2| Königspalast
Mist verdammter, fluchte Thelia in sich hinein. Sie war so kurz vor dem Ziel. Verzweifelt versuchte sie die beiden Lamia von sich runter zu bekommen, aber sie hatte keine Chance. Die beiden Fesselten ihre vier Hände und zogen sie hoch. Thelia schrie und versuchte mit ihrem Schwanz einen der beiden zu erwischen, doch sie waren sehr erfahrene Kämpfer und wichen mit Leichtigkeit aus. Sie schleiften Thelia an den Armen zurück zur Brücke.
»Was ist hier los?!«, donnerte plötzlich eine dunkle Stimme hinter ihnen.
Die beiden Lamias drehten sich ruckartig um und erstarrten. Thelia nutzte die Chance und riss sich los. Dabei fiel sie direkt vor die Füße des Dämons. Sie hob ihren Kopf und schaute direkt in zwei glühend rote Augen. Die junge Lamia war wie festgefroren. Sie starrte ihn einfach nur ungläubig an. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken, so peinlich war ihr die Situation. Dann schweifte ihr Blick auf einen Jungen in ihrer Nähe. Es war Sharon, der jüngere Sohn des Königs. Er sah sie mit seinen tiefblauen Augen an. Ein kribbeln durchzog ihren Körper.
Sie betrachtete ihn genauer. Er hatte genau wie sein Vater eine menschliche Gestalt angenommen. Doch während Luzifer schwarze Haare hatte, waren die von Sharon Silber. Seine Gesichtszüge glichen aber denen seines Vaters. Er hatte ebenso ein makellose Gesicht wie aus Stein gehauen. Nur schwer konnte sie sich von seinem Anblick lösen. Sie hatte nie einen schöneren Mann oder in dem Fall Jungen, gesehen. Allerdings war sie auch noch nicht viel herum gekommenen, weswegen diese Tatsache kaum eine Überraschung war.
Währenddessen erholten sich die anderen beiden aus ihre Starre und verneigten sich ehrfurchtsvoll.
»Ich hätte gern heute noch eine Antwort«, knurrte Luzifer.
»Verzeiht mein Gebieter, wir wollten sie nur zurück zu unserem Clan bringen«, begann eine zu erklären und zeigte dabei auf Thelia, »sie hat ein schwerwiegendes Vergehen begangen.«
Der finstere Blick des Königs legte sich auf Thelia, die sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte. Sie bemerkte erst jetzt, dass auch Prinz Astaroth anwesend war. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder, war er das Ebenbild seines Vaters. Auch er war in einer menschlichen Gestalt. »Ist das wahr?«, fragte Luzifer sie streng.
»Ich würde sagen das es auf die Perspektive ankommt. Denn ich persönlich finde, dass es mein gutes Recht war, mich den Regeln zu entziehen«, antwortete sie mit fester Stimme. Sie glaubte Luzifer für einen Moment schmunzeln zu sehen. Doch es verschwand so schnell wieder wie es gekommen war, weswegen sie sich nicht sicher war. Dafür sah man seinem jüngeren Sohn umso deutlicher an, dass er versuchte sich ein Lachen zu verkneifen.
»Du hast dich also nur einer Regel entzogen?«, vergewisserte er sich. Thelia nickte. »Welcher?« Eine der anderen Lamia wollte antworten, aber Luzifer würgte sie sofort ab. »Ich habe sie gefragt und nicht dich!«, schrie er. »Also?«, meinte er wieder an Thelia gerichtet.
»Ich bin weggelaufen, weil ich mich weigere mich meinem Vater hinzugeben. Allein der Gedanke daran ist mir zuwider.« Der König bedachte sie mit einem Blick, den sie nicht deuten konnte.
»Wie kannst du es wagen?«, mischte sich eine der beiden Lamias erbost ein, »Du solltest dich besser geehrt fühlen Thelia!«
»Pah, auf diese 'Ehre' kann ich liebend gern verzichten«, gab sie patzig zurück.
Es entbrannte eine lautstarke Diskussion, der Luzifer amüsiert zuhörte. Doch dann wurde es ihm schließlich zu bunt und er brachte sie zum schweigen. »Warum bist du hier Thelia?«
Sie atmete ein paarmal ein und aus, um sich wieder zu beruhigen, bevor sie antwortete. »Ich hatte gehofft Euch in Eurem Palast dienen zu dürfen.«
Der König dachte darüber nach. »Wie gut sind deine Kämpferischen Fähigkeiten?«, wollte er nach einer Weile wissen.
»Ganz gut schätze ich, zumindest hat man mich für meine Fortschritte gelobt«, gab sie zu.
»Nun, wir könnten Wächter im Palast gebrauchen. Allerdings werde ich mir persönlich ein Bild von deinen Fertigkeiten machen. Wenn ich allerdings der Meinung bin, dass du noch Training brauchst, wo ich im Moment von ausgehe, wirst du mir als einfache Dienerin dienen.«
»Moment mal«, mischten sich wieder die anderen beiden ein. »Wir sollen sie zurück zu unserem Clan bringen. Sie muss für ihr Vergehen belangt werden.«
Luzifers Augen glühten rot auf. »Was denkt ihr eigentlich wo ihr hier seid?!«, knurrte er zornig. »Ihr befindet euch auf neutralem Boden. Eure lächerlichen Regeln gelten hier nicht. Ihr könnt eurem Oberhaupt ausrichten, dass Thelia nun unter meinem Schutz steht!«
Alle Beteiligten, allen voran Thelia, starrten ihn überrascht an. Es kam nur sehr selten vor, dass der Herrscher jemanden unter seinen persönlichen Schutz stellte. Ohne ein weiteres Wort wandte Luzifer ihnen den Rücken zu und lief zu seinem Palast. Astaroth befreite Thelia von ihren Fesseln, ehe er zusammen mit Sharon seinem Vater folgte. Nur die drei Lamia blieben wie festgewachsen stehen.
Sharon drehte sich um. »Was ist Thelia? Willst du da den ganzen Tag stehen bleiben?«
»Ähm...«, stotterte sie, »ich komme.« Sie löste sich aus ihrer Starre und schlängelte dem König und den Prinzen hinterher.
»Wir werden ihr noch benehmen beibringen müssen, so respektlos und frech wie sie ist«, flüsterte Astaroth seinem Vater ins Ohr, als er zu ihm auf schloss. Luzifer lachte darauf nur.
Während sie gingen, dachte der König nach. Ihm war Sharons Blick nicht entgangen, als dieser Thelia angesehen hatte. Der König kannte diesen Blick nur zu gut. Das war auch der Grund, warum er sie unter seinen Schutz gestellt hatte. Er war schon gespannt darauf, wie sich das noch entwickeln würde.
Die vier gingen an den zwei Wachen vorbei, die vor dem Haupttor positioniert waren. Im Inneren kam Thelia aus dem Staunen nicht mehr raus.
Sie gingen durch einen langen Gang. Wände, Boden und Decke waren Schwarz. Ein roter Teppich dämpfte ihre Schritte. Statuen standen in Regelmäßigen Abständen auf beiden Seiten. Goldene Lampen hingen an den Wänden. Am Ende des Flures befand sich eine goldene Doppeltür, die zum wohl wichtigsten Raum im Palast führte. Dem Thronsaal. Schwarze Säulen mit goldenen Verzierungen bildeten einen Gang zum Thron. Zwischen den Säulen ragten kleine Flammen empor. Ein schwarzer prunkvoller Thron stand mitten in dem riesigen Raum und stand auf einem dreistufigen Podest.
Das vierer Gespann trennte sich hier. Die zwei Prinzen gingen links durch eine Tür. Luzifer bedeutete Thelia ihm zu folgen. Hinter dem Thron befand sich eine weitere Doppeltür durch die sie liefen. Der König führte sie durch die Flure. Hier und da liefen Diener an ihnen vorbei, die sich vor Luzifer verneigten, ohne von ihm beachtet zu werden. Vor einer weiteren Tür blieb er stehen und öffnete sie. Er ließ die junge Lamia voran gehen. Hinter ihr schloss er wieder.
Der König setzte sich an seinen Schreibtisch aus dunklem massivem Holz. »Setz dich«, befahl er ihr und zeigte auf einen der beiden Sessel, die davor standen. Thelia kam der Aufforderung nach. Mit ihm allein in einem Raum, fühlte sie sich unbehaglich. Seine starke Präsenz erfüllte den ganzen Raum. Er strahlte eine ungeheure Macht aus, die ihr Respekt und auch Angst einflößte. »Also«, begann er, »wie ich vorhin gesagt habe, werde ich mir deine Kampfkünste ansehen. Am liebsten würde ich dafür in die Arena gehen, aber da dort momentan ein Turnier stattfindet ist das nicht möglich. Daher werden wir wohl oder übel auf den Palast eigenen Trainingsplatz zurückgreifen müssen. Ich schlage vor, dass wir dies morgen in Angriff nehmen. Wenn du nichts dagegen hast.« Thelia verneinte. »Gut. Dann kannst du dich nun bis dahin ausruhen. Deine Reise war sicherlich anstrengend.«
Luzifer erhob sich und Thelia tat es ihm gleich. Vor der Tür ließ er nach seinem Diener Belphegor rufen, der kurz darauf angerannt kam. »Das ist Thelia. Sie wird ab sofort hier im Palast leben. Bring sie bitte erst mal in das kleine Gästezimmer, bis wir wissen, welche Position wir ihr zuteilen«, sagte er an Belphegor gewandt und schaute dann zu Thelia. »Ich werde dich morgen früh abholen kommen. Und bevor ich's vergesse, du hast dich von nun an die Regeln hier zu halten. Es versteht sich sicherlich von selbst, dass du mir und meinen Söhnen gehorchen musst.«
»Natürlich, Gebieter«, verneigte sich die junge Lamia. Luzifer nickte zufrieden und ging. Über die Schulter rief er Belphegor noch zu, dass dieser Thelia den Palast zeigen solle. Dann war der König verschwunden.
Belphegor ging voran und sie folgte ihm. Erst zeigte ihr der dürre Dämon, welche Räume sie unter gar keinen Umstand betreten durfte. Es handelte sich dabei um die Privaträume der Königsfamilie. Anschließend zeigte er ihr den wunderschönen parkähnlichen Garten, in dem sich auch ein großzügig angelegte Wasserstelle, welche eine Mischung von Teich und Pool darstellte, befand. Das Wasser darin war Kristallklar. Man konnte die vielen verschiedenen Pflanzen am Grund erkennen. Kleine Fische mit lilafarbenen Schuppen schwammen darin. Ihre hellrosa Schwanzflosse sahen aus wie Schleier.
Thelia vermutete, dass diese Badestelle für die Gefährtin des Königs angelegt worden war. Immerhin war sie eine Meeresdämonin.
Danach zeigte Belphegor ihr die große runde Bibliothek. Meter hohe Regale mit fein säuberlich sortierten Büchern reihten sich aneinander. In der Mitte standen Tische aus dunklem Holz. Dann fiel ihr Blick auf eine Glasvitrine, indem ein Schmuckstück aufbewahrt wurde. Als sie näher heran ging, bemerkte sie, das es sich dabei um das Amulett handelte das Nuvak unbedingt haben wollte. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, wie ich da dran komme, dachte Thelia. Sie hatte Angst davor, den König zu bestehlen. Wenn das rauskäme, würde man sie sicherlich hart bestrafen. Doch sie stand nun mal in Nuvaks Schuld.
Der dürre Dämon zeigte ihr noch die Waffen und Folterkammern, die sich unterhalb des Palastes befanden. Auch die Küche und ein paar Aufenthaltsräume zeigte er ihr. Zum Schluss brachte er sie in ihr kleines Zimmer. Wobei klein weit untertrieben war. Das Zimmer war doppelt so groß wie das, was sie von zu Hause kannte. Ein schönes Himmelbett, ein großer Kleiderschrank, ein Spiegeltisch und eine kleine gemütliche Sitzecke befanden sich darin. Außerdem hatte es noch Zugang zu einem Balkon und einen großzügigen Baderaum.
Nur am Rand bekam sie mit, wie Belphegor das Zimmer verließ und die Tür schloss. Zu gefesselt war sie von der Aussicht, den sie vom Balkon aus hatte. Thelia konnte dem gesamten Garten überblicken. Doch noch etwas anderes zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Prinz Sharon saß mit einem Dämon, der wahrscheinlich sein Diener war, auf einer steinernen Bank am Wasser. Sein Haar war kurz geschnitten und ein paar Strähnen fielen ihm ins Gesicht.
Während sie ihn so anstarrte, wandte er ihr plötzlich den Kopf zu und schaute ihr direkt in die Augen. Sie konnte sein warmes lächeln sehen. Wieder spürte sie das seltsame Kribbeln. Verdammt, er hat mich bemerkt, schoss ihr plötzlich in den Kopf und sie drehte sich mit roten Wangen ruckartig um. Schnell lief sie ins Zimmer zurück und schloss die Balkontür.
Sie überlegte, was sie nun tun sollte. Nach einer Weile beschloss sie erst mal ein Bad zum Entspannen zu nehmen und sich den Schmutz von der Reise abzuwaschen. Ihre Körperbemalung, war schon so gut wie verschwunden. Anschließend polierte sie ihre Rüstung, die ganz staubig war und legte sich dann in das große weiche Bett. Wobei sie ihren Schlangenleib einrollte. Sie dachte über den heutigen Tag nach und auch über das, was ihr morgen bevorstand. Die Aussicht auf einen Zweikampf gegen Luzifer machte ihr ein wenig Angst. Thelia wusste, wie jeder in der Welt, dass er ein ausgezeichneter Krieger war. Er konnte auf eine über Milliarden Jahre lange Kampferfahrung zurückgreifen und hatte darüber hinaus schon große Schlachten geschlagen. Sie machte sich keine Illusionen davon, dass sie ihn besiegen könne, selbst wenn er von seinem magischen Fähigkeiten keinen Gebrauch machen sollte.
Aber vielleicht schaffte sie es dennoch, den König von ihrem können zu überzeugen. Immerhin hatte sie zwei Arme mehr als er. Sie musste nur eine Möglichkeit finden, dies als Vorteil zu nutzen. Mit diesem Gedanken schlief sie ein.
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