13| Todesfalle Labyrinth

Sie betraten die schmalen Pfade. Vorsichtig setzten sie einen Fuß vor den anderen. Nur Diabolo sprang mit seinen kräftigen Beinen ab und landete knapp auf der anderen Seite des Abgrunds. 'Du hättest mich auf deinem Rücken mitnehmen können', schimpfte Gusion in Gedanken. 

Lachen schallte in seinem Kopf, 'Das wäre aber geschummelt und auch das würde den Tod bringen'. Der Schattendämon wollte erwidern, dass Diabolo dann eigentlich auch geschummelt hatte, aber behielt es für sich. Wahrscheinlich galten die Regeln dieses Ortes nur für Dämonen und nicht für Tiere. 

Als jeder endlich heil auf der anderen Seite ankam, erblickten sie alle dasselbe. Einen Weg, der durch endlos lange Wänden eingesäumt war. Während der Weg bei Thelia und Sharon geradeaus führte, ging er bei Astaroth und Dialen nach rechts und bei den anderen beiden nach links. Was keiner von ihnen sehen oder gar ahnen konnte, war, dass ihre Wege sie direkt in ein weites Labyrinth führten, aus dem es nur einen Weg nach draußen gab. 

Jeder der Sechs nahm merkwürdig klingende Geräusche wahr. Geheul vermischt mit zwitschern und kreischen, welches sich zu einer grausigen Symphonie vereinte. Mal kam es näher, mal entfernte es sich. Es war schwer zu sagen, was diese Töne von sich gab. War es ein Tier oder sogar mehrere? Kamen die Geräusche von einer einzigen Sache oder kamen sie von mehreren? Keiner von ihnen wusste eine Antwort darauf. 

Sharon und Thelia folgten dem Weg bis es nur noch nach rechts oder links ging. Sie beschlossen nach links zu gehen. Kurz darauf kam schon die nächste Gabelung. Langsam wurde ihnen klar, dass sie in einem Irrgarten waren. Die schrecklichen Geräuschen klangen derweil immer fürchterlicher. Ein neuer Ton kam hinzu. Einer, der sich anhörte als würde schwerer Stein über Stein gezogen werden. Kurz darauf erkannten sie, was dies verursachte. Die Wände des Labyrinths bewegten sich. Wo sich direkt vor ihnen gerade noch ein Durchgang befunden hatte, versperrte nun eine Wand den Weg. Dafür öffnete sich ein neuer. Diesen gingen sie notgedrungen entlang. Doch plötzlich schien der Boden zu beben. Sharon sprang mit Thelia gerade noch rechtzeitig nach vorn, ehe der Boden in die Tiefe stürzte. 

Währenddessen hatte Gusion schon völlig die Orientierung verloren. Er wusste nicht mehr, ob er noch in die richtige Richtung ging oder er wieder auf den Eingang zulief. Diabolo hingegen wusste wo sie lang mussten. Und darüber war Gusion froh. Mit einem mal hörten sie in unmittelbarer nähe das grausige Geräusch. So laut, dass sie sich die Ohren zuhalten mussten. Kurz darauf schob sich eine Wand zur Seite und gab den Blick auf eine monströse Kreatur frei. Dem Schattendämon blieb die Luft weg. 

Das Monster war muskulös und hatte kein einziges Haar am Körper. Das Skelett schien bei dessen zwei Köpfen nach außen gestülpt zu sein. Am Rücken befanden sich lange spitze Knochenplatten. Der Schwanz endete in einer Art Keule. In den orangenen Augen stand pure Mordlust. Zudem verströmte das Wesen den Geruch von Verwesung. Zusammen mit den scharfen Krallen seiner Pranken und den messerscharfen Zähnen erweckte es den Eindruck nur zu einem einzigen Zweck erschaffen worden zu sein. Töten. Die Kreatur bleckte die Zähne. Speichel troff aus seinem Maul und fiel dampfend zu Boden. Säure erkannten Gusion und Diabolo sofort. Mit einem Ruck sprang das Monstrum nach vorn. Mit einer Schnelligkeit, die keiner der beiden diesem Wesen zugetraut hätte, lief es auf sie zu. 

Gusion konnte noch zur Seite springen, doch Diabolo hatte nicht so viel Glück. Die Kreatur prallte mit voller Kraft gegen ihn und schleuderte ihn einige Meter weit gegen eine Mauer. Man hörte Knochen brechen. Schnell zückte der Schattendämon seine große Axt und lief auf Diabolo zu, um ihm beizustehen, denn das Monster schien ihn erneut angreifen zu wollen. Bevor er den Barghest jedoch erreichte, verschoben sich die Wände des Labyrinths und trennte die beiden voneinander. Das Monster kam ruckartig zum Stehen. Ein frustriertes Brüllen drang laut aus seiner Kehle. Kurz darauf richteten sich seine Köpfe auf Gusion. Es hatte sein neues Opfer auserkoren. Der Schattendämon machte sich zum Kampf bereit. 

Auf der anderen Seite des Irrgartens bahnte sich Astaroth mit Dialen einen Weg hindurch. Sie standen vor ganz anderen Herausforderungen. Von allen vier Seiten versperrten ihnen Mauern den Weg. Der einzige Ausgang befand sich im Dach über ihnen. Die Steinplatte hatte sich aus dem nichts über sie geschoben. In der Mitte prangte ein viereckiges Loch. Die beiden Dämonen hätten ihre Flügel benutzen können um dort hoch zu kommen, allerdings waren die Steinwände zu rutschig um dort hoch zu klettern. Und zum durchfliegen war der Durchgang zu schmal. Sie mussten sich etwas einfallen lassen. 

Zusammen besahen sie sich ihr Hab und Gut. Als Astaroth die beiden Dolche seines Leibwächters betrachtete, kam ihm eine Idee. Er breitete seine Flügel aus und flog damit hinauf zum Loch. Vorsichtig versuchte der Prinz die Klinge ins Gestein zu stecken. Dialen beobachtete ihn neugierig dabei. Es funktionierte. 

Astaroth ließ seine Flügel verschwinden und hangelte sich langsam hinauf. »Halte dich bereit«, sagte er an Dialen gewandt, »sobald ich oben bin, schmeiße ich dir die Dolche runter. Ich warte dann auf dich.« 

Dialen tat wie ihm befohlen. Er stellte sich etwas abseits, damit ihn die Klingen nicht aus versehen trafen. Nach einigen Minuten landeten sie auch schon vor ihm auf dem Boden. Der Dämon nahm sie und tat es Astaroth gleich. Kaum war er oben angekommen, als sie beide ein lautes gequältes Brüllen vernahmen. Spätestens da wurde ihnen klar, dass sie und die anderen nicht allein im Labyrinth waren. Lange darüber nachdenken konnten sie aber nicht. Denn kurz darauf bewegte sich wieder alles. Da sie immer noch eingesperrt waren, konnten sie sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen, als sich die Steinplatte unter ihnen zur Seite schob und sich ein dunkler Abgrund auftat. Beide fielen sie zurück in die Tiefe. 

Thelia und Sharon ahnten nichts von den Gefahren, in denen die Anderen steckten. Sie kletterten eine Wand hinauf, um zum Weg zu gelangen, der sich über ihnen befand. Die Lamia war mittlerweile ganz schön erschöpft. Sie hatte das Gefühl schon Stunden hier herum zu Irren. Vielleicht tat sie das auch. Die Zeit verging hier anders, als im Rest der Unterwelt. Oben angekommen, bemerkten die beiden, dass der Weg einer schmalen langgezogenen Höhle glich. Die Decke war mehr als hoch genug um stehen zu können. Doch sie mussten sich seitlich hindurch quetschen. 

Nachdem sie einige Meter hinter sich gebracht hatten, bewegten sich die Wände wieder. Thelia befürchtete schon, sie würden nun von den Wänden zermahlt werden. Doch stattdessen schoben sie sich voneinander weg. Beide atmeten erleichtert auf. Nun war der Gang breit genug, sodass sie nebeneinander her gehen konnten. Gerade als sie das Ende erreichten, hörten sie ebenfalls das schreckliche Brüllen. 

»Verdammt, das hört sich gar nicht gut an«, fluchte Sharon. »Schnell, lass uns weiter gehen.« Dagegen hatte Thelia nichts einzuwenden. Sie sprangen hinab, da es nun unter ihnen weiterging. Staunend sahen sie sich um. Die Wände um sie herum waren rund. Sie standen also in einem riesigen Kreis. In der Mitte waren drei große steinerne Tische in unterschiedlichen größen, die wie zu einem Dreieck aufgebaut waren. Auf allen waren glatt polierte Steine aufgestellt. Die Aufstellung schien ganz zufällig zu sein. 

Thelia entdeckte auf dem niedrigsten Tisch Zwei blaue Lichter. Auf dem Mittelhohem, auf dem als einziger in der Mitte ein Kreis befand, auf dem ein seltsames Symbol eingraviert war, befanden sich insgesamt 4 blaue Punkte und auch einige rote. Auf der höchsten waren keine Lichter. Die Lamia fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Dann fiel ihr jedoch etwas auf. Auf dem Mittelhohem Tisch waren zwei der blauen Lichter in einem Kreis. Genau wie sie und Sharon sich nun in einem befanden. Gab es da vielleicht einen Zusammenhang? 

Sie erzählte Sharon von ihrer Entdeckung. Daraufhin untersuchte er die Tische genauer. »Sieh mal!«, rief er plötzlich aus. Thelia lief zu ihm. Der Prinz zeigte ihr, was er gefunden hatte. Unter den Tischen schienen Hebel angebracht worden zu sein, die man in verschiedene Richtungen schieben konnte. Sharon zog einen davon nach hinten. Die glatten Steine bewegten sich. Gleichzeitig hörten sie hinter sich das typische knirschende Geräusch, wenn sich die Wände bewegten. Da wurde ihnen beiden klar, dass man mit diesen Tischen das Labyrinth kontrollieren konnte. Sie beschlossen den Anderen zu helfen zu ihnen zu kommen. Dann können sie gemeinsam überlegen, wie sie vorgehen sollten. 

Thelia fragte sich jedoch, wieso sich die Wände zuvor schon bewegt hatten. Irgendjemand oder etwas muss hier gewesen sein. Vielleicht der Besitzer der unheimlichen Stimme vom Anfang? Doch auch die Frage, was die roten Lichter bedeuteten, blieb ungeklärt. Es machte ihnen große Sorge, dass ein rotes direkt neben einem der blauen zu sehen war. Sie sahen auch, dass er offenbar von seinem Begleiter getrennt wurde. Der Prinz hoffte, dass es nicht sein Bruder war. Die Sorge wuchs jedoch, als aus dem roten leuchten plötzlich zwei wurden. Doch Sharon hatte eine Idee, wie sie dem in Gefahr geratenen helfen konnten. 

Gusion hatte alle Hände voll zu tun. Dieses Ungetüm kannte kein halten. Nicht ein einziges mal konnte er durchatmen. Doch dann sah er eine Chance. Das Vieh holte mit seiner Pranke aus. Der Schattendämon sprang in die Höhe, stieß sich von dem Bein des Monsters ab und landete gekonnt auf dessen Rücken. Die Kreatur war davon gar nicht begeistert. Es tobte und versuchte Gusion mit seinem Maul zu erwischen, um ihn herunter zu zerren. Doch es half nichts. Der Dämon schlug währenddessen mit seiner Keule immer wieder auf die Köpfe seines Gegners. Er hörte Knochen brechen und Blut spritzte ihm entgegen. Seine Schläge hörten erst auf, als das Monster tot war. 

Mit einem zufriedenem Lächeln stieg Gusion von dessen Rücken. Stolz ging er davon. Doch ein Geräusch hinter ihm ließ ihn innehalten. Langsam drehte er sich um und fluchte. Die Kreatur war nicht tot, stattdessen standen nun zwei vor ihm. Es konnte sich also erneuern und sich dabei Klonen. Der Schattendämon wusste, dass er gegen zwei keine Chance hatte. Einer hatte es ihm ja schon schwer gemacht. Also drehte er sich um und lief, so schnell er konnte, davon. Aber die Biester waren schnell. Nach nur wenigen Metern hatten sie ihn eingeholt. Ein Maul schnappte nach ihm und erwischte seinen Arm. Es schleuderte Gusion davon, wobei sein Arm abriss. Ein Schmerzensschrei drang aus seiner Kehle, das weit durch das Labyrinth hallte. 

Die beiden Kreaturen setzten zum Sprung an. Gusion schloss mit seinem Leben ab. Doch gerade als die Bestien sich abstießen, verschob sich der Irrgarten wieder. Eine Wand schob sich vor den Dämon. Er hörte das dumpfe aufprallen der Monster und wieder gaben sie ein frustriertes Brüllen von sich. Währenddessen atmete Gusion erleichtert auf. Er hatte nochmal Glück gehabt. Dennoch wollte er so schnell wie möglich hier weg. Er nahm seinen abgetrennten Arm und hielt ihn an den übrig gebliebenen Stumpf. Sofort Verband sich sein Körper mit dem Körperteil. Wie alle Dämonen hatte auch er starke selbstheilungskräfte. Da dies keine magischen Kräfte, sondern eine natürliche Eigenschaft des Körpers war, funktionierten sie auch weiterhin. Allerdings würde es dennoch eine Weile dauern, bis er den Arm wieder voll einsetzen konnte. 

Gusion lief immer weiter. Er hatte das Gefühl, als würde das Labyrinth nun ständig in Bewegung sein und ihn in eine bestimmte Richtung lenken. Seine Vermutung verstärkte sich, als er plötzlich Diabolo gegenüber stand. Auch wenn er es nicht zu gab, er war froh den Barghest heil wiederzusehen. Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort

Währenddessen hatten Astaroth und Dialen ganz andere Probleme. Sie saßen fest, schon wieder. Doch diesmal war es schlimmer. Um sie herum war nichts als Dunkelheit. Mehrmals hatten sie die Wände und die Decke abgetastet, vergebens. Nun saßen sie, Rücken an Rücken nebeneinander und warteten, dass sich die Wände erneut bewegten. 

Dann spürte Astaroth etwas. Nur kurz wie eine unbedeutende Berührung. Hatte er sich das nur eingebildet? War etwas mit ihnen im Raum? Dialen hingegen schien nichts dergleichen zu spüren. Der Prinz spannte sein Sinne an. Da, schon wieder. Die Berührung streifte seine Hand. Er stand auf und zog seinen Leibwächter mit. Astaroth durfte Dialen nicht loslassen, sonst würde er ihn sicher verlieren. Erneut konzentrierte er sich. Und wieder konnte er es spüren. Er wusste was es war. Ein Luftzug. Das hieß, dass es hier doch einen Ausweg gab. 

Doch ehe er dies überprüfen konnte, setzten sich die Wände in bewegung. Ein helles Licht drang urplötzlich zu ihnen herein. Beide schlossen sie instinktiv die Augen. Es dauerte, bis sich ihre Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten. Doch was sie dann sahen, ließ sie innerlich jubeln. Ein Weg nach oben. Sofort rannten sie los, aus Angst der Weg könne sich wieder verschließen. Oben angekommen liefen sie den Weg vor sich entlang. 

Sie hielten erst, als sie vor sich eines der Monster erblickten. Doch dann trennte sie eine Wand von diesen ekelerregenden Wesen und sie liefen weiter. Wann immer sie einem weiteren Monster begegneten, wurden sie vom Labyrinth gerettet. Das Ganze kam Astaroth ziemlich seltsam vor. Er hatte das Gefühl in eine Falle zu laufen, doch die Vorahnung einer Gefahr blieb aus. Sie bogen um eine Ecke und kamen in einen Kreis. Vor ihnen standen Thelia und Sharon. Die beiden Brüder fielen sich freudig in die Arme. 

Kurz darauf kamen auch Gusion und Diabolo hinzu. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top