19| Leben Und Tod
Thelia fügte dem Prinzen immer weiter Wunden zu. Sie konnte nicht aufhören damit. Erst als Tief in ihrer Brust einen Schmerz spürte, hielt sie inne »Sharon«, kam es wie ein Hauch über ihre Lippen. Dann erkannte sie, das der Dämon am Boden nicht Sharon war. Nicht sein konnte. Sie sah sich um. Die Stimmen in ihrem Kopf waren plötzlich verstummt. Doch sie dachte nicht weiter darüber nach. Sie wollte einfach nur Sharon finden. Das war ihr einziger Gedanke.
Einige Meter entfernt, entdeckte Thelia Astaroth. Von seinem Schwert tropfte Blut. Wie versteinert schien er da zu stehen. Die Augen vor Entsetzen aufgerissen. Thelia ließ ihren Blick weiterwandern. Vor dem Prinzen lag eine Gestalt. Sharon. Ohne nachzudenken lief sie zu ihm. Ohne den reglosen schwarzen Körper zu bemerken, der genau an der Stelle lag, wo sie zuvor auf den Falschen Sharon eingestochen hatte.
Neben dem jungen Prinzen ließ sie sich nieder. Vorsichtig hob sie seinen Kopf an. Sein Herzschlag ging nur noch schwach. »Was hast du getan?«, wollte sie vorwurfsvoll von Astaroth wissen. Tränen liefen erneut in Strömen über ihr Gesicht.
Langsam löste sich Astaroth aus seiner Starre. »Ich – Ich wollte das nicht«, stotterte er verzweifelt. Schwerfällig trottete er neben seinen sterbenden Bruder und kniete sich neben ihn. Der Blick des Prinzen wirkte leer. Wie hatte er nur so weit gehen können? Schuldgefühle plagten ihn. Mischten sich mit Verzweiflung. Er verstand nicht, wie er so etwas tun konnte.
Kampflärm drang an seine Ohren. Träge hob er seinen Kopf und schaute in die Richtung, aus der er kam. Er sah das Gusion und Dialen gegeneinander kämpften. Ich muss sie aufhalten, dachte er, doch er rührte sich keinen Millimeter. Eine Tonnenschwere Last schien auf seinen Schultern zu liegen und hinderte ihn daran aufzustehen.
Thelia rüttelte immer wieder an Sharon. Flehte ihn an wieder aufzuwachen. Doch es tat sich nichts. Sie weinte unaufhörlich. Das durfte alles nicht sein. Er durfte einfach nicht sterben. Nicht jetzt. Sie sind sich doch gerade erst näher gekommen und schon sollte sie ihn für immer verlieren? Trauer mischte sich mit Wut, welche sich in Hass wandelte. Hass auf Astaroth. Er war Schuld, dass Sharon im Sterben lag. Zornig blickte sie ihn an und stockte. Der Prinz sah weder seinen Bruder, noch sie an, sondern schaute einfach woanders hin. Eine erneute Wutwelle staute sich in ihr auf. Sie wollte ihn anschreien, blieb aber stumm, als sie seinem Blick folgte. Fassungslosigkeit erfüllte sie, beim Anblick der Kämpfenden. »Mach das sie aufhören!«, schrie sie Astaroth kreischend an. »Sie werden sich gegenseitig umbringen, wenn du nichts tust!«
Erst glaubte sie, der Prinz hätte sie nicht gehört. Doch dann sprang er plötzlich auf und lief auf die beiden Dämonen zu. Zuerst schlug er Gusion mit einem kräftigen Fausthieb zu Boden, dann tat er dasselbe bei Dialen. Perplex starrten sie ihn an. Sie schüttelten benommen den Kopf, erst dann wurde ihnen offenbar bewusst, was sie getan hatten. Nachdem Astaroth sich sicher war, dass sie nun wieder Herr ihrer Sinne waren, stapfte er zurück zu seinem Bruder. Dialen folgte ihm kurz darauf.
Ein leises Brummen ertönte. Kurz darauf spürte Thelia, wie Sharon leicht den Kopf bewegte. Ungläubig schaute sie ihn an.» Sharon?«, flüsterte sie leise. Ihre Stimme nicht mehr als ein Hauch. Der junge Prinz kniff die Augen zusammen, ehe er sie vorsichtig öffnete. Erleichtert schlang Lia ihre Arme um ihn und drückte ihn fest an sich, was ihm ein schmerzhaftes »Ahh« entlockte. Sofort ließ sie ihn los und betrachte ihn besorgt.
»Keine Sorge, mir geht's gut, nur die Wunde schmerzt noch«, sprach Sharon mit rauer Stimme und versuchte ein lächeln zustande zu bringen, was jedoch mehr gequält aussah.
»Es tut mir so Leid«, kam es von Astaroth. »Ich hätte dich fast getötet. Ich weiß einfach nicht was in mich Gefahren ist. Ich...«
Weiter kam er nicht, da Sharon ihm ins Wort fiel. »Mach dir keinen Kopf. Wir waren beide nicht wir selbst. Außerdem sollte es dir zu denken geben, dass ich nicht tot bin.«
»Wie meinst du das?«, wollte Astaroth verwirrt wissen. Sein Bruder lachte darauf, was aber schnell in einem husten endete.
»Du hast direkt auf mein Herz gezielt, du idiot. In all den Jahren hast du nicht ein einziges mal dein Ziel verfehlt. Also denk nach. Du hast die Klinge gesenkt, bevor du mich durchbohrt hast, weil du mich niemals töten würdest. Ob du es nun bewusst oder unbewusst getan hast Spielt keine Rolle. Tatsache ist, du hast es getan.« Astaroth dachte darüber nach. Konnte das sein? Hat er sich vielleicht tatsächlich gegen den fremden einfluss gewehrt? In einem Punkt hatte Sharon jedoch recht. Er hatte nie daneben getroffen.
Während er darüber nachdachte, kam Gusion zu ihnen. Sein Blick düster. Seine Aura bedrohlich. Strahlte eine starke Boshaftigkeit aus. Bei jedem von ihnen klingelten die Alarmglocken. Entschlossen trat der Schattendämon auf Thelia zu. Ohne nachzudenken und den Schmerz ignorierend, sprang Sharon schützend vor die Lamia. »Du hast ihn getötet«, fauchte Gusion sie an.
Alle Augen legten sich nun auf Thelia. Sie verstand nicht, was Gusion meinte. »Wen?«, fragte sie daher.
Ein fataler Fehler. Gusion erhob seine Axt, bereit die Lamia in Stücke zu hacken. Bevor er sie erreichte, warfen sich Astaroth und Dialen gleichzeitig auf ihn und fielen mit ihm nach hinten. »Geht sofort von mir runter!«, tobte der Schattendämon. »Sie wird dafür büßen, dass sie Diabolo getötet hat!«
Nein! Thelias Körper verkrampfte. Sie hatte Diabolo doch gar nicht angegriffen, oder? Lia erinnerte sich, dass sie auf den Falschen Sharon eingestochen hatte. Wie in Trance erhob sie sich. Sie schlängelte an den noch immer tobenden Gusion vorbei. Ihre Augen erblickten das schwarze Fell, das verklebt zu sein schien. Als sie dem Körper näher kam, erkannte sie, dass es Blut war. Sehr viel Blut. Unzählige Schnittwunden übersäten den Toten Körper. Die Verletzungen waren Tief. Sharon trat hinter sie und legte ihr eine Hand beruhigend auf ihre Schulter. Sie zitterte. Die Lamia hatte nicht gemerkt, dass es Diabolo war. Sie war zutiefst geschockt über ihre Tat. Wieder einmal rollten Tränen über ihre Wangen. Sharon drehte sie zu sich und nahm sie in den Arm. Ihr Kopf lehnte an seiner Schulter und sie schluchzte unaufhörlich. Trotz seines Schmerzes drückte er sie noch fester an sich und streichelte beruhigend über ihren Körper. Er war froh, dass sie sein schmerzerfülltes Gesicht nicht sehen konnte.
Astaroth und Dialen schafften es indes Gusion ein wenig zu beruhigen. Zwar war er immer noch wütend. Doch er hatte sich soweit im Griff, dass er nicht nochmal auf die Lamia losgehen würde. Er wusste inzwischen auch, dass Sharon und Thelia verbunden waren. Sie aus Rache zu töten und damit auch den jungen Prinzen, war die Sache nicht wert. Der Schattendämon war allerdings selbst überrascht von seiner Reaktion. Jemanden sterben zu sehen, selbst wenn er diesen gut kannte, hatte ihn bisher nie sonderlich gekümmert. Aber in der Zeit, die er mit Diabolo, insbesondere im Labyrinth, verbrachte hatte, hatte sie einander näher gebracht. Er betrachtete den Barghest sogar als Freund. Was für ihn schon ein kleines Wunder war. Das er nun tot war, war für ihn ein Schock. Doch er würde damit Klar kommen, irgendwann. Zumindest redete er sich das ein.
Nach einer Weile setzten sie ihren Weg fort. Keiner sprach ein Wort. Die Stimmung war angespannt und bedrückt. Jeder hing seinen Gedanken nach. Gut eine Stunde brauchten sie, um diesen Ort endlich hinter sich zu lassen. Der Geruch nach Blut war mit einem mal verschwunden. »Ihr habt die Aufgabe des Vertrauens und des Zusammenhalts bestanden. Nun steht ihr vor der letzten Aufgabe. Ich Wünsche euch viel Glück«, erklang die androgyne Stimme. Keiner von ihnen teilte die Aussage des unsichtbaren Wesens. Doch sie sagten nichts dazu.
Obwohl sie sich ausruhen wollten, blieb ihnen dafür keine Zeit. Dunkelheit breitete sich Überall aus. Die Dämonen konnte trotz ihrer Guten Augen rein gar nichts mehr sehen. Orientierungslos setzten sie einen Fuß vor den anderen. Stunden vergingen. Auch wenn sie nichts sehen konnten, Vertrauten sie ihrem Instinkt. Sie ließen sich nicht vom Weg abbringen. Oder vielmehr hofften sie das. Dann endlich sahen sie Licht. Zwar nur schwach, aber stark genug die Dunkelheit ein wenig zu verdrängen. Nach etlichen Minuten traten sie endlich aus der schwarzen Masse heraus. Was sie dann sahen, ließ sie aufs neue staunen.
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