5| Angst

Zwei Tage später

Schwach und zitternd lag sie in dem fensterlosen Raum. Ihre Hände waren in schweren Ketten über ihrem Kopf gefesselt. Ihr Rücken lehnte an der angenehm kühlen Wand. Ein metallener Geruch hing in der Luft. Der Duft ihres eigenen Blutes, in dem sie saß. Zusätzlich lagen einzelne Schuppen ihres Schlangenleibs auf dem Boden verteilt. Selthias hatte sie ihr in präzisierter Grausamkeit mit einer scharfen Klinge abgeschnitten. Die Folter war die Strafe für ihr Versagen.

Zelphias war der Überzeugung, dass sie es verdient hatte. Sie hatte bei Thelia versagt. Wie hatte Selthias getobt, als er erfahren hatte, was in Iscaeria geschehen war. Nie zuvor hatte sie ihn so wütend erlebt. Seine einstige Favoritin wusste, dass sie in diesem dunklen Loch sterben würde. Denn ihr Herr kannte keine Gnade mit wertlosen Versagerinnen wie ihr. Ihr einziger Trost war, dass ihr Herr auch Thelia bestrafen würde. Schlimmer noch, als er es bei Zelphias getan hatte. Aber sie wusste auch, dass ihre Qualen noch lange nicht zu Ende waren.

Sie hatte diesen Gedanken kaum zu Ende gebracht, als sie auch schon Stimmen hörte, die ihrer Zelle näher kamen. Kurz darauf öffnete sich die Tür. Selthias schlängelte sich zu ihr. Wie immer war er auch heute unbekleidet. Trotz ihrer schlechten Verfassung fühlte sie bei seinem Anblick Verlangen in sich aufsteigen. Doch auch Angst kroch in ihr hoch, als sie sah was er ihr mitgebracht hatte. Es war eine Art Peitsche aus stabilem aber dennoch sehr flexiblen Material. Sie war etwa so dick wie ein Finger und mit etlichen schmalen spitzen Widerhaken versehen, die einem tief in die Haut schnitten. Selthias liebte diese Waffe. Er benutzte sie nicht nur zur Folter, sondern auch im Kampf.

Sein Opfer zuckte zusammen, als er die Peitsche direkt neben ihr auf den Boden knallen ließ. Ein leises Wimmern drang aus ihrem Mund. Zu mehr hatte sie scheinbar nicht mehr die Kraft. Doch dies änderte sich, als die Peitsche sie direkt traf. Die Widerhaken bohrten sich in ihren Oberkörper. Ganz langsam zog Selthias sein Folterinstrument hinunter. Sorgte dafür, dass sich die Widerhaken auch in den Schlangenleib gruben. Blut quoll aus der langen linienartigen Wunde. Selthias ergötzte sich an der Angst und dem Schmerz seiner einstigen Favoritin.

Als er sich genug in ihrer Qual gewälzt hatte, fing er erst richtig mit der Folter an. Härter schlug er mit der Peitsche auf sie ein. Ihre Schreie stachelten ihn zusätzlich an. Frisches Blut ergoss sich auf der alten getrockneten Blutlache. Der metallene Geruch wurde dabei immer intensiver.

Etliche Stunden dauerte die Prozedur. Selthias Körper war inzwischen ebenfalls mit Blut besudelt. Zu seinem Schlangenleib lag der nun leblose Körper seines Opfers. Sie hatte diese grausame Prozedur nicht überlebt. Er drehte sich um und spazierte davon. Für ihn war Zelphias schon jetzt nur noch eine enttäuschende Erinnerung, die sich in seinen Gedanken immer weiter in der Bedeutungslosigkeit verlor. Vergangen ist vergangen und zählte für ihn nicht mehr. Stattdessen nahm er nun sein neues Ziel in Angriff. Er wollte Thelia zurück. Um jeden Preis.

Während eine Dienerin die Leiche entsorgte, in dem sie sie verbrannte, machte sich Selthias mit zwei seiner Kriegerinnen auf nach Iscaeria. Noch immer brodelte die Wut in ihm und wurde größer, je näher sie ihrem Ziel kamen.

Tagelang fuhren sie mit der Kutsche durch die triste Steinwüste. Selthias fragte sich immer wieder, was sich seine Tochter eigentlich einbildete. Läuft ohne seine Erlaubnis davon, nur um sich offenbar von ihm zu lösen. Und das obwohl er nicht nur ihr Vater sondern in erster Linie auch ihr Meister war. Sie hatte sich ihm zu unterwerfen und ihm zu gehorchen. Ihm und sonst niemandem. Thelia hätte sich ihm hingegeben müssen. O, wie hatte er sich auf den Augenblick gefreut. Doch dieses Gör hatte alles zunichte gemacht.

Zelphias hatte in seinen Augen bei Thelias Erziehung vollkommen versagt. Aber was er ihr angetan hatte, war nichts im vergleich zudem, was er mit seiner Tochter anstellen würde. Das sich aber auch der König in seine Angelegenheiten einmischte, ärgerte ihn doppelt so sehr. Aber es war ihm egal, was der Herrscher sagte, er würde seine Tochter um jeden Preis zurück holen. Ratternd fuhr die Kutsche durch das große braune Tor, welches sich lautlos für sie öffnete. Vor dem Palast hielten sie.

Wütend stieg Selthias aus der Kutsche aus. Er schlängelte sich bis zum Haupttor des schwarzen Palastes. Links und rechts gesellte sich seine Kriegerinnen zu ihm. Bevor er den Palast jedoch betreten konnte hielten ihn die Wachen vor dem Tor auf. »Waffen ablegen«, befahlen sie. Die Kriegerinnen kamen der Aufforderung sofort nach. Erst nachdem sie alle abgelegt hatten, ließen die Wachen sie ein. Sie gingen den langen Gang entlang und betraten am Ende den Thronsaal.

Die Wachen hatten über den schwarzen Spiegel dem König sofort den unerwünschten Besuch angekündigt. Daher saß dieser schon angespannt auf seinem Thron.

Vor dem Thron hielten die drei Lamias und verneigten sich. »Was kann ich für euch tun?«, erklang Luzifers herrische Stimme.

Selthias Augen funkelten vor Zorn. »Ihr habt etwas das mir gehört und ich will es zurück.«

»Ach, ist das so«, erwiderte der König gefährlich ruhig. »Ich wüsste nicht was das sein sollte.« Er hatte kaum ausgesprochen, da betrat Thelia den Raum. Schlechter Zeitpunkt, dachte der König.

»Du kommst sofort zurück nach Hause!«, schrie Selthias auch schon los.

Völlig überrumpelt und auch erschrocken blieb Thelia stehen. Sie hatte nicht damit gerechnet ihren Vater hier zu sehen. Doch dann straffte Thelia ihre Schultern und stellte sich ihm selbstbewusst gegenüber. »Ich komme nicht mehr zurück. Das hier ist jetzt mein zu Hause.«

Luzifer lächelte in sich hinein. Nach außen behielt er seine distanzierte Haltung jedoch bei. »Wie du sehen kannst will sie nicht.«

Bedrohlich schlängelte Selthias sich auf seine Tochter zu. Er ignorierte die Worte des Königs. »Du kommst sofort mit. Mir ist verdammt nochmal egal was du willst«, dass letzte zischte er förmlich.

»Nein!«, schrie sie bestimmt.

Selthias baute sich wütend vor ihr auf. Mit seinen Händen wollte er nach ihr greifen, doch bevor er Thelia erreichen konnte, wurde er auf magische Weise von Luzifer festgehalten. Keinen Millimeter konnte Selthias sich mehr rühren. Die Augen des Königs glühten rot und er stand kurz davor seine wahre Gestalt anzunehmen. Alle Dämonen, die sich im Saal befanden zogen sich zurück. Sie wussten nur zu gut, wie gefährlich die Situation nun war. Nur Selthias mit seinen Kriegerinnen und Thelia befanden sich mit ihm im Raum, in dem es deutlich wärmer geworden war. Auch die Flammen, die aus dem Boden zwischen den Säulen emporragten waren nun deutlich höher als sonst. Alles Zeichen dafür, dass der ehemalige Engel stinksauer war.

»Was fällt dir eigentlich ein?«, fragte ihn Luzifer, dessen Stimme nur noch ein gefährliches Knurren war. »Du hast sicherlich kein Recht irgendeine meiner Bediensteten zu bedrohen. Auch nicht, wenn sie deine Tochter ist. Sie dient in meinem Palast und ist somit nur noch mir allein unterstellt. Also verschwinde sofort, wenn dir dein Leben lieb ist.«

Selthias unterschätzte die Situation in seinem aufgestauten Zorn jedoch. »Und Ihr habt nicht das Recht Euch in die Angelegenheiten meines Clans einzumischen. Thelia gehört mir und ich allein bestimme über ihr Schicksal.«

Nur mit Mühe konnte Luzifer sich Beherrschen. »Thelia kann selbst entscheiden, was sie tut und sie ist von niemanden das Eigentum. Und jetzt geh endlich, bevor ich dich in Stücke reiße!«

Das Oberhaupt der Zeos musste sich wohl oder übel geschlagen geben. Er wusste, dass er gegen den König keine Chance hatte. Bevor er jedoch den Palast verließ sah er seine Tochter eindringlich an. »Du solltest Iscaeria besser nicht mehr verlassen, denn solltest du das tun, gehörst du mir«, drohte er ihr.

Bei diesen Worten brannte Luzifer gänzlich die Sicherung durch. Seine Haut verfärbte sich schwarz. Ein rotes Muster bildete sich darauf. Seine Hörner kamen zum Vorschein. Ebenso wie sein Schwanz und die Flügel. Er hatte seine wahre Gestalt angenommen. Die Flammen züngelten nun bis an die Decke. Grob packte der König den Schlangendämon an der Kehle. »Du willst also wirklich jemanden angreifen, der unter meinem persönlichen Schutz steht?«, seine Stimme klang nun seltsam verzerrt.

Selthias starrte ihn mit großen Augen an, während er versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Er bekam kaum noch Luft. Luzifer bemerkte dies und lockerte seinen Griff etwas. Gierig sog der Schlangendämon die Luft ein, ehe er antwortete. »Natürlich nicht, mein König.«

»Das will ich auch hoffen. Und nun geh mir endlich aus den Augen und wage es nie wieder hierher zu kommen«, spie er ihm ins Gesicht. Luzifer ließ ihn los und die Schlangendämonen verließen so schnell sie konnten den Palast.

Während der König sich zu Thelia umdrehte, nahm er wieder seine menschliche Gestalt an. Sie wirkte ziemlich mitgenommen. »Alles in Ordnung?«

»Ja, geht schon«, meinte sie wenig überzeugt von ihren eigenen Worten. Sie hatte ihren Vater noch nie so wütend gesehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie wirklich Angst vor ihm gehabt.

Luzifer sah, dass sie leicht zitterte. Sanft aber bestimmend drehte er sie um und schob sie aus dem Raum. Er brachte sie zu ihrem Zimmer. »Du brauchst heute nicht zum Training zu gehen, wenn du nicht möchtest«, meinte er.

»Ich gehe, die Ablenkung wird mir jetzt gut tun. Aber kann ich Euch mal etwas fragen?«

Der König lächelte sie an. »Natürlich darfst du.«

»Wieso habt Ihr mich unter Euren Schutz gestellt? Ihr hättet Euch Ärger ersparen können, wenn Ihr das nicht getan hättet.« Thelia schaute neugierig zu ihm.

»Den genauen Grund werde ich dir noch nicht nennen. Doch ich hatte meine Gründe dafür. Und den Ärger war es mir allemal wert.« Mit einem geheimnisvollen Lächeln ging er davon und ließ die junge Lamia einmal mehr verwirrt zurück.

Eine halbe Stunde später ging sie dann zum Trainingsplatz. Die Sache mit ihrem Vater nahm sie noch immer sehr mit. Dazu beschäftigten sie auch die Absichten des Königs. Als sie am Platz ankam, blieb sie überrascht stehen. Gusion war nirgends zu sehen. Normalerweise war er überpünktlich.

Sie schlängelte sich über den Platz und wartete. Auch nach einigen Minuten war von ihrem Trainer noch nichts zu sehen. Allmählich verlor sie die Geduld. Gerade als sie zurück in ihr Zimmer wollte, kam Gusion angelaufen. »Verzeih meine Verspätung, aber ich wurde aufgehalten«, begrüßte er sie.

»Lass uns einfach endlich anfangen«, erwiderte sie patzig. Ihre Laune war inzwischen auf dem Tiefpunkt. Der Schattendämon ließ das Verhalten seiner Schülerin unkommentiert. Er wusste von seinem Meister bereits, was vorgefallen war und konnte ihr die schlechte Laune nicht übel nehmen. Luzifer hatte ihm aufgetragen heute etwas nachsichtiger mit Thelia zu. Gusion konnte nichts versprechen, aber er würde sich bemühen dem Wunsch seines Meisters nachzukommen.

Nach ein paar wenigen Worten seinerseits, begannen sie mit dem Training. Schon nach den ersten Minuten war er sich bereits nicht mehr sicher, ob er sein Wort würde halten können. Denn Thelia ließ sich für seinen Geschmack heute viel zu leicht besiegen. Schon etliche male hätte er sie töten können, wenn er gewollt hätte. Die ganzen Fortschritte, die Thelia bereits gemacht hatte, schienen nun komplett verloren gegangen zu sein. Sie wirkte allgemein sehr abgelenkt und unkonzentriert. Und ehe Gusion sich versah, schrie er sie auch schon genervt an. Mitgefühl war nicht gerade seine Stärke. Ist es nie gewesen. Genauso wenig wie Geduld.

Der Schattendämon hatte schon längst keine Lust mehr auf dieses Training. Thelia hingegen schien nicht mehr aufhören zu wollen. Vielleicht ist das ihre Art damit umzugehen, grübelte er. Dieser Gedanke war auch der einzige Grund, warum er das über sich ergehen ließ.

Aber zu seinem Glück wurde er bald darauf von Prinz Sharon erlöst, der sich unbemerkt zu ihnen auf den Platz gesellt hatte. »Du kannst das Training für heute beenden Gusion. Ich muss mit Thelia sprechen.« Sein ernster Blick ließ keinen Widerspruch zu.

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