23| Sartana
»Es hat sich schnell herumgesprochen, dass der Tempel samt Göttin gefunden wurde«, erklärte Luzifer ihnen, nachdem er seine Söhne freudig in die Arme geschlossen hatte.
Offenbar waren die Dämonen sofort hierher gekommen, um die Rückkehr mit eigenen Augen zu sehen. Allerdings nur diejenigen, die die Fähigkeit besaßen, sich zu teleportieren. Alle anderen würden wohl erst in den nächsten Tagen und Wochen hier eintreffen. Was bedeutete, dass sie wohl viele Unterkünfte bereitstellen mussten. Doch der König erklärte, dass er bereits erforderliche Maßnahmen dafür in Planung gegeben hatte.
Als er sich anschließend der versteinerten Göttin widmete, bekam sein Gesicht einen betrübten Ausdruck. Das letzte Mal hatte er Sartana gesehen, als er noch ein Engel war. Sie hatte ihm die Sprache Ucada beigebracht. Hätte sie das nicht getan, wäre er nach seinem Fall ziemlich aufgeschmissen gewesen.
Fast schon zärtlich glitten seine Hände über den rauen Stein. Sehr zu Ninurtas Missfallen. Luzifer schien ihre aufkeimende Eifersucht nicht zu bemerken. Vielleicht ignorierte er es auch einfach. Der König ging ein paar Schritte zurück und ließ ein Zepter erscheinen, welches Astaroth aus seiner Vision kannte. Luzifer richtete ihn auf die Statue. Schwarz violettes Licht erstrahlte und hüllte Sartana ein. Risse entstanden im Stein. Wie bröckelnder Putz brach es ab und rieselte zu Boden. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, fühlte sich aber wie Minuten an, bis der Zauber beendet war.
Sartana war endlich frei. Doch sie schien ziemlich geschwächt, denn sie sackte sofort zu Boden. Luzifer eilte zu ihr und ließ sich neben sie sinken. Auch die anderen trat etwas näher heran. Die meisten von ihnen sahen die Göttin zum ersten mal. Thelia war von ihrer Schönheit fasziniert.
Die Göttin hatte dunkle Haut, auf der ein goldener Schimmer zu liegen schien. Ihre Augen waren grau, genau wie ihre Haare. Die Hörner bogen sich seitlich nach oben und waren im selben Farbton wie ihre Haut. Sartana schien verwirrt und benommen. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie seit über zweitausend Jahren versteinert war. Nur langsam klärte sich ihr Blick. Sie richtete sich vorsichtig auf. Luzifer nahm sie vorsichtshalber in den Arm, um sie stützen zu können. Die Augen der Göttin richteten sich sofort auf ihn. Sie legte ihren Kopf schief und betrachtete ihn. Ihre Hand legte sich sanft auf seine Wange, während sie ein leises »Luzifer« hauchte. Der König nickte lächelnd.
Er half ihr aufzustehen. »Ihr habt es immer gewusst, nicht wahr?«, fragte er Sartana.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, gab sich die Göttin ahnungslos.
»Ihr wusstet, dass mein Vater mich eines Tages verbannen würde. Deswegen habt Ihr mir Eure Sprache beigebracht.«
»Es war von Anfang an dein vorherbestimmtes Schicksal. Wie lange bist du schon König?«, wollte sie lächelnd wissen. Sie hatte es also tatsächlich gewusst, dachte Luzifer. Als er ihr antwortete, konnte sie es kaum glauben. War sie wirklich so lange weg gewesen?
Ninurta kämpfte währenddessen um ihre Selbstbeherrschung. Wie Luzifer die Göttin im Arm hielt, wie er sie ansah, war einfach zu viel für sie. Auch wenn sie wusste, dass die beiden sich schon seit Jahrtausenden kannten. Denn als Luzifer noch Gottes Rechte Hand war, hatte er regelmäßig mit ihr zu tun. Dennoch konnte Ninurta nichts gegen ihre Gefühle tun. Sie wollte nicht eifersüchtig sein. Denn sie wusste, dass sie ihrem Gefährten vertrauen konnte. Und trotzdem ließ sie diese emotion nicht los.
Sartana schien es zu bemerken, denn sie blickte die Meeresdämonin mit einmal Mal besorgt an. Langsam schritt die Göttin auf sie zu. Ninurta wollte sich verneigen, aber wurde daran gehindert. Behutsam legte Sartana ihre Hand unter das Kinn der Dämonin und hob ihren Kopf an, sodass sie gezwungen war, die Göttin direkt anzuklicken.
»Deine Gefährtin?«, fragte sie an Luzifer gewandt, obwohl sie die Antwort bereits wusste. Dieser bejahte. »Sie ist wirklich sehr hübsch, scheint mir aber aus irgendeinem Grund etwas unsicher«, sprach sie weiter. Sartanas Kopf neigte sich zum Ohr der blauen Dämonin. »In ferner Zukunft wird Luzifer etwas tun, dass eure Bindung auf die Probe stellen wird. Aber bedenke bitte, er tut das nur zu deinem und eurer Söhne Schutz. Behalte immer im Kopf, dass es für ihn nichts wichtigeres als dich gibt«, hauchte sie so leise, dass auch wirklich nur Ninurta es hören konnte. Die Göttin sah ihr nun wieder Tief in die Augen. »Versprichst du es mir?« Die Meeresdämonin nickte benommen. Diese Worte werden sie wohl noch Wochen beschäftigen.
Sartana drehte sich noch einmal kurz den anderen zu, ehe sie anmutig zum Ausgang schritt. Zwar hatte sie noch nicht all ihre Kraft zurück, doch sie fühlte sich nicht mehr so schwach. Vor dem Tempel warteten bereits die Erzdämonen. Sie waren noch in Iscaeria geblieben, um ihre Mutter zu sehen. Die Göttin freute sich, dass ihre Kinder wohlauf waren. Es war ein herzliches wiedersehen. Sartana konnte sich kaum noch von ihren Kindern lösen.
Auf der freischwebenden Insel herrschte inzwischen totenstille. Es war ein ehrfürchtiger Moment. Alle Anwesenden Dämonen hatten ausnahmslos eine kniende Haltung angenommen und beugten ihren Häupter gen Boden. Sartana betrat die schwarze Brücke, die den Tempel mit der Insel verband und blieb etwa in der Mitte stehen. Sie hielt eine bewegende Ansprache, in der sie sich auch bei allen Dämonen für ihr fortbleiben entschuldigte.
Luzifer und die anderen bekamen davon jedoch nicht viel mit. Noch immer befanden sie sich im Inneren des Tempels. Der König hatte Ninurta inzwischen in den Arm genommen. Er hatte sofort gespürt, dass etwas nicht stimmte. Seine Gefährtin war besorgt. Doch das warum behielt sie zu seinem Leidwesen für sich. Die ganze Zeit fragte er sich schon, was Sartana ihr gesagt haben könnte. Aber darauf würde er wohl nie eine Antwort finden.
»Luz?«, erklang Ninurtas Stimme flüsternd. Er blickte ihr in die Augen und wartete darauf, dass sie weiter sprach. »Versprichst du mir was?«
»Alles was du willst«, hauchte er zur Antwort. Ihr trauriger Blick schmerzte ihn.
»Versprich mir, dass du, egal was du auch noch so schlimmes anstellst, es mir immer sofort sagst und mir nichts verheimlichst.«
»Ich verspreche es«, sagte Luzifer ehrlich. Innerlich fragte er sich aber, warum sie dieses versprechen verlangte. Er hatte ihr ohnehin immer alles gesagt. Egal was er tat, sie war immer eingeweiht gewesen. Wusste sie von Sartana etwas, dass er selbst noch nicht wusste? Aber ihm war klar, dass er auch auf diese Frage keine Antwort bekommen würde.
Während er in Gedanken versunken war, stupste ihn Ninurta plötzlich ungeduldig an. Als er sie ansah, wirkte sie überglücklich. Doch sie schaute nicht ihn an, sondern etwas hinter ihm. Als Luzifer sich umdrehte, sah er, warum seine Gefährtin sich so freute. Sharon und Thelia lagen sich in den Armen und küssten sich innig. Sie schienen alles andere um sich herum vergessen zu haben. Auch Luzifer freute sich riesig über diesen Anblick. Doch wurde seine Freude getrübt, als sein Blick auf Astaroth fiel. Sein Erstgeborener schien diesen Anblick kaum ertragen zu können. Luzifer gesellte sich zu ihm.
»Du wirst sie auch noch finden«, sprach er aufmunternd zu seinem Sohn.
»Nicht, wenn du mich weiterhin nicht aus der Unterwelt raus lässt«, erwiderte Astaroth düster, fast schon knurrend und ließ seinen Vater damit einfach stehen. Der Prinz schien es plötzlich sehr eilig zu haben, den Tempel zu verlassen. Dialen folgte ihm seufzend.
Luzifer ließ ihn gewähren. Dennoch plagten ihn nun noch mehr fragen als zuvor. Hatte Astaroth in seiner Vision vielleicht gesehen, wer seine Gefährtin war? Wenn ja, war sie ein Mensch oder, was für ihn schlimmer wäre, ein Engel? Auch wenn er Menschen nicht ausstehen konnte, so wäre es ihm doch lieber, wenn sein Sohn mit einer Menschenfrau verbunden wäre. Denn sollte sie ein Engel sein, dann.. Aber diesen Gedanken wollte er lieber nicht zu Ende bringen. Wobei es auch bei einer verbindung zwischen Dämonen und Menschen durchaus große Probleme geben kann. Luzifer blieb wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten.
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