17| Gott

Astaroth entdeckte einige Menschen, die fleißig auf den Feldern arbeiteten. Manche von ihnen hatten seine Ankunft gesehen, kümmerten sich aber nicht weiter darum. Sie wussten ja, wer und vor allem was er war. Der Prinz hoffte, dass sein Vater sein Verschwinden nicht bemerkt hatte. Denn Luzifer wäre von seinem Vorhaben wenig begeistert. 

Der Prinz breitete seine schwarzen Schwingen aus und flog davon. Er wollte einen Ort finden, weit abseits der Menschen, wo er ungestört mit Gott reden konnte. Irgendwann entdeckte er eine Wiese, eingeschlossen von einem weitläufigen Wald und Bergen. Weit und breit keine Menschen, der ideale Ort. Der Prinz landete und stand unschlüssig herum. Er wusste nicht, wie er Kontakt zu Gott bekommen sollte. Seinen Vater hatte er vor der Abreise schlecht fragen können und auch sonst niemand hätte ihm weiterhelfen können. Dennoch war er einfach gegangen, in der Hoffnung ihm würde schon etwas einfallen. 

Vielleicht funktioniert es, wenn ich mich auf ihn konzentriere, grübelte er und setzte den Gedanken gleich in die Tat um. Astaroth setzte sich im Schneidersitz auf das satte grün und schloss seine Augen. Wie ein Mantra wiederholte er immer wieder im Kopf ein einziges Wort. Gott. Er hoffte, dass er damit auch den richtigen erreichen würde und nicht irgendeiner der vielen Götter hier auftauchte. Geduldig saß er dort eine Zeitlang, ohne das sich etwas tat. Doch mit jeder weiteren Minute schwand seine Hoffnung, dass er auf diese Weise Kontakt zu Gott bekommen würde. Gerade als er den Versuch aufgeben wollte, spürte er hinter sich eine starke Präsenz, die ihn alarmiert herumwirbeln ließ. Auch wenn er Gott selbst gerufen hatte, so war er keines Wegs so dumm und würde ihm vertrauen. Er wusste, dass es für sein Gegenüber ein leichtes wäre ihn zu töten. 

 »Interessant. Ich wurde noch nie von einem Dämon gerufen, aber bei dir wundert es mich nicht«, sprach eine warmherzige Stimme zu ihm, doch die Kälte, mit der Gott ihn ansah, strafte die Warmherzigkeit lüge. 

»Ich will Amora zurück«, entgegnete Astaroth entschlossen. 

 »Und ich kann sie nicht gehen lasse.« Gott verschränkte seine Arme vor der Brust und sah den Prinzen abwartend an. Er wusste, dass er bei diesem Gespräch die Oberhand hatte, genauso wie der Dämon das wusste. »Wieso?«, kam die Frage von Astaroth. 
»Nun«, erwiderte Gott, »ist dir nicht klar, dass Amora ihren Status als Engel verlieren würde, wenn sie sich weiter auf dich einlässt? Oder willst du, dass aus ihr ein gefallener Engel wird, so wie es deinem Vater geschah?« Das letzte sprach er mit einer solchen Kälte aus, dass es dem Prinzen fröstelte. 

 »Bitte, ich muss sie zurück haben. Ich würde alles dafür tun, um sie wieder bei mir zu haben«, flehte Astaroth, auch wenn es mehr als nur ein wenig an seinem Stolz kratzte. Und doch hatte er jedes Wort ernst gemeint. 

Das Gesicht seines Gegenübers hellte sich dagegen für den Bruchteil einer Sekunde auf. Auf sowas hatte Gott nur gewartet. »Es gibt durchaus eine Möglichkeit, wie ihr zusammen sein könnt, ohne das sie zu einer Gefallenen wird.« Als Astaroth wissen wollte, was für eine Möglichkeit es sei, fuhr er fort. »Du könntest selbst zu einem Engel werden, ich könnte dich durchaus zu einem machen. Dann könnten du und Amora ein glückliches Leben führen.«

Astaroth dachte darüber nach. Er wusste, dass er seinen Status in der Unterwelt komplett verlieren und man ihn vermutlich sogar als Verräter ansehen würde, wenn er sich darauf ein ließ. Aber welche alternativen hatte er schon, er musste akzeptieren was Gott wollte. Der Prinz war durchaus bereit, seine Heimat und seine Familie hinter sich zu lassen, wenn er dafür nur mit ihr zusammen sein könnte. 

 »Tu es nicht!«, schrie plötzlich eine Stimme, die ihm bekannt vorkam. Michael war aus dem nichts aufgetaucht und baute sich nun neben Astaroth auf, während er seinen Vater mit wütenden Blicken bedachte. »Ich weiß was du vorhast. Aber du kannst Astaroth und Amora nicht einfach benutzen, nur weil du Luzifer schaden willst!«, sprach der Erzengel weiter. 

»Aber wenn es die einzige Möglichkeit ist«, flüsterte Astaroth leise. Natürlich war auch dem Prinzen klar, dass dies alles nur wegen seines Vaters geschah. Gott hatte Amora sicher nicht ohne Grund erst geholt, als der Seelenbund gefestigt war. 

»Das ist nicht die einzige Möglichkeit. Glaub mir, du wirst sicher noch einen anderen Weg finden, um sie zurückzubekommen«, meinte Michael überzeugt. Vielleicht würde Astaroth das, doch wie lange würde es dauern, bis er einen gefunden hat? Der Prinz fühlte sich wie hin- und hergerissen. Eigentlich hatte er nie vorgehabt ein Engel zu werden, aber für Amora würde er das tun. Doch andererseits, wenn er sich wirklich darauf einlassen würde, hätte Gott dieses Spiel gewonnen oder nicht? Und wollte er wirklich demjenigen, der seinen Vater einst verstoßen hatte, diesen Triumph gönnen? 

 »Sei nicht dumm, Astaroth«, erhob Gott wieder seine Stimme. »Wie lange glaubst du, kannst du es aushalten von ihr getrennt zu sein? Je länger es dauert, umso mehr werden eure Seelen darunter leiden. Willst du ihr das wirklich antun?« Astaroth ballte die Hände zu Fäusten. Natürlich wollte er das Amora nicht antun. Er bemerkte, dass Michael etwas erwidern wollte, doch bevor ein Ton über seine Lippen kam, schrie er schmerzerfüllt auf. Ein Blick auf Gott verriet dem Prinzen, dass er dem Erzengel weh tat. Ohne darüber nachzudenken, wirkte er einen Schutzzauber um Michael, der nun entsetzt die Augen aufriss und keuchend wieder zu Atem kam. Auch Astaroth konnte nicht glauben, dass Gott so weit gegangen war, er hätte den Erzengel töten können. 

 »Ich werde nicht darauf eingehen. Michael hat recht, ich werde eine andere Möglichkeit finden«, meinte der Prinz plötzlich. Es tat ihm weh diese Worte auszusprechen, wusste er doch, dass es nun sehr viel länger dauern konnte, bis er Amora wieder sah. Erst als Gott wutentbrannt mit Michael verschwand, sackte er schmerzerfüllt zu Boden. Sein Herz krampfte sich zusammen, bei dem Gedanken daran, vielleicht mehrere Jahre von ihr getrennt zu sein. Ein verzweifelter Schrei entrann sich seiner Kehle, der überall im Umkreis zu hören war.

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