18| Ninurta

Es war dunkel und kalt. Die Luft stickig und es roch modrig. In der Ferne waren qualvolle schreie zu hören. Ninurta wusste nicht, wie lange sie hier schon eingesperrt war. Es konnten schon Tage oder auch nur Stunden vergangen sein. Ihre Handgelenke schmerzte von den Fesseln. Ninurta saß ganz allein in einer kleinen Zelle und wünschte sich ihre Freiheit zurück. Luzifer fehlte ihr und sie wünschte sich, bald wieder bei ihm zu sein. Hoffentlich geht es ihm gut, dachte Ninurta bedrückt.

Auf einmal hörte sie, wie eine schwere Tür aufgestoßen wurden. Laute Schritte ertönten. Vor ihrer Zelle blieben zwei Dämon stehen. »Auf machen«, erklang eine herrische Stimme. Die Tür zu ihrer Zelle wurde augenblicklich geöffnet.

Ein großer Dämon trat ein. Ninurta versuchte ihn in dem schwachen Licht näher zu betrachten. Seine Haut war dunkel blau. Von seinen Beinen bis zu seinen Schultern zog sich eine silberne Tätowierung. Er hatte lange weiße Haare und krumme, silberne Hörner auf dem Kopf. In seiner rechten Hand hielt er einen großen Dreizack.

Die Augen der Dämonin weiteten sich, als sie erkannte, wer der Besucher war. Samahin, der Erzdämon des Wassers. Was will er denn hier?, fragte sie sich. Hinter ihm trat der andere Dämon ein, der im Vergleich zu Samahin mickrig wirkte. »Du kannst gehen, ich will allein mit ihr reden.« Der Dämon verneigte sich und verschwand.

Samahin kniete sich vor Ninurta hin. Er befreite sie von ihren Fesseln. »Du hast dich auf Luzifer geprägt, nicht wahr?«, fragte er sie mit weicher Stimme.

»I - Ich bin mir nicht sicher«, stammelte sie.

»Aber Asmodeus hat es in deinen Augen gesehen.« Er lächelte sie warm an. »Behandelt dich der Engel denn gut?«, stellte er die nächste Frage, worauf sie wieder nur nickte. »Gut, dann komm.«

Er half ihr beim aufstehen und führte sie aus der Zelle raus. Sie gingen einen langen Flur entlang. Ninurta fragte sich, wo er sie wohl hinbringen würde, traute sich aber nicht so richtig ihn danach zu fragen. Angst hatte sie aber keine, da er nichts bedrohliches ausstrahlte. Auch war Samahin, von allen Erzdämonen, der sanftmütigste. Man durfte ihn nur nicht wütend machen, denn dann war er brutal und unberechenbar.

Nach einer kleinen Abzweigung gingen sie eine Treppe hinauf, die aus dem Kerker in Asmodeus' eigentlichen Palast führte. Samahin ging zielstrebig nach links und Ninurta folgte ihm schweigend. Am Ende des Ganges war ein riesiges Tor, welches sie gerade durchschritten. Dahinter befand sich ein Saal, mit einer sehr breiten, prunkvollen Treppe. Weiter hinten im Raum war ein hoher, breiter Kamin, in dem ein Feuer prasselte. Das schien auch die einzige Lichtquelle im Raum zu sein. Im Palast war es genauso düster wie auch schon im Kerker. Aber das war für den Erzdämon der Finsternis wohl auch passend.

Sie gingen die Treppe hoch und durch die dunklen Gänge. Immer wieder bog Samahin in irgendwelche Abzweigungen ab. Bald schon hatte Ninurta völlig die Orientierung verloren. Wenn er mich jetzt hier allein ließ, würde ich niemals wieder aus dem Labyrinth heraus kommen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus.

Nach etlichen Minuten blieben sie vor einer Tür stehen. »Das hier wird für die nächste Zeit dein Gemach sein«, sprach der Erzdämon. Ninurta öffnete zaghaft die Tür und trat in den Raum. Sprachlos blieb sie stehen.

Das Zimmer war riesig. Ein großes Himmelbett stand in der hinteren Ecke und gegenüber davon befand sich breites Wasserbecken, in das unaufhörlich Wasser floss. Langsam ging Ninurta weiter in den Raum rein und erkannte, das sich, ein Stück neben der Tür, eine Nische befand, in der ein rundes Sofa stand. Darauf saß Mara, die Ninurta nun stürmisch begrüßte. Sie war froh, dass es ihrer Freundin gut ging. Die ganze Zeit hatte sie sich gefragt, wo sie war. Umso glücklicher war sie nun, Mara wiederzusehen.

»Da ihr immer noch Gefangene seid, dürft ihr dieses Zimmer auf keinen Fall verlassen«, ertönte plötzlich die dunkle Stimme von Asmodeus. Die beiden Frauen drehten sich erschrocken zu ihm, da sie sein Erscheinen nicht bemerkt hatten.

»Wieso werden wir überhaupt in diesem Zimmer untergebracht? Ich glaube kaum das die Zellen im Kerker überfüllt sind«, wollte Mara nun wissen und sah die beiden Erzdämonen streng an.

»Da hat aber jemand ein vorlautes Mundwerk«, lachte Samahin.

Asmodeus überging das und antwortete auf ihre Frage. »Da hast du Recht, aber ich habe Ninurta ein Versprechen gegeben.« Mara schaute Ninurta neugierig an. »Außerdem habe ich Luzifer mein Wort gegeben, dass weder ihr, noch euch Stierdämonen etwas geschieht.«

»Wie geht es Luzifer?«, platzte Ninurta raus.

»Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, ging es ihm gut. Du brauchst dir seinetwegen keine Sorgen zu machen.« Das beruhigte Ninurta. Sie hatte Angst gehabt, dass er bei dem Kampf schwer verwundet wurde. Jetzt, da sie wusste, dass das nicht der Fall war, fiel ihr ein Stein vom Herzen. »Allerdings bräuchtest du mich das nicht fragen, wenn du dich nur stark genug auf ihn konzentrieren würdest.« Nachdem er das gesagt hatte, verabschiedeten sich die Erzdämonen und ließen die beiden Frauen allein zurück.

Mara zog Ninurta auf das große Bett. Sie wollte unbedingt wissen, was Asmodeus ihr versprochen hatte. Ninurta erzählte es ihr. Nachdem Mara sich von der Neuigkeit erholt hatte, plauderten sie stundenlang über alles mögliche. Es tat ihr gut, endlich wieder jemanden zu haben, mit dem man reden konnte. Zwar sehnte sich Ninurta noch immer nach ihrer Freiheit und nach Luzifer, aber wenigstens war sie nicht mehr allein im Kerker.

Währenddessen zog sich Asmodeus zusammen mit Samahin in sein Arbeitszimmer zurück, wo bereits Zantos, der Erzdämon der Erde, auf sie wartete. Der Erderzdämon saß auf einem Sessel, der vor einem großen protzigen Schreibtisch stand. Sein Körper sah aus, als wäre er aus einem Felsen gehauen worden und wirkte daher wie eine unsauber gearbeitete Statue. Samahin setzte sich neben ihn und Asmodeus setzte sich hinter seinen Schreibtisch.

»Also, worüber wolltet ihr noch mit mir reden?«, begann der Erzdämon der Finsternis.

Seine beiden Brüder wechselten einen Blick, ehe Samahin antwortete »Es ist sehr lange her, das wir Luzifer gesehen haben. Glaubst du, dass seine Macht ausreicht um zu gewinnen?«

»Seine Macht ist sehr groß. Ich würde sagen, dass er mir ebenbürtig ist, was nicht überraschend sein sollte. Doch da der König mächtiger ist, wird er es allein nicht schaffen können.«

»Wenn wir ihm helfen könnten, wäre es also von Vorteil«, warf Zantos mit seiner grollenden Stimme ein.

»Können wir aber nicht«, meine Asmodeus ungehalten, »und das wisst ihr. Aber Luzifer hat schon einen Plan, wie er Caacrino schwächen kann. Dafür müsste er es allerdings irgendwie in seine Nähe kommen.«

»Ach das schafft er schon«, sagte Samahin zuversichtlich. »Aber ich muss dir dennoch widersprechen. Wir können ihm helfen.«

Asmodeus sah seine Brüder fragend an, die beide geheimnisvoll lächelten. »Wie soll das gehen? Wir können nicht direkt gegen den Herrscher vorgehen.« Wut zeigte sich in seinen Augen.

»Jetzt beruhige dich wieder«, redete der Erzdämon des Wassers beruhigend auf ihn ein. »Wir haben uns überlegt im richtigen Augenblick einen Teil unserer Macht auf Luzifer zu übertragen. Auf diese Weise würden wir nicht gegen Caacrino vorgehen und können sicherstellen, dass Luzifer auf jeden Fall gewinnt.«

Lange dachte Asmodeus darüber nach. Schlussendlich kam er zu dem Schluss, dass Samahin recht hatte. Auf diese Weise würden sie ihren Eid nicht brechen. So war der Plan beschlossene Sache. Sie mussten nur noch überlegen, wie sie das anstellen sollten, ohne dafür selbst am Ort des Geschehens zu sein. Doch auch dafür hatten sie bald eine Lösung parat.

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