16| Unruhe
Viele Stunden dauerte die Versammlung. Andras konnte nicht fassen, wie stur die Alten waren. Sie weigerten sich vehement über ihren Schatten zu springen. Das Luzifer ein Engel war, schien für sie ein großes Problem zu sein. Für Andras stellte diese Tatsache jedoch keines dar. Er sah Luzifer als einen von ihnen an. Außerdem war er der Meinung, dass der Gefallenen die einzige Hoffnung für den ersehnten Frieden sei. Kein einziger Dämon war mächtig genug den Herrscher zu stürzen, das wussten auch die Ältesten. Und trotzdem wollten sie sich nicht von einem Engel, der als einziger genug Macht besaß, führen lassen. Langsam bereute er es, den Rat überhaupt zusammen gerufen zu haben.
Andras war zwar der Anführer dieses Clans, aber ihre Regeln besagten, dass schwerwiegende Entscheidungen nur mit Einverständnis der Ältesten getroffen werden durften. Eine Regel die ihnen jetzt vielleicht zum Verhängnis werden würde. Seinesgleichen beherrschten zwar keine Magie, aber waren dafür die stärksten Kämpfer. Was für den Krieg ausschlaggebend sein könnte. Während er den sinnlosen Diskussionen der Ältesten zu hörte, dachte er nach. Wenn Luzifer und er es nicht schafften sie zu überzeugen, könnten es vielleicht die anderen Mitglieder des Clans. Andras nahm Luzifer zur Seite und erzählte ihm von seinem Vorhaben. Er bat den Rat auf seine Rückkehr zu warten. Während Luzifer zurück zu seiner Unterkunft ging, sammelte Andras die anderen Stierdämonen ein und ging mit ihnen zusammen wieder zum Versammlungsraum.
Luzifer gefiel es nicht auf die Entscheidung warten zu müssen, aber er hatte keine andere Wahl. Nachdem er seine Unterkunft erreicht hatte, betrat er den Wohnraum. Ninurta saß zusammen mit Mara am Esstisch, während Belphegor mit zwei Kindern spielte. Ohne ein Wort ging Luzifer hoch in sein Zimmer. Er hatte keine Lust auf Gesellschaft. Der Tag war anstrengend gewesen und er freute sich auf ein bisschen Ruhe. Doch er konnte sich einfach nicht entspannen. Die Ungewissheit plagte ihn. Nervös lief Luzifer auf und ab. Er trat aus seinem Zimmer und rief Belphegor zu sich, der auch sofort kam.
»Was kann ich für Euch tun, Meister?« Luzifer, schloss die Tür und erzählte ihm von den Ereignissen des Tages. Er brauchte jemanden mit dem er reden konnte. »So etwas hatte ich schon befürchtet als wir hier ankamen«, meinte Belphegor nachdenklich, nachdem Luzifer seine Ausführungen beendet hatte. »Wenn wir Glück haben, kann Andras den Rat überzeugen.«
»Und wenn nicht, haben wir ein Problem«, schloss Luzifer den Gedankengang.
»Nicht unbedingt. Die Stierdämonen sind zwar mit die stärksten Krieger, die diese Welt zu bieten hat, aber es gibt Dämonen die sehr starke magische Fähigkeiten haben. Eventuell könnten sie die Kampfkraft, die uns im schlimmsten Fall dann wegfallen würde, einigermaßen wieder aufwiegen.«
»Das Problem ist allerdings, dass wir beides brauchen. Es bringt uns nichts nur Krieger mit starken magischen Fähigkeiten zu haben, wenn sie für den Nahkampf ungeeignet sind. Immerhin greifen wir nicht irgendwas an, sondern den Palast des Herrschers.«
»Da habt Ihr allerdings recht.« Belphegor merkte Luzifers gereizte Stimmung und wechselte daher lieber das Thema. Er fragte seinen Meister, ob er wüsste, wo es als nächstes hingehen solle. Luzifer meinte, dass er danach vielleicht den Schattendämonen einen Besuch abstatten wolle. Als er den Gesichtsausdruck seines Begleiters sah, musste er lachen.
So geschockt hatte er Belphegor noch nie gesehen. Als dieser sich von der Neuigkeit etwas erholt hatte, fragte er Luzifer, ob das sein ernst sei. Und Luzifer meinte es Todernst. Er wusste, wie gefährlich diese Dämonen waren. Ihre Grausamkeit war sogar im Himmel bekannt. Trotzdem wollte er sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Zwar wusste er nicht, wo sie sich aufhielten, aber sie werden die schon irgendwie finden. Ursprünglich lebten sie im Nachtgebirge, aber Baal hatte ihm erzählt, dass sie von dort vertrieben wurden.
Während sie zusammen saßen, klopfte es an der Tür und Andras trat ein. Gespannt sah Luzifer ihn an, »Wie ist es gelaufen?«
»Also, mit Hilfe der anderen, die alle dafür waren sich euch anzuschließen, konnten wir die Ältesten überzeugen.«
Luzifer atmete erleichtert auf. Er hatte fast schon nicht mehr mit einem guten Ausgang gerechnet. Jetzt ging es nur darum, zu überlegen, wie die nächsten Schritte aussehen. Aber auch dafür hatte Luzifer schon einen Plan. Er erzählte dem Dämon, dass sie den Großteil der Armee in der Hölle sammeln wollten. Andras war bereit mit seinen Männern ebenfalls dorthin zu gehen. Doch vorher wollte er noch mit den Verbündeten seines Stammes sprechen und ihnen von Luzifers Vorhaben berichten. Zu diesen gehörten die Wüstendämonen, die Gorgonen und die Achiyaltopa. Mit etwas Glück konnte er sie ebenfalls davon überzeugen sich dem ehemaligen Engel anzuschließen.
Sie besprachen noch einige Einzelheiten, als draußen plötzlich panische Schreie zu hören waren. Sofort sprangen sie auf, stürmten nach unten und gingen vor die Tür. Draußen herrschte Chaos. Überall rannten Dämonen durcheinander. Über den Dächern waren Rauchwolken zu sehen. Luzifer fragte sich, was wohl passiert sei. Er wollte gerade in Richtung des Feuers laufen, als er die Übeltäter erblickte.
»Das sind Schergen des Königs!«, rief Andras aufgebracht.
»Wo sind Ninurta und Mara?«, wollte Luzifer wissen.
»Ich weiß es nicht, als ich vorhin zurück gekommen bin, waren sie schon weg.«
Luzifer befahl Belphegor nach den beiden zu suchen, um sie in Sicherheit zu bringen.
Die Schergen nährten sich bedächtig. Sie konnten die Ausstrahlung des Engels spüren und wussten nicht, was sie nun erwarten würde. Hinter Luzifer und Andras versammelten sich weitere Stierdämonen. Offenbar waren sie bereit zu kämpfen.
Einer der Soldaten blieb einige Meter vor Luzifer stehen. »Erzengel Luzifer, auf Befehl des Königs werdet Ihr aufgefordert uns zu folgen. Solltet Ihr Euch weigern, sehen wir uns gezwungen Euch festzunehmen."
Luzifer konnte nicht anders, er musste lachen. »Denkt ihr wirklich, ihr könntet mich einfach so festnehmen, lächerlich.« Die Verachtung in seiner Stimme war unüberhörbar. Was dachte sich dieser König eigentlich, wollte er mich beleidigen? Als wenn diese schwachen Dämonen irgendwas gegen mich ausrichten könnten, grimmig schaute er sie an.
»Meister!« Belphegor kam angerannt. Völlig aus der puste blieb er vor ihm stehen. »Ninurta und Mara sind beide gefangen genommen worden.«
»Was?!«, schrien Luzifer und Andras gleichzeitig. Fassungslos sahen sie Belphegor an.
Das konnte nicht wahr sein. Luzifer, der sich als erster von der schockierenden Neuigkeit erholte, trat wütend auf die Schergen zu. Er sammelte seine Energie und ließ eine riesige Lichtkugel auf sie zu rasen, die die Dämonen sofort zu Asche verbrannte. Nur einen ließ Luzifer am Leben. Er packte ihn grob und zerrte ihn in Andras Haus. Dort angekommen, ließ er den Dämon in Ketten legen.
Zwei Stierdämonen wurden mit seiner Bewachung beauftragt. Die restlichen Männer folgten Luzifer und Andras. Sie mussten die restlichen Feinde vernichten und die Gefangen befreien.
Die Frauen versuchten derweilen das Feuer im Dorf unter Kontrolle zu bringen.
Außerhalb des Dorfes entdeckten sie ihre Feinde. Sie schienen sich zu versammeln. Offenbar wollten sie den Rückzug antreten, dass mussten sie unbedingt verhindern.
Andras gab seinen Männern den Befehl zum Angriff. Zusammen mit Luzifer stürmten sie los. Ein blutiger Kampf entbrannte. Immer wieder sah Luzifer sich nach Ninurta um, während er einen Dämon nach dem anderen mit seinem Schwert tötete.
Dann entdeckte er sie endlich, ihr Körper war blutüberströmt. Wut packte ihn und ohne lange zu überlegen, lief er zu ihr. Doch kurz bevor er sie erreichte, wurde er von den Füßen gerissen. Ein Dämon hatte ein Kraftfeld gegen ihn geschleudert. Luzifer rappelte sich auf und wollte erneut zu Ninurta laufen, doch es war zu spät.
Vor seinen Augen löste sie sich in Luft auf. Seine Wut mischte sich mit Verzweiflung. Er sank auf die Knie. Alles um ihn herum verblasste. Er starrte nur auf den Fleck, an dem Ninurta noch zuvor gekniet und ihn ängstlich angesehen hatte. Eine bodenlose Leere machte sich in ihm breit. Sein Zorn wuchs ins unermessliche. Er würde sie dafür büßen lassen.
Der Engel stand auf und stürzte sich gnadenlos auf die Dämonen, die ihn in der Zwischenzeit umzingelt hatten. Blitzschnell trennte er dem ersten den Kopf ab, bevor dieser überhaupt reagieren konnte. Die restlichen Gegner reagierten schnell, aber nicht schnell genug. Luzifer durchstieß einem das Herz, einem anderen Schnitt er die Kehle durch. Immer mehr kämpfte er sich in rage, vom Blutrausch beflügelt. Die Reihen seiner Feinde lichteten sich immer mehr.
Auch die Stierdämonen schlugen sich wacker. Die Soldaten hatten kaum eine Chance. Dennoch gab es auf beiden Seiten Verluste.
Halte durch Ninurta, ich werde dich retten, dachte Luzifer entschlossen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top