2| Geheimes Treffen

Amora ging eine Weile im Garten spazieren. Der Himmel färbte sich langsam in ein wunderschönes rot. Sie ließ sich auf einer Bank nieder, die von Rosenbüschen umgeben war. Während sie in Gedanken versunken da saß, gesellte sich Michael zu ihr.

»Du hättest das nicht tun dürfen«, sprach er und riss sie damit zurück in die Wirklichkeit.

»Ich weiß, es tut mir leid. Aber ich..«, versuchte sie sich wieder zu erklären, wurde aber aufs neue Unterbrochen.

»Schon gut. Ich verstehe das. Außerdem weiß ich, dass du dieses Verbot nicht das erste Mal gebrochen hast. Aber lassen wir das.«

»Ich mache Euch wirklich nur Schwierigkeiten, oder?«, fragte Amora niedergeschlagen.

»Wusstest du, dass Luzifer dich genau deswegen von allen Engeln am liebsten hatte. Er meinte immer, dass es mit dir nie langweilig wird und recht hatte er«, lachte Michael. Es war das erste Mal seit Luzifers Verbannung, dass sie ihn lachen hörte. »Kann ich dich eigentlich mal etwas Fragen?« Als Amora dies bejahte, fuhr er fort. »Glaubst er hasst mich dafür, dass ich ihn aus dem Himmel geworfen habe?« Der Erzengel trug diese Angst seit jeher mit sich herum. Auch wenn inzwischen tausende Jahre vergangen waren, wollte der Schmerz in seinem Inneren einfach nicht aufhören. Wenn er seinem Bruder wenigstens einmal noch in die Augen sehen könnte. Er fehlte ihm so sehr.

»Nein!«, antwortete Amora bestimmt. »Luzifer wäre nie in der Lage Euch zu hassen. Außerdem glaube ich nicht, dass er Euch überhaupt die Schuld daran geben würde. Er wusste, dass der Oberste ihn verbannen würde. Mein Bruder und ich mussten ihm versprechen, dass wir, wenn dieser Fall eintreffen würde, uns um Euch kümmern würden.«

»Verstehe«, erwiderte Michael mit belegter Stimme. Auch wenn Amoras Worte ihm ein wenig Hoffnung gaben, konnte er die Angst nicht abstellen. Er teilte der Seraphim mit, dass sie ihn in drei Stunden zu einem Treffen begleiten solle. Anschließend ging er wieder ins Schloss. Amora hatte noch gefragt, wo es hinging, aber keine Antwort erhalten.

Lange saß sie noch auf der Bank und grübelte. Wenn sie nur endlich einen Weg finden würde, mit Luzifer Kontakt aufzunehmen. Sie wusste, dass Michael nicht wirklich ihren Worten Glauben schenkte. Er müsste es von seinem gefallenen Bruder selbst hören. Aber das war leichter gesagt, als getan.

Drei Stunden später stand sie im Eingangsbereich. Gemeinsam mit Nathanel. Er war genau wie sie ein Seraphim. Nur mit dem Unterschied, dass dieser Michael seit seiner Erschaffung diente. Als Michael sich endlich zu ihnen gesellte, traten sie nach draußen und breiteten ihre Flügel aus. Während des Fluges wollte Nathanel wissen, wohin der Erzengel eigentlich wollte, bekam aber ebenfalls keine Antwort.

Nach einiger Zeit fiel Amora auf, dass sie sich dem Seelental nährten. Ein riesiger Ort, der von Bergen eingekreist war, welche schier in die Unendlichkeit empor ragten. Der einzige Weg hineinführte durch ein Tor. Aber der Eintritt war nur den Todesengeln gestattet. Denn in dem Tal lebten die Seelen der Verstorbenen. Michael landete vor dem gewaltigen Tor. Es war riesig und aus purem Gold.

»Was machen wir hier?«, wollte Nathanel wissen.

»Ich habe hier eine Verabredung«, meinte Michael schlicht. »Passt auf, dass uns hier niemand entdeckt.« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da ging schon das Tor auf.

Ein Engel mit langen schwarzen Haaren und ebenso schwarzen Flügeln stand dort. Silberne Augen blickten die drei freundlich an. Nur anhand des goldenen Schimmerns auf seinen zwei Flügeln, erkannte man, dass er ein Erzengel war. Der Erzengel des Todes. »Am besten tretet ihr ein, dann entdeckt man euch nicht so leicht«, erklang seine dunkle Stimme.

Michael ging als Erstes durch das Tor. Amora und Nathanel folgten ihm zögernd. »Was wolltest du mit mir besprechen Azrael?«, kam Michael gleich zur Sache, nachdem die Pforte hinter ihnen wieder geschlossen war.

»Als ich das letzte Mal in der Hölle war, traf ich auf Luzifer. Er hat mir etwas für dich mit gegeben.« Michael schaute Azrael gespannt an. Auch Amora schaute neugierig zu ihm. Der Todeserzengel holte zwei Schriftrollen unter seinem Gewand hervor. Das Papier war dunkel und wurde von einem schwarzen Band zusammengehalten. Eine Rolle gab er Michael. »Die hier ist für dich. Die andere für Gabriel. Ich würde dich bitten, sie ihm auszuhändigen«, bat Azrael seinen Bruder, ehe er ihm auch das zweite Papierstück in die Hand drückte. Michael versprach sie Gabriel zu bringen.

Die beiden Brüder umarmten sich zum Abschied. Anschließend verließ Michael mit seinen Begleitern dieses Tal und flog zurück zu seinem Schloss. Er bat Nathanel, die eine Schriftrolle sofort zu Gabriel zu bringen. Danach setzte sich Michael vor den Kamin und entrollte vorsichtig das Papier. Amora stand neben ihm und beobachtete jede Regung von ihm. Sie sah, wie Tränen seine Wange hinabliefen. Dann bekam sein Gesicht einen freudigen Ausdruck, ehe er von dem Brief auf blickte. Die Seraphim fragte Michael, was denn drin stehen würde. Er erzählte ihr, dass Luzifer sich bald in die Welt der Menschen begeben würde und sich mit ihm und den anderen treffen wolle.

»Darf ich auch mitkommen?«, fragte sie.

»Natürlich und deinen Bruder werden wir ebenfalls mitnehmen.« Nun freute sich Amora ebenso. Sie würde ihren einstigen Herrn wieder sehen. Die Vorfreude darauf wuchs mit jedem Tag. Doch auch ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit. Denn sie ahnte, dass Luzifer etwas Bestimmtes in die Menschenwelt führte. Amora konnte sich auch schon denken, was es war. Sie hoffte dennoch, dass dieses Treffen ohne schlechte Zwischenfälle verlief.

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Zwei relativ kurze Kapitel, aber die nächsten werden wieder länger 😊

Wie in der Ankündigung bereits erwähnt, werden das die einzigen Kapitel sein, die im Himmel spielen. Ich hab diese Kapitel aber aus einem bestimmten Grund an den Anfang gesetzt. Welcher das war, werdet ihr im Laufe der Geschichte erfahren 😜

Lg, eure Denise S. Winter

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