4| Sharon's Zweifel
Sharon eilte durch die Flure des Palastes. Die Diener, die ihm ängstlich aus dem Weg sprangen, ignorierend. Er musste dringend zu seinem Vater. Der junge Prinz war so wütend, dass seine Augen rot glühten. Sogar seine wahre Gestalt hatte er angenommen. Seine pechschwarze Haut, auf der sich ein blaues Muster schlängelte, bildete einen starken Kontrast zu seinen silbernen Haaren. Er fand seinen Vater in dessen Gemach vor. Ohne anzuknüpfen, stürmte er hinein.
Luzifer lag gemeinsam mit Ninurta in einer eindeutigen Stellung im Bett. Der König blickte seinen Sohn finster an. Ihm gefiel diese Störung überhaupt nicht, auch Ninurta war wenig begeistert. Unter normalen Umständen wäre Sharon diese Situation peinlich gewesen, aber sein Zorn überwog.
Luzifer stand, nackt wie er war, auf und baute sich vor seinem Sohn auf. »Was fällt dir ein, einfach hier rein zu platzen?!«, knurrte er. Ninurta wickelte sich eine Decke um ihren schlanken Körper und stand ebenfalls auf.
»Ist das wahr?! «, wollte Sharon wissen, ohne auf die Aussage seines Vaters einzugehen.
»Könntest du etwas genauer werden?«
»Ich habe gehört, dass du Astaroth in die Welt der Menschen geschickt haben sollst.«
»Das habe ich in der Tat. Er soll dort etwas für mich im Auge behalten«, bestätigte Luzifer.
Nun verlor Sharon jegliche Beherrschung. »Wie konntest du nur?!«, schrie er seinen Vater an. »Du weißt doch genau, was passieren wird. Ist es dir so egal, dass Astaroth die Menschheit auslöschen wird und das Ganze in einen Krieg zwischen den Welten ausarten kann!« Es war das erste Mal, dass Sharon so mit ihm redete. Dennoch blieb Luzifer gelassen.
»Zum einen hast du in deiner Vision nur gesehen, dass dein Bruder sich für irgendwas an den Menschen rächen will. Dass er sie auslöscht, ist also reine Spekulation. Zum anderen verstehe ich nicht, was du von mir erwartest. Soll ich Astaroth vielleicht bis in alle Ewigkeit in der Unterwelt festhalten? Wir können nicht verhindern, dass er seine Gefährtin findet und um ehrlich zu sein, sollten wir das auch gar nicht erst versuchen«, erklärte er sachlich.
Sharon wusste, dass sein Vater recht hatte. Trotzdem hatte er bei dieser Sache ein mehr als schlechtes Gefühl. »Warum hast du mich nicht geschickt?«, wollte er nun wissen, während er wieder eine menschliche Gestalt annahm. Auch das Rot in seinen Augen verschwand und zeigten wieder ihr übliches blau.
»Du musst bei Thelia bleiben. Immerhin bekommt ihr bald euer erstes Kind. Sie braucht dich jetzt dringender.« Sharon seufzte resigniert. Er sollte seine Gefährtin wirklich nicht allein lassen. Der junge Prinz drehte sich um und verließ nachdenklich das Gemach. Sehr zu Freude von Luzifer und Ninurta, die nun dort weiter machten, wo sie zuvor so brüsk unterbrochen wurden.
Sharon teleportierte sich zurück in sein Schloss bei den Hängenden Gärten. Er ging durch den Garten spazieren und ließ sich schließlich an dem See nieder. Das Wasser darin war kristallklar. Es war sein Lieblingsplatz. Doch heute hatte der junge Prinz keine Augen für diese wunderschöne Idylle. Zu viel ging ihm im Kopf herum.
Es dauerte nicht lange, bis Thelia sich zu ihm gesellte. Sie hatte seine Rückkehr sofort gespürt. Auch seine Angespanntheit entging ihr nicht. »Willst du darüber reden?«, fragte sie ihn. Er schüttelte den Kopf. Die Lamia akzeptierte seine Entscheidung, auch wenn sie es nur widerwillig Tat. So saßen sie lange schweigend nebeneinander.
»Astaroth ist in der Welt der Menschen«, durchbrach Sharon schließlich die Stille. Schockiert starrte Thelia ihn an. Sie wusste von der Vision, die er im Land der Prüfungen gehabt hatte.
»Hat er sich etwa einfach eurem Vater widersetzt?«
»Schön wärs, mein Vater hat ihn selbst dorthin geschickt«, erwiderte Sharon verärgert. Er spürte, wie erneut die Wut in ihm hochkroch.
»Obwohl er um die Gefahr weiß?«, fragte sie ungläubig. Der junge Prinz nickte darauf nur betrübt. Noch immer verstand er nicht, wieso sein Vater so leichtfertig handeln konnte. Aber er fragte sich auch, was Astaroth wohl in der anderen Welt beobachten sollte. In seinem Zorn hatte er ganz vergessen Luzifer danach zu fragen.
Auch Thelia war in Gedanken versunken. Sharon hatte ihr erzählt, dass er nicht wüsste, was diesen Hass in Astaroth auslösen würde. Aber er hatte eine Vermutung geäußert. Eine, die auch für Thelia am wahrscheinlichsten hielt. Andererseits könnte ihr Schwager noch aus anderen Gründen einen Hass gegen die Menschheit entwickeln. Welche das sein mochten, wäre zum jetzigen Zeitpunkt allerdings reine Spekulation. Tatsache war aber, dass es verschiedene Gründe dafür geben konnte. Sie konnten nichts anderes tun, als abzuwarten, was geschehen würde. Auch wenn ihr das genauso wenig gefiel, wie Sharon.
Aber in einem Punkt hatte Luzifer recht, sie könnten es sowieso nicht verhindern. Es war ohnehin nicht sicher, ob dies alles überhaupt eintraf. Denn das Schicksal hatte viele Wege. Das, was Sharon gesehen hatte, mochte zwar am wahrscheinlichsten sein, jedoch gab es noch viele kleine Verzweigungen, die in ein anderes Resultat bringen konnten. Welche der unzähligen Möglichkeiten schließlich eintreffen würden, kam auf die Entscheidungen an, die der Prinz traf. Aber nicht nur auf seine, sondern ebenso auf die von allen beteiligten. Eine richtige konnte das schlimmste verhindern, eine falsche den Untergang bedeuten.
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