19| Seltsame Begegnung

Acht Wochen später

Die Düsterebene war ein düsterer Ort. Der Himmel war von dicken schwarzen Wolken verhangen, die immer wieder von roten Blitzen erhellt wurden. Der trockene Boden dagegen war aschgrau und von unzähligen Rissen durchzogen. Jeder Schritt, den sie taten wirbelte dunklen Staub auf. 

Seit Wochen liefen Luzifer und Belphegor kreuz und quer durch die Unterwelt auf der Suche nach den Schattendämonen. Vor einer Woche erfuhren sie dann, dass sie sich wieder im Reich von Asmodeus befanden und Unterschlupf bei einem anderen Dämonen Clan gefunden hätten. Nun irrten sie durch dieses dunkle Gebiet. Sie wussten nicht wo genau sie suchen sollten, doch sie hofften bald eine Spur zu finden. 

Die Stierdämonen waren in der Zwischenzeit mit ihren Verbündeten in der Hölle eingetroffen und trainierten dort mit den anderen. Baal hatte sich derweilen ebenfalls darum gekümmert, dass die Armee größer wurde. Er und Luzifer standen über den schwarzen Spiegel im regelmäßigen Kontakt. 

»Vielleicht sollten wir fliegen um einen besseren Überblick zu bekommen«, zerriss Belphegors Stimme die Stille. 

»Auf keinen Fall«, knurrte Luzifer wütend, »Hier laufen immer noch die Truppen des Königs herum. Wenn wir jetzt fliegen, können wir uns ihnen auch gleich auf einem Silbertablett servieren.«

Daraufhin schwieg Belphegor. Sein Meister hatte sich sehr verändert, seit Ninurta gefangen worden war. Er wirkte unnahbar, was sich auch in seinen kalten Augen widerspiegelte. Dazu kam, dass Luzifer extrem reizbar war. Ein falsches Wort und er befand sich gleich auf hundert achtzig. Anfangs hatte Belphegor noch versucht mit ihm über Ninurta zu sprechen, aber da sein Meister immer wütend reagiert hatte, hatte er es schnell aufgegeben. 

Zu diesem Zeitpunkt ahnten sie noch nicht, dass sie nicht unbemerkt geblieben waren. Weit entfernt hatten große schwarze Kreaturen ihre Witterung aufgenommen. Sie verteilten sich. Dieses mal durften sich die Barghest keinen Fehler erlauben. Sie mussten Luzifer um jeden Preis erwischen. Langsam und im großen Abstand umzingelten sie die Ahnungslosen. Das Rudel kamen ihnen immer näher. Der Kreis wurde enger. Ohne es zu ahnen saßen Luzifer und Belphegor bereits in der Falle. 

Schweigend liefen die beiden durch das Ödland. Urplötzlich hüllte sie schwarzer Nebel ein, der immer dichter wurde. Kurz darauf konnten sie schon keinen Meter mehr weit sehen. Luzifer befahl seinem Begleiter, sich an ihm festzuhalten. Blind irrten sie weiter. In der Ferne erklang ein schauriges Geheul. Luzifer war so abrupt stehen geblieben, dass Belphegor in ihn hinein gelaufen war, was ihm einen bösen Blick einbrachte. Aufmerksam lauschten sie, doch es war wieder komplett still.

Vorsichtig zog Luzifer sein Schwert und setzte sich wieder langsam in Bewegung. Mittlerweile war es so still geworden, dass ihm seine Schritte überlaut vorkamen. Etwas stimmt hier ganz und gar nicht, dachte Luzifer. Kein einziges Geräusch drang mehr an ihre Ohren. Doch er wusste, dass im Nebel etwas tödliches lauerte. Die Gefahr war nahezu greifbar und dann sah er es. 

Unzählige glühend rote Augen blickte sie aus dem Nebel heraus an, aber das war auch alles, was sie erkennen konnten. Die Gestalt der Wesen wurde vom Nebel verschluckt. Trotzdem konnte Luzifer sich denken, zu welchen Kreaturen diese Augen gehörten. Barghests. Er hatte diese riesigen schwarzen Dämonenhunde schon einmal gesehen, als er das letzte Mal in der Düsterebene gewesen war. Die Augen bewegten sich, schienen die beiden zu umkreisen. Doch sie griffen nicht an. Die Situation wurde immer angespannter. 

Weder Luzifer, noch Belphegor wussten, ob sie zuerst angreifen, oder lieber abwarten sollten. Sie entschieden sich für letzteres.

Zwei rote Augen kamen Luzifer langsam näher. Gut zwei Meter vor ihm blieben sie stehen. Der Nebel lichtete sich und allmählich kam die Gestalt des Barghest zum Vorschein. Obwohl dieser Hund keine Anstalten machte anzugreifen, blieb Luzifer vorsichtig. 
Dann geschah etwas, womit er nicht gerechnet hätte. 

'Steck dein Schwert weg, wir werden nicht angreifen', hörte er eine fremde Stimme in seinem Kopf, die offenbar dem Wesen vor ihm gehörte. Ungläubig blickte Luzifer den Barghest an. Er fragte sich, ob er sich das vielleicht nur eingebildet hatte, als die Stimme das verneinte. 

»Du kannst also Gedankenlesen?«, fragte Luzifer fassungslos. 

'Wir können über Gedanken kommunizieren, aber behalte es für dich', mahnte ihn der riesige Hund streng. 

Währenddessen schaute Belphegor verwirrt drein. Er fragte sich, was da vor sich ging. Sagte jedoch nichts. Der Engel antwortete dem Hund, »Ich werde es niemandem verraten. Aber jetzt würde ich gerne wissen, was ihr eigentlich wollt.«

Der Barghest erklärte ihm, dass sie genug von den ganzen Kriegen hatten. Eigentlich war es ihnen zwar egal, was die Dämonen trieben, aber durch die Kämpfe wurden auch ihre Reviere zerstört. Früher wurden die Barghests in Ruhe gelassen. Kein Dämon wagte sich je in ihr Territorium. Es war ihnen ohnehin verboten und jeder hatte dieses ungeschriebene Gesetzt respektiert. 

Doch jetzt war es anders. Ihr Revier war mit unzähligen Leichen übersät, das Blut verunreinigte den Boden und damit auch die Wasserstellen. Die Luft war verpestet. Dazu kam der Lärm von den kämpfen, die dort teilweise immer noch geführt wurden. Die stolzen Dämonenhunde mussten ihre Heimat aufgeben, da ein Leben für sie dort unerträglich geworden war. Die Barghests seien bereit, dieses eine Mal, den Dämonen zur Seite zu stehen. Sie wollten für ihre Heimat kämpfen und Luzifer helfen. Der Hund teilte ihm auch mit, dass sie mit anderen Kreaturen, die ebenfalls die Fähigkeit hatten über Gedanken zu kommunizieren, in Verbindung standen. Dazu gehörten auch die Drachen. 

Luzifer überraschte das Vorhaben der Barghests. Er hätte nie gedacht, dass die Kreaturen der Unterwelt einen solchen Vorschlag machen würden. Mal abgesehen davon schienen sie auch noch sehr intelligent zu sein, was ihn ebenfalls sehr erstaunte. Belphegor schien es genauso zu gehen, nachdem Luzifer ihm die Neuigkeiten mitgeteilt hatte. So etwas hatte es in der gesamten Geschichte der Dämonen noch nie gegeben. Allerdings war die Situation auch noch nie so schlimm wie jetzt. Der Barghest, der offenbar auch der Anführer des Rudels war, schlug vor, Luzifer zu begleiten, während der Rest sich für den Angriff bereit hielt. 

Nachdenklich stimmte Luzifer zu. Das Rudel zog sich zurück und ließen ihren Alpha zurück. Dieser wollte indes, nachdem er sich als Diabolo vorgestellt hatte, von dem Gefallenen wissen, wo sie hin wollten. Luzifer berichtete ihm, dass sie auf der Suche nach den Schattendämonen wären. Sie hatten Glück. Diabolo wusste, dass diese Dämonen sich beim Nachtgebirge versteckten. Zusammen machten sie sich auf den Weg dorthin. 

Zwei Tage später hatten sie das Nachtgebirge erreicht. Das gesamte Gebirge bestand aus scharfkantigen, schwarzem Gestein. Klettern war also unmöglich, da man sich sonst bei jeder Bewegung tief ins Fleisch Schnitt. Doch Diabolo meinte, dass es einen gut versteckten Pfad gäbe, der ins Innere des Gebirges führte. Einige Stunden liefen sie, bis sie den schmalen Weg fanden. Diesem folgten sie ins Innere, bis sie schließlich vor einer kleinen Stadt standen. 
Die Dämonen, die ihrem Alltag nach gingen, hielten in ihren Tätigkeiten inne, als sie die Fremden bemerkten. 

Erschrockene und teils auch ängstliche Blicke richteten sich auf sie. Allerdings galten diese Blicke eher dem Barghest. Zumindest hoffte Luzifer das. 
Zusammen betraten sie die Stadt. Zielstrebig ging der Engel die breite Straße entlang, obwohl er nicht genau wusste, wo er hin musste. Nach einigen Irrwegen fanden sie endlich ein prunkvolles Anwesen. Der hier wohnt, hat sicherlich was zu sagen und kann mir weiterhelfen, dachte Luzifer. 

Bevor er auf das Gebäude zulaufen konnte, hielt Belphegor ihn zurück. »Seid Ihr sicher, dass Ihr da einfach so rein spazieren wollt? Ich glaube nicht, dass die Wachen uns einfach so durch lassen werden.«

»Ein Versuch ist es wert.« Luzifer setzte seinen Weg unbeirrt fort. »Ihr werdet hier warten bis ich zurück bin!«, rief er ihnen noch über die Schulter zu. Kurz darauf war er in dem kleinen Palast verschwunden. 

Belphegor, der mit Diabolo allein zurück blieb, staunte nicht schlecht, als die Wachen seinen Meister tatsächlich einfach so durch gelassen hatten. 

Entweder der Bewohner wusste schon wer Luzifer war und hat ihn deswegen reingelassen, oder es ist eine Falle. Auf letzteres wollte Belphegor allerdings lieber nicht schließen. Sonst wäre nämlich alles, was sie in den letzten Monaten auf sich genommen hatten, umsonst gewesen. Darüber hinaus würde es auch den Untergang der Unterwelt und all seiner Bewohner bedeuten. Nein, Luzifer durfte keinesfalls in die Hände des Feindes fallen. 

Belphegor musste darauf hoffen, dass sein Meister heil aus dem Gebäude heraus kam. 

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