4| Nuvak
Die mit Stahl-Stacheln besetzte Keule rammte sich in die Seite seines Gegners. Nuvak hörte die Knochen brechen. Eine Wohltat für seine Ohren. Blut spritzte ihm entgegen. Sieben Gegner hatte er schon im Zweikampf besiegt und das nur an diesem Morgen. Diesen hier würde er auch schaffen. Sein Gegner war nur ein schwächlicher Dämon ohne besondere magische Fähigkeiten. Keine Herausforderung für einen erfahrenen Kämpfer wie ihn. Der Minotaurus fragte sich ohnehin, was sein Gegner sich überhaupt dabei gedacht hatte, bei diesem Turnier anzutreten.
Doch vermutlich war es der Preis, der auf den Gewinner wartete. Nein, es war kein Gold, kein Silber. Es war etwas, dass in der Unterwelt selbst für die hochrangigsten Dämonen unbezahlbar war. Das Ei eines Drachen. Diese Wesen waren unzähmbar, zumindest wenn sie ausgewachsen waren. Zwar suchten sich auch ausgewachsene Drachen Besitzer aus, allerdings geschah dies äußerst selten. So selten, dass es schon seit fast Zweitausend Jahren nicht mehr vorgekommen war.
Babydrachen dagegen waren leicht zu zähmen. Denn sie prägten sich auf das erste Wesen, dass sie nach dem schlüpfen sahen. Allerdings war es in allen Reichen verboten Dracheneier zu stehlen. Doch hin und wieder geschah es, dass ein Ei aus dem Nest geworfen wurde. Wenn dies passierte, nahmen die Fürsten, die die Eier bewachen ließen, es sich um es dann als Preis auf solchen Turnieren anzubieten. Da aber auch dies höchstens alle hundert Jahre geschah, war dieser Preis natürlich heiß begehrt. Auch wenn es dabei meist nur um kleinere Drachen ging.
Wie auch in diesem Fall. Das Ei stammte von einem Feuerdrachen. Diese waren nach dem Schlüpfen von Kopf bis Schwanzspitze gerade mal so groß wie die Hand eines erwachsenen Menschen. Sie wurden höchstens ein Meter lang und so hoch wie ein Zwergpudel. Ihre Schuppen waren Feuerrot und beinahe undurchdringbar. Spitze Zähne reihten sich in ihren Mäulern aneinander. Gerade groß genug, um kleine Eidechsen zu verspeisen. Das besondere an ihnen, neben dem Feuerspucken war, dass sie für ihre Größe äußerst stark waren. Sie eigneten sich daher gut als Beschützer.
Nuvak hatte inzwischen seinen Gegner besiegt und schaute sich nun in aller Ruhe den nächsten Kampf an. Eine Blutdämonin kämpfte gerade gegen einen Schattendämon. Ein äußerst interessanter Kampf, wenn man bedachte das diese beiden Arten nach den Todesdämonen als die mächtigsten der gesamten Unterwelt galten. Blutdämonen waren in der Lage den Blutfluss ihrer Gegner zu erspüren und so entweder die gesamte Versorgung des Herzens zu stoppen oder das Blut in den Venen so weit anstauen zu lassen, bis sie platzten. Letzteres war eine besonders grausame Art zu töten. Sie konnten auf diese Weise allerdings auch den Körper ihres Opfers steuern.
Doch diese Dämonin schien mit ihren Kräften bei dem Schattendämon nichts auszurichten. Vermutlich hatte er ein starkes Schutzschild um sich herum errichtet. Aber die Blutdämonin gehörte zu denen, die sich nicht allein auf ihre Kräfte verließen. Sie war auch hervorragend im Umgang mit ihren zwei Kurzschwertern, wie Nuvak anerkennend bemerkte. Diese Dämonin gefiel ihm immer besser. Sie war ihm schon zu Beginn der Turniere aufgefallen, mit ihren langen dunkelroten Haare und ihren hellen Augen. Ihr Körper war eine einzige Sünde. Der Stierdämon würde nur zu gern eine Nacht mit der reizenden Schönheit verbringen. Er war so sehr in seinen Fantasien vertieft, dass er das Ende des Kampfes erst bemerkte, als es schon vorbei war. Anscheinend hatte die Blutdämonin gewonnen, denn der Schattendämon trottete niedergeschlagen davon.
Nach zwei weiteren Kämpfen war Nuvak endlich wieder dran. Er betrat selbstbewusst die Arena. Sein Gegner war diesmal ein Winddämon. Man könnte meinen, dass dieser Kampf ziemlich unfair war. Denn im Gegensatz zu seinem Gegner hatte Nuvak nicht die geringsten magischen Kräfte. Doch er wusste, dass Magie allein keine Kämpfe gewann. Der Winddämon schien sich ohnehin nur auf seine Kräfte zu verlassen, denn er sah bei ihm keine Waffen. Der Minotaurus lächelte. Das wird ein lustiger Kampf.
Der Kampf begann und sofort wurde es windig auf dem Platz. Aber das machte dem Stierdämon nichts aus. So leicht würde er nicht vom Boden abheben. Er nahm seine Keule fester in die Hand und lief auf seinen Gegner zu. Bevor er ihn jedoch erreichte, verschwand dieser und auch der Wind. Nuvak drehte sich nach allen Seiten um. Wieder wurde es windig, diesmal stärker als zuvor. Er drehte sich zu seinem Gegner um und lief erneut auf ihn zu. Und wieder verschwand der Winddämon samt des Windes.
Ein erneuter Wind kam auf. Doch diesmal so stark, dass er dem Minotaurus ins Fleisch schnitt. Die vorigen Angriffe waren wohl nur ein Vorgeschmack gewesen. Nuvak lief nicht erneut zu seinem Gegner, sondern stand einfach nur da und überlegte. Die Schnittwunden waren ihm momentan egal, denn sie waren nicht Tief. Aber der Stierdämon wusste, dass sein Gegner erneut verschwinden würde, bevor er ihn erwischte. Jedoch war dies eigentlich seine einzige Chance dem Winddämon schaden zuzufügen. Ziemlich clever, dachte Nuvak. Sein Gegner hatte es auf einen Ausdauer Kampf abgesehen. Und hatte gute Chancen diesen zu gewinnen. Denn auch wenn Minotauren über eine hohe Ausdauer verfügten, so sah das, wenn sie verletzt waren, anders aus.
Nuvak musste sich also schnellstmöglich was einfallen lassen, wenn er gewinnen wollte. Er fragte sich, ob sein Gegner mittels Teleportation verschwand, oder ob er einfach nur extrem schnell war. Da ersteres bei Winddämonen selten war, hoffte er auf letzteres. Also ging er zum Rand der Arena und bat eine der Zuschauerinnen ihm ein Stück Stoff zu geben. Sie tat ihm den Gefallen und überreichte ihm eine Art Schal. Er band sich den dicken schwarzen Stoff um die Augen und ging zurück zu seinem Gegner. Da er nun nichts mehr sehen konnte, konnte er sich stärker auf seine anderen Sinne konzentrieren.
Nuvak spürte, aus welcher Richtung der Wind kam und lief. Wie erwartet verschwand sein Gegner. Aber dieses mal hörte der Stierdämon ein zischen links von ihm und hechtete hinterher. Für die Zuschauer musste es so Aussehen, als ob er nun wahllos durch die Arena rannte. Nur wenige konnten den Schemen des Winddämons sehen. Da dieser nun nur noch vor Nuvak davon laufen konnte, um nicht von der Knochen brechenden Keule getroffen zu werden, konnte er seine Fähigkeit nicht mehr einsetzen. Nuvak wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sein Gegner die Kraft verließ.
Während er kämpfte, erreichten zwei Soldaten des Königs das Haupttor zur Arena. Sofort wurde es für sie geöffnet. Die beiden traten ein und begaben sich auf den Kampfplatz. Der Aufseher der Arena stoppte den Kampf sofort, als er das Wappen auf ihrer schwarzen Rüstung erkannte. Allerdings sehr zu Nuvaks Missfallen. »Nuvak vom Stamm der Ziax«, sprach einer der Soldaten, »Im Namen des Königs befehle ich Euch mit uns zu kommen!«
Alle Anwesenden sogen hörbar die Luft ein. Nuvak hingegen blieb äußerlich ruhig, doch tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. »Lasst mich noch schnell den Kampf zu Ende bringen.«
»Ihr werdet sofort mitkommen. Der Herrscher wartet nicht gern!«, entgegnete der Soldat erbost.
Nuvak lag eine giftige Bemerkung auf der Zunge, aber der Aufseher der Arena kam ihm zuvor. »Ihr könnt euren Kampf auch später fortsetzen. Vorausgesetzt du bist in spätestens drei Stunden wieder hier.«
Der Minotaurus brummte etwas unverständlichen, gab sich jedoch damit zufrieden. Auch sein Gegner schien einverstanden. Widerwillig folgte Nuvak den Soldaten zum Palast. Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihm aus, als er direkt vor dem schwarzen Palast stand. Als er das letzte mal hier gewesen war, wurde er ziemlich grob hinaus geworfen. Dabei hatte er noch Glück gehabt von Luzifer nicht wegen dem unerlaubten Eindringen und Angriff auf mehrerer Wachen bestraft worden zu sein.
Er war sich jedoch sicher, diesmal nicht so glimpflich davon zu kommen. Denn Nuvak ahnte, dass Thelia erwischt worden war. Und wie es aussah, hatte sie zu allem Überfluss auch noch geplaudert. Andernfalls würde der Herrscher ihn kaum hierher bringen lassen.
Die Tür zum Thronsaal öffnete sich. Nuvak trottete gemächlich zum Thron, auf dem Luzifer ihn schon erwartete. Die menschliche Gestalt, die er wie immer angenommen hatte, war wenig eindrucksvoll, wie der Minotaurus fand. Allein seine machtvolle Aura, die den gesamten Raum einnahm, flößte jedem noch so mächtigen Dämon Respekt, wenn nicht gar Angst, ein.
»Danke, ihr könnt nun gehen«, sprach Luzifer an die Soldaten gewandt. Kurz darauf waren sie auch schon allein. Der König stand auf und stellte sich direkt vor den Minotaurus. »Ich nehme an, du bist deswegen damals in meinen Palast eingedrungen, nicht wahr?« Luzifer zeigte ihm dabei das Amulett. Nuvak nickte nur bedrückt. Es war das erste Mal seit Jahren, dass er es wieder zu Gesicht bekam. Doch auch Zorn machte sich in ihm breit. Zorn darüber, dass die Lamia ihn tatsächlich verraten hatte. Und das, obwohl er ihr das Leben gerettet hatte. »Wenn du es haben wolltest, warum hast du mich nicht einfach gefragt?«, wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
»Das habe ich sehr oft versucht, aber jedes mal hieß es, Ihr wäret zu beschäftigt mich zu empfangen«, entgegnete Nuvak sauer.
»Davon wusste ich nichts«, meinte Luzifer nachdenklich. Er hielt dem Minotaurus das Schmuckstück hin. »Aber hier, du kannst es haben. Ich hätte es dir nach Andras' Tod sofort geben sollen, doch ich konnte mich einfach nicht davon trennen. Es tut mir Leid.«
Nuvak war sprachlos. Er hätte nie gedacht, dass der König sich jemals entschuldigen würde. Schon mal gar nicht bei ihm. »Schon gut«, erwiderte er, als er sich wieder gefangen hatte. »Hier einzudringen und Randale zu machen war auch nicht besonders klug.«
»Aber verständlich. Ich hoffe jedoch, dass du in Zukunft öfter hier im Palast vorbei schaust. Wie du sicherlich noch weißt, waren dein Vater und ich sehr gut befreundet und ich erkenne sehr viel von ihm in dir wieder. Daher wäre es mir sehr recht, wenn wir unsere Differenzen beilegen könnten.«
Der Minotaurus dachte darüber nach. »Da Ihr mir das Amulett endlich gegeben habt, sehe ich da kein Problem.«
Luzifer schien erleichtert. Er sagte dem Stierdämon noch, dass er Thelia es nicht übel nehmen solle und das er ihr erst versichern musste, Nuvak nicht für irgendwas zu bestrafen. »Du kannst nun gehen wenn du willst. In der Arena wartet man sicherlich auf dich«, meinte der König abschließend. Nuvak bejahte und verabschiedete sich.
Doch kurz vor der Tür blieb er stehen und drehte sich zu Luzifer um. »Darf ich Euch noch etwas fragen?« Der König nickte. »Es gibt viele Dämonen, die sich fragen, ob Ihr schon etwas über den Verbleib des schwarzen Tempels herausgefunden habt.«
Luzifer schaute ihn betrübt an. »Bedauerlicherweise noch nicht. Meine Kundschafter sind noch immer auf der Suche. Wir werden ihn sicherlich bald finden und nach Iscaeria zurückbringen.«
»Das hoffe ich«, meinte Nuvak und ging. Der Tempel war für die gesamte Unterwelt von großer Bedeutung. Immerhin konnte man nur dort der Göttin Sartana nah sein. Doch es gab noch einen anderen Grund, warum sich so viele wünschten, dass er endlich gefunden wurde. Sie hofften, dass mit dem Tempel auch die Göttin zurückkehrte.
Während der Minotaurus zurück zur Arena ging, ließ Luzifer seine gesamte Dienerschaft antreten. Was Nuvak gesagt hatte, ging ihm einfach nicht mehr aus dem Sinn. Es dauerte eine Weile, bis auch wirklich alle Anwesend waren. Luzifer verlangte zu wissen, warum man seine Untertanen ohne ihn zu fragen einfach abwies. Denn der König war sich sicher, dass Nuvak nicht der Einzige gewesen war. Doch keiner wollte daran Schuld sein. Luzifer war sauer. Er befahl jedem Anwesenden ihm sofort zu melden, wenn seine Untertanen ihn zu sprechen wünschen. Egal wie beschäftigt er auch sei. Jedem der sich dieser Anordnung widersetzte, drohte er mit harter Bestrafung.
Anschließend ging der König wütend in seine streng geheimen Räume, die sich unter dem Palast befanden. Die nächsten Stunden verbrachte er mit seinen Forschungen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top