Kopf und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Luzifer hingegen lachte schadenfroh in sich hinein. Adi drehte sich kurz darauf wieder zu den beiden um und reichte dem Gefallenen etwas, dass in Tücher gewickelt war. Gespannt nahm er es entgegen und wickelte es vorsichtig aus.
Luzifer hielt nun einen ovalen flachen Gegenstand aus schwarzem glatt polierten Stein in der Hand. Die Größe betrug etwa 30 cm. Der Rand des Ovales war kunstvoll verziert. Magische Glyphen, deren Bedeutung der Engel nicht kannte, waren darauf eingraviert.
Noch nie hatte Luzifer so etwas gesehen. »Was ist das?«
»Das ist ein schwarzer Spiegel. Die werden aus einem schwarzen Gestein geschliffen, dass man Obsidian nennt. Wir benutzen ihn zur Kommunikation.« Interessant, dachte der Engel. Etwas ähnliches gab es auch im Himmel, nur nannte man es dort Sonnenscheibe, da sie wie eine Sonne geformt waren. »Man kann jedoch nur mit denen Kontakt aufnehmen, von dem man das Zeichen kennt«, sprach Adi weiter. »Das eigene Zeichen wird oben an der freien Stelle eingraviert und kann dann nur von dem jeweiligen Besitzer genutzt werden.«
Auch das war Luzifer nicht neu. Anscheinend gab es doch ein paar parallelen zwischen Himmel und Unterwelt. Mit dem Zeichen war das Seelenzeichen, wie man es richtig nannte, gemeint. Jedes Wesen besaß so eins. Sogar die Menschen. Es sah bei jedem anders aus und war damit einzigartig. Wenn man etwas mit diesem Zeichen markierte, war es automatisch an die Seele desjenigen gebunden.
Es gab allerdings auch Wesen, die keine Seele besaßen. Bei denen trug der Geist dieses Zeichen.
Luzifer fragte, wie man das Zeichen denn eingravierte. Adi erklärte ihm das Ritual und nannte ihm die magischen Formeln, die dafür notwendig waren. Als oben in der Mitte das Zeichen von Luzifer erschien, erklärte ihm der Echsendämon noch, wie man mit jemandem Kontakt aufnahm. Dafür musste man lediglich an denjenigen denken und dessen Zeichen mit seinem eigenen Blut auf die Oberfläche zeichnen. Die Vorgehensweise weichte doch sehr von dem im Himmel ab, denn dort brauchte man nicht sein Blut dafür. Dennoch war der Engel froh nun einen solchen Gegenstand zu besitzen.
Einige Zeit saßen sie noch zusammen da und berieten sich über das weitere Vorgehen. Luzifer wollte so schnell wie möglich weiter, da sie noch eine lange Reise vor sich hatten. Er schlug Adi vor, dass er mit seinem Clan vorerst in der Höhle bleiben solle. Für den Fall, dass sie angegriffen werden würden, sollte er mit dem Engel Kontakt aufnehmen. Er würde von einer Sekunde zur nächsten da sein, versprach er. Denn wenn Luzifer schon einmal an einem Ort war, konnte er sich jederzeit wieder dorthin teleportieren, egal wie weit er sich von diesem entfernt befand. Adi war mit dem Vorschlag einverstanden. Luzifer befahl Belphegor, dass er Ninurta holen solle, damit sie weiter konnten. Der dürre Dämon eilte davon.
»Ihr solltet noch diese Mäntel mitnehmen, auch wenn sie bei der Kälte dort oben kaum etwas bringen werden«, sprach Adi und übergab Luzifer drei bodenlange Mäntel und Stiefel, die jeweils aus braunem und schwarzem Fell gefertigt waren. Mützen konnte er ihnen jedoch keine geben, was er bedauerte. Doch er übergab Luzifer noch einen Sack mit Vorräten für Belphegor.
Während sie die Sachen zusammenpackten, kamen auch seine beiden Begleiter hinzu und halfen ihnen. Anschließend liefen sie gemeinsam durch die Höhle in Richtung Ausgang. Draußen warteten schon einige Echsendämonen auf sie, um die drei Gefährten zu verabschieden. Luzifer versicherte Adi nochmals, dass er sofort zur Stelle sein würde, wenn sie in Schwierigkeiten geraten sollten. Der Echsendämon bedankte sich und kurz darauf machte sich der Engel mit seinen beiden Begleitern auf den Weg.
Sie mussten den Berg hinauf, in dem die Echsendämonen lebten. Zu Anfang war der Weg noch breit und durch die geringe Steigung nicht gerade Anstrengend. Doch je höher sie kamen umso schmaler und schwieriger wurde der Pfad. Am Ende konnten sie sich nur noch seitlich fortbewegen. Unter ihnen befand sich ein schier endloser Abgrund. Der Winde wurde stärker. Auch die Sicht verschlechterte sich zunehmend. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, wurde es auch noch immer kälter. Wie gut das wir die Mäntel bekommen haben, dachte Luzifer mit einem Blick auf seine bibbernden Begleitern. Die beiden zogen sie sich über. Auch die Stiefel zogen sie an. Luzifer gab seinen Mantel jedoch an Ninurta weiter. Ihm machte die extreme Kälte nichts aus. Nachdem Belphegor und Ninurta fertig waren, stiegen sie weiter hinauf.
Der Engel wusste nicht mehr, wie lange sie nun schon diesen Berg erklommen. Es war mittlerweile Stockdunkel. Doch ob es tatsächlich schon Nacht war, oder ob hier oben einfach kein Tageslicht hinkam, konnte er nicht sagen.
Der Wind war mittlerweile zu einem regelrechten Sturm geworden. Sie mussten sich an den Felsen festkrallen, um nicht davon mitgerissen zu werden. Als sie endlich den Gipfel erreichten, war der Sturm so stark, dass er tief ins Fleisch schnitt. Luzifer fluchte. Er wirkte schnell einen Schutzschild um sich und dehnte ihn soweit aus, dass seine beiden Begleiter ebenfalls darunter Platz hatten. Danach heilte er noch ihre Wunden, ehe sie ihren Weg fortsetzten. Wenigstens wusste Luzifer nun, warum man diesen Ort den Todesgipfel nannte. Denn ohne das Können eines Schutzzaubers, war man hier wahrlich dem Tode geweiht.
Der tiefe Schnee hier oben bildete einen starken Kontrast zu der absoluten Finsternis um sie herum. Durch die Kälte war der Schnee unter ihren Füßen fast gänzlich eingefroren. Trotzdem sanken sie immer wieder ein, da es unaufhörlich weiter schneite. Doch nicht nur das machte ihnen das vorankommen schwierig. Denn durch die dicke Eisschicht rutschten sie auch immer wieder aus. Wenigstens konnte ihnen der Messerscharfe Sturm nichts mehr anhaben.
Luzifer hatte schon jetzt genug von diesem Ort. Hoffentlich haben wir den Todesgipfel schnell hinter uns gebracht.
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