13| Der Krieg

Es war noch Nacht, als Luzifer aufstand. Er überlegte, ob er rüber zu Ninurta gehen solle. Der Engel wollte endlich mehr über sie erfahren, also beschloss er, sie in ihrem Zimmer aufzusuchen. Luzifer zog sich an, ging zu ihr rüber und trat, ohne anzuklopfen, ein. 

Ninurta saß am Fenster, richtete sich aber auf, als sie ihn bemerkte. Sie trug ein weißes kurzes Kleid, das ihre Figur betonte und je nach Lichteinfall leicht in verschiedenen Farben schimmerte. Der Anblick gefiel ihm. 

Er setzte sich auf ihr Bett. »Setz dich bitte, ich möchte mit dir sprechen.«

Sie kniete sich vor ihm auf den Boden. »Worüber?«, fragte sie ihn und sah ihn erwartungsvoll an.

Mühsam löste Luzifer seinen Blick von ihrem Ausschnitt, der die Ansätze ihrer Brüste perfekt betonte. »Ich möchte, dass du mir etwas über dich erzählst«, bat er sie. 

Ninurta überlegte eine Weile, ehe sie ihn antwortete. »Wir Wasserdämonen waren mal die mächtigsten Dämonen in Zeožiaen. Die Fähigkeiten Wasser zu kontrollieren und es gefrieren zu lassen, habt Ihr ja schon gesehen. Darüber hinaus besitzen wir auch die Kraft der Heilung.«

»Erzählst du mir auch etwas über deine Vergangenheit?«, fragte Luzifer sie. Sie antwortete nicht. Er spürte, dass sich die Dämonin sträubte ihm davon zu erzählen. »Du kannst mir Vertrauen«, versicherte er ihr. 

Sie sah ihm lange mit ihren blauen Augen an. »Vor ein paar Jahren ließ der König uns verfolgen, weil wir uns ihm nicht ergeben wollten.«

»Ja, das hat Belphegor mir schon erzählt.«

»Hat er Euch auch erzählt, warum er uns versklaven wollte?« Der Engel verneinte. »Ihr habt aber sicherlich schon davon gehört, was es mit einem Seelenbund auf sich hat, oder?« Als Luzifer dieses mal nickte, fuhr Ninurta mit trauriger Stimme fort. »Ein Seelenbund allein ist schon etwas besonderes, doch bei meiner Art wirkt sich das ganz besonders aus. Durch dieses Band erlangen wir die Fähigkeit uns zu teleportieren. Allerdings können wir das dann nur, wenn wir spüren, dass unser Seelenverwandter in Gefahr ist. Wir sind durch dieses Band aber auch gezwungen jedem Befehl desjenigen bedingungslos folge zu leisten. Der König wollte das zu seinem Vorteil nutzen.«

»Gehe ich recht in der Annahme, dass er versuchen wollte ein solches Band zu erzwingen?«, wollte Luzifer wissen.

»Er wollte es nicht nur versuchen, er hat es auch geschafft«, stimmte sie zu. »Der König hat einen sehr alten und mächtigen Zauber gefunden, der das möglich macht. Funktioniert aber nur bei denen, die ihren Seelenverwandten noch nicht gefunden haben. Er hat ihn auch bei meiner Schwester angewandt. Sie musste...« Ihre Stimme brach und Tränen liefen ihre Wangen hinab, als sie daran zurück dachte.

Luzifer ging Augenblicklich zu ihr und nahm sie in die Arme. Es brach ihm das Herz sie weinen zu sehen. »Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht möchtest.«

Doch die schöne Dämonin wollte, dass er es weiß. Immerhin hatte er ihr auch von seiner Vergangenheit erzählt. »Sie musste ihm als seine Sexsklavin dienen. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und brachte sich um«, nun brach sie vollends in Tränen aus. Der Schmerz über den Verlust ihrer Schwester war noch immer nicht verheilt und würde es wahrscheinlich auch nie. Ihre Eltern waren schon getötet worden, als Ninurta noch sehr klein war. Sie hatte keine Erinnerung mehr an sie. Ihre Schwester hatte sie aufgezogen. Sie zu verlieren war für Ninurta das schlimmste gewesen was sie je hatte durchmachen müssen.

Nachdem Ninurta sich etwas erholt hatte, erzählte sie weiter, dass sie früher noch mit Respekt und Ehre behandelt worden seien. Aber seit Caacrino an der Macht ist, hatte sich das schlagartig geändert. Nur Erzdämon Samahin, der die Meeresdämonen erschaffen hatte, versuchte so gut es ging, die wenigen, die es noch gab, zu beschützen. 

Luzifer verstand jetzt, warum sie ihm das nicht sofort gesagt hatte. Langsam aber sicher fing er an diesen Herrscher zu hassen. Er konnte einfach nicht verstehen, wie ein König sein eigenes Volk so behandeln konnte. Ja, wenn ich auf dem Thron sitze, wird sich einiges ändern, dachte er wütend. 
Doch eine Frage beschäftigte ihn noch. Er hätte gerne gewusst, ob sie eine solche Bindung schon zu jemandem gehabt hatte, traute sich aber nicht sie danach zu fragen. Seltsamerweise hatte er Angst vor der Antwort. 

Er hob Ninurta auf die Arme und legte sich mit ihr auf das Bett. Er nahm sie fest in den Arm. Die Dämonin kostete diesen Moment voll und ganz aus. Allein seine Nähe reichte aus, um ihr Trost zu spenden. Die restliche Nacht blieben sie einfach still so liegen und genossen die Nähe des jeweils anderen. 

Gut vier Stunden später stand Luzifer auf. Der heutige Tag würde anstrengend werden. Er hatte den Echsendämonen versprochen, sie bei Tagesanbruch abzuholen. Also nahm er zuallererst Kontakt mit Adi auf und befahl ihm, dafür zu sorgen, dass sein Clan sich so schnell wie möglich an einem Punkt sammeln sollen. Adi kam der Aufforderung sofort nach. Keine fünf Minuten später stand Luzifer schon im zerstörten Dorf, umgeben von unzähligen Echsendämonen. Sie stellten sich alle eng zusammen und eine Sekunde später waren sie schon in Hölle. 

Baal staunte nicht schlecht, als er diese Masse von Dämonen auf dem Platz vor seinem Palast sah. Das ist doch ein guter Anfang, dachte er zuversichtlich. Luzifer stellte dem Höllenfürst Adi vor und zusammen überlegten sie sich einen Trainingsplan, der speziell auf die Fähigkeiten der Echsendämonen angepasst war. Nachdem sie alles besprochen hatten, machte Adi sich sofort an die Arbeit. Er teilte den stärksten seines Clans mit, wie sie die anderen auf den bevorstehenden Krieg vorbereiten sollten. 

Währenddessen brachte Baal Luzifer auf dessen Wunsch hin zum Nachtgebirge. Hier hatte der Krieg erst vor zwei Tagen geendet. Luzifer war schockiert von dem was er zu sehen bekam. Der Boden war von Blut durchtränkt. Dementsprechend hing auch der typische metallene Geruch in der Luft, vermischt mit dem Gestank nach Verwesung. 

Überall lagen verstümmelte Leichen. Manche Leiber waren so stark in Stücke gerissen worden, dass man die Körperteile nicht mehr als solche erkennen konnte. Aus anderen Körpern hingen die Organe heraus, oder wurden gänzlich herausgerissen und achtlos weggeworfen. Der Anblick war wirklich fürchterlich. 

Luzifer konnte nicht sagen, wie viele Tote hier lagen. Es schienen zigtausende zu sein. Wenn die Kämpfe überall solche Ausmaße annahmen, sieht es wirklich übel für dieses Reich aus, dachte Luzifer missmutig. Eines war dem Gefallenen jetzt mehr bewusst als zuvor. Der König musste so schnell wie möglich gestürzt werden, wenn die Unterwelt nicht ganz untergehen wollte. 

»Wir müssen auf der Stelle verschwinden«, flüsterte Baal plötzlich neben ihm. Zuerst dachte Luzifer, dass Soldaten des Herrschers noch hier rumlaufen würden. Doch als er in die selbe Richtung wie Baal blickte, erkannte er einen fast undurchdringlichen Nebel, aus denen glühend roten Augen starrten.

»Was sind das für Wesen?«, fragte er Baal. 

»Dämonenhunde, man nennt sie Barghest. Es sind unzähmbare aggressive Wesen, die teilweise über magische Fähigkeiten verfügen. Wir sollten es lieber nicht auf einen Kampf mit ihnen ankommen lassen.« Luzifer konnte sich zwar nicht vorstellen, dass diese Tiere eine so große Bedrohung darstellten, aber er vertraute Baals Urteil. Zusammen teleportierten sie sich zurück in dessen Palast. 

Dort angekommen, suchte Luzifer nach Belphegor. Er fand ihn einige Zeit später in der großen Bibliothek vor. Hohe Regale, die bis an die Decke reichten, waren mit den unterschiedlichsten Büchern vollgestopft. Belphegor saß in einem der beiden Ohrensessel, die vor einem breiten Kamin standen und blätterte in einem Buch. Luzifer ließ sich auf dem anderen Sessel nieder. 

»Wir werden als nächstes in die Steinwüste reisen«, verkündete er.

Überrascht schaute Belphegor von seinem Buch auf, »Ich dachte, Ihr wolltet zuerst ins Nachtgebirge?«

»Dort war ich gerade. Was ich dort gesehen habe, hat mir bewusst gemacht, dass wir keine Zeit verlieren dürfen. Ich werde allerdings die Zeit hier nutzen um mir ein paar Kenntnisse über bestimmte Dinge anzueignen.« Luzifer wollte nicht sagen, was genau er damit meinte. »Ich denke, mehr als eine Woche sollten wir nicht hier bleiben.« Belphegor stimmte dem zu.

Was in diesem Moment weder Baal noch Luzifer ahnten war, dass ihre plötzliche Flucht aus dem Nachtgebirge ein Fehler gewesen war. Denn wären sie dort geblieben, hätte sie etwas wichtiges bemerkt. 

Die Barghests dagegen schäumten vor Wut. So nah waren sie Luzifer gekommen und hatten ihn doch entwichen lassen. Der Alpha des Rudels tobte. Ein solcher Fehler durfte ihnen unter keinen Umständen wieder passieren. 

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