22| Der Tempel

Astaroth lief auf eine scheinbar massive Felswand zu, die von roten Lianen verdeckt war. Überrascht sahen seine Begleiter dabei zu, wie er einfach ohne zu zögern darauf zu lief und darin verschwand. Sie folgten ihm kurz darauf. Allerdings etwas vorsichtiger, da sie nicht wussten, was sie erwartete. Doch als sie hindurch waren, erkannten sie ein langes fensterloses Gebäude. Der schwarze Tempel. 

Äußerlich war die schwarze Wand spiegelglatt. Das Dach lief flach, aber dennoch spitz, nach oben zu. Eine Treppe mit vier Stufen führte zum Eingang. Links und rechts neben dem Tor befanden sich Sockel mit Dämonenstatuen. Sie sahen ein wenig wie Wasserspeier aus. Das Tor selbst war mit bizarren Darstellungen versehen, die man dort hinein geschnitzt hatte. Man erkannte darin die harte, aber doch liebevolle Handarbeit. Denn jede Linie, jede Form war Perfekt ausgearbeitet. Jedes noch so kleine Detail war zu sehen. 

Das Innere des Tempels war düster. Durch die vielen Fackeln konnte man aber dennoch genug sehen. Es gab nur einen einzigen Raum. Die Decke wurde anstatt von Wänden, von den vielen blutroten Säulen abgestützt. Ein breiter Gang führte zum schwarzen Altar, der sich fast ganz hinten im Raum befand. Statuen der Erzdämonen säumten den Weg dorthin. Von jedem Erzdämon gab es je zwei Statuen, die sie in verschiedenen Positionen zeigten. Einmal in aufrechter stolzer Haltung und einmal in kniender demütiger Position. Auch hier waren die detaillierte Handarbeit zu erkennen. Jeder Gesichtszug, war wunderbar zu erkennen. Man könnte fast meinen, sie seien echt, wenn man davon absah, dass sie aus schwarzem Stein gehauen waren. Nur die Sockel, auf denen sie angebracht waren, waren wie die Säulen blutrot. 

Allgemein waren dies die einzigen Farben hier. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass dies die Farben des Königs und damit auch der Unterwelt waren. Links und rechts neben dem Altar befanden sich je eine Statue der Göttin, die ihre Schönheit perfekt widerspiegelte. Doch etwas stimmte nicht. Eigentlich sollten diese beiden die einzigen Statuen von ihr sein. Allerdings befand sich hinter dem Altar eine weitere. Auch das diese nicht schwarz, sondern grau war, wunderte die Dämonen. 

»Wir haben unsere Göttin gefunden«, erklang Astaroth' düstere Stimme. Er blickte dabei grimmig auf die graue Statue. Die anderen blickten ihn jedoch nur verständnislos an. Seufzend erklärte er ihnen, was er in seiner Vision gesehen hatte, aber nur den Teil mit der Göttin und Caacrino. Den Rest behielt er Selbstverständlich für sich. 

»Schön, wie bekommen wir den Tempel jetzt zurück nach Iscaeria? Und vor allem, wie können wir Sartana befreien?«, wollte Dialen wissen, nachdem der Prinz seine Erzählung beendet hatte. 

»Caacrino hat dieses komische Zepter dafür benutzt, allerdings wird uns das nicht weiterhelfen. Immerhin haben wir den erstens nicht dabei und zweitens wissen wir nicht wo der ist«, erwiderte Astaroth nachdenklich. 

»Wenn wir wenigstens unsere Fähigkeiten zurück hätten, könnten wir es damit versuchen«, meinte Sharon. 

»Es ist nicht gerade hilfreich, darüber zu reden, was wir nicht haben«, sprach Gusion gereizt. Endlich hatten sie gefunden, was sie schon so lange gesucht hatten und trotzdem steckten sie nun in einer Sackgasse. Der Schattendämon war einfach genervt. 

»Vielleicht können wir euch helfen«, erklang plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Als sie sich umdrehten, sahen sie sich den Erzdämonen gegenüber. Erst glaubten sie, dass nur vier von ihnen anwesend wären. Doch dann erblickten sie Leraje, die sich hinter Asmodeus und Samahin zu verstecken versuchte. Die Gerüchte sind also wahr, dachte Dialen schmunzelnd. Die Erzdämonin der Luft war für ihre schüchterne Art bekannt. Gesehen hatte sie jedoch kaum jemand. Leraje lebte sehr zurückgezogen und scheute die Öffentlichkeit. 

Als sie Dialens Blick bemerkte hob sie einen ihrer schneeweißen Flügel vor ihr Gesicht, um sich noch mehr zu verstecken. Irgendwie niedlich, dachte Dialen wieder. 

Chronos, dem Erzdämon des Feuers, schien das Verhalten seiner Schwester jedoch nicht zu gefallen, denn er stieß sie mit einem knurrenden »Zier dich doch nicht immer so. Das ist doch lächerlich«, unsanft aus ihrer Deckung. 

Nun fühlte sie sich sichtlich unwohl. Was man auch daran bemerkte, dass sie sich nun gänzlich mit ihren Flügeln verdeckte. 

»Lass sie doch. Muss ja nicht jeder so Arrogant daher stolzieren wie du«, rügte ihn Zantos. Er war der Erzdämon der Erde, wie man auch an seinem äußeren erkannte. Sein brauner Körper sah aus, als wäre er grob aus einem Felsen gehauen. Wurzeln schienen sich um seinen stark muskulösen Körper zu winden. 

»Wenn einer hier arrogant ist, dann ja wohl du«, fauchte Chronos zurück. 

Während Asmodeus nur genervt die Augen rollte, schauten die Gefährten diesem kleinen streitgespräch amüsiert zu. Keiner von ihnen hatte je alle Erzdämonen gleichzeitig zu Gesicht bekommen. Aber das sie so kindisch miteinander stritten, war einfach irgendwie so lustig normal. Das zeigte jedoch auch, dass Brüder einfach Brüder waren, egal wie mächtig und alt sie auch sein mochten. 

Thelia glaubte manchmal sogar kleine Rauchwölkchen zu sehen, die bei Chronos aus der Nase zu kommen schienen, wenn er sich besonders aufregte. Von seiner Statur her war er so ähnlich gebaut wie Zantos. Allerdings war seine Haut rot. Ein gelbes feines, aber dennoch markantes Muster zog sich über seinen Körper. Thelia war fest davon überzeugt, dass sie sich in Sachen körperlicher Kraft ebenbürtig sein würden. 

»Seid endlich still!«, brüllte Asmodeus plötzlich genervt. »Eure Streitereien sind ja nicht auszuhalten.«

Die beiden Streithähne verstummten tatsächlich und murmelten nur noch ein leises »Entschuldigung.« 

Thelia konnte nicht anders, aber sie musste lachen. Wie Chronos und Zantos nun da standen und betroffen drein schauten, hatte etwas skurriles. Sie wirkten wie zwei kleine Kinder, denen man gerade eine Standpauke gehalten hatte. Diese ganze Situation erschien ihr irgendwie absurd.

»Verrätst du mir, was so lustig ist?«, verlangte Asmodeus zu wissen und betrachtete sie streng. 

Die Lamia hörte so abrupt auf zu lachen, dass sie sich fast verschluckte. »Entschuldigt, aber es ist irgendwie seltsam und auch ein wenig verrückt euch so zu sehen«, gab sie kleinlaut zu. 

»Siehst du was du angerichtet hast? Du machst uns lächerlich«, tadelte Zantos wieder seinen Bruder. 

Chronos knurrte und wollte etwas erwidern, als Asmodeus plötzlich ebenfalls lachte. Alle starrten ihn an. Selbst Leraje wagte einen Blick über ihre Flügel zu ihrem Bruder. Es kam sehr selten vor, dass Asmodeus mal lachte. 

»Du hast wohl recht kleine Lamia. Bei diesen Beiden kann wohl wirklich nur noch lachen. Aber stell dir mal vor, du müsstest das Millionen von Jahren ertragen. Da hat man dann nur noch den Wunsch sie in kleine Stücke zu hacken«, lächelte der Erzdämon der Finsternis Thelia an. 

Zantos und Chronos hingegen schauten Asmodeus mit weit aufgerissenem Mund an. »Du willst uns doch nicht wirklich in Stücke hacken oder?«, fragten beide fast gleichzeitig. 

»Keine Sorge, ich habe mir im Laufe der Zeit viele Methoden ausgedacht euch Nervensägen zu töten. Ihr könntet also Glück haben.« Während alle Anwesenden darüber lachen mussten, wirkten die beiden noch schockierter als zuvor. 

»Da habt ihr wohl Glück, dass wir Brüder sind. Ansonsten würde Asmodeus seinen Worten wohl Taten folgen lassen«, sprach Samahin schmunzelnd. 

»Jetzt ist aber genug, wir haben wichtigeres zu tun«, meinte Asmodeus augenrollend. Da konnten seine Geschwister nicht widersprechen. Nachdem Astaroth gefragt hatte, wie sie Sartana befreien konnten, erklärte Samahin ihm, dass nur Luzifer die Versteinerung aufheben konnte. 
Die fünf Erzdämonen stellten sich in einem Kreis auf und schlossen ihre Augen 

Fasziniert beobachteten die übrigen, wie scheinbar Magie aus ihnen heraus floss und sich in der Mitte sammelte. Vor Leraje sammelte sich weißes Licht. Vor Chronos rotes, vor Zantos bräunlich grünes und vor Samahin blaues. Bei Asmodeus war das Licht schwarz wie die Nacht. Die Farben flossen ineinander. Sie verschmolzen zu einer Kugel, die empor stieg und sich immer weiter ausbreitete. Die Wände des Tempels flackerten. Kurz darauf entlud sich die Kugel in einem gewaltigen Blitz und Dunkelheit herrschte anschließend im Raum. 

»Das wäre erledigt«, meinte Asmodeus zufrieden. 

Noch bevor die Gefährten fragen konnte, wie genau er das meinte, waren die Erzdämonen verschwunden. Kurz darauf hörten sie laute Jubelschreie von draußen. Sie waren gerade auf dem Weg hinaus, als Luzifer und Ninurta den Tempel betraten.  

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top