10| Luzifers Befürchtung Wird Wahr

Ein paar Tage später 

 »Diese verdammte Göttin! Ich fasse es nicht, dass sie meine Schöpfung verflucht hat«, schrie Luzifer wütend, während er aufgebracht im großen Saal hin und her lief. Ištar hatte mit einem Zauber dafür gesorgt, dass alle verwandelten Blutsauger bei Sonnenlicht verbrannten, sodass sie nur noch bei Nacht umherziehen konnte. Samael war davon ausgenommen, da er erschaffen und nicht verwandelt wurde. Genau wie der erste Wolfsmensch, wie Luzifer diese Wesen inzwischen nannte, von dem Fluch auf seine Art ausgenommen war. 

»Was hast du erwartet? Dass sie es einfach so hinnehmen würde?«, erwiderte Astaroth gelangweilt. 

 »Natürlich nicht. Trotzdem hätte sie nicht zu einem solchen Mittel greifen müssen.«

»Und was hast du jetzt vor? Willst du mit einem weiteren Fluch antworten?« 

 »Wenn ich das tue, spricht sie ebenfalls wieder einen Fluch aus und wir würden uns ewig im Kreis drehen, bis nicht nur ihre, sondern auch meine Geschöpfe vernichtet sind. Nein, ich muss mir etwas anderes überlegen«, meinte Luzifer nachdenklich. 

Während er grübelte, drang eine zierliche Gestalt in den Saal ein, die sich unverhofft in Luzifers Arme warf. Völlig überrumpelt starrte er auf den blonden Schopf des Wesens. Ninurta, die sich während dem Gespräch zwischen ihrem Gefährten und ihrem Sohn im Hintergrund gehalten hatte, verkrampfte sich augenblicklich, als sie die fremde Frau in seinen Armen sah. Doch ihre Eifersucht keimte erst richtig auf, als Luzifer seine Arme ebenfalls um sie schlang und sie an sich drückte. Währenddessen kam Gusion hereingelaufen, gefolgt von einem weiteren Unbekannten. 

 »Verzeiht mir Meister, sie ist einfach an mir vorbei gestürmt. Ich konnte sie nicht mehr aufhalten«, entschuldigte sich Gusion. 

 »Amora! Was tust du denn da?«, rief der Unbekannte, ehe Luzifer etwas sagen konnte. Die fremde Frau löste sich augenblicklich von ihm und murmelte eine leise Entschuldigung. 

Der König lächelte sie jedoch nur warmherzig an. »Du musst dich nicht entschuldigen Amora, ich bin sehr froh, dich wiederzusehen. Und dich natürlich auch Camael«, meinte er noch immer lächelnd an Amoras Zwillingsbruder gewandt. 

 »Wir sind auch sehr froh darüber Euch wiederzusehen, Herr«, kam es von Amora. 

 »Seid ihr allein gekommen? Wo sind meine Geschwister?«, wollte Luzifer von den beiden Engeln wissen. Die fragenden Blicke der anderen ignorierte derweil. 

 »Sie sind auch hier auf der Erde, aber sie können nicht zu Euch. Etwas hindert sie daran auch nur in Eure Nähe zu kommen«, antwortete Camael ihm. 

 »Wir vermuten, dass Gott sie daran hindert, deswegen hat Michael uns zu Euch geschickt«, fügte Amora abschließend hinzu. 

 »So etwas hätte ich mir denken können«, meinte Luzifer frustriert. Dass sein Vater ihn von seinen Geschwistern fernhalten wollte, ging für ihn gar nicht. Er musste einen Weg finden, zu ihnen zu gelangen. »Das hier ist übrigens Ninurta, meine Gefährtin«, begann er die anderen vorzustellen. »Und das ist mein Erstgeborener Astaroth.« Als er den Ausdruck im Gesicht seines Sohnes sah, stockte er, was sonst keiner zu bemerken schien. 

Astaroth kam indes die ganze Szenerie so vor, als würde sie sich in Zeitlupe abspielen. Er hatte Amora sofort erkannt, schon bevor er ihr Gesicht gesehen hatte. Das war sie also, seine Gefährtin, nach der er schon so lange gesucht hatte. Endlich hatte er sie gefunden. Der Prinz betrachtete sie intensiv, während sie mit anmutigen Schritten auf ihn zuging. Ihre Schönheit und ihr bezauberndes lächeln raubte ihm fast den Atem. Sie betrachtete ihn nicht weniger fasziniert. Vor ihm neigte sie leicht ihr Haupt, um ihm Respekt zu erweisen, was er jedoch sofort unterband, indem er ihr Gesicht mit seiner Hand sanft anhob. Er wollte nicht, dass sie sich vor ihm verneigte. Nein, sie nicht. Ein angenehmes prickeln breitete sich auf seiner Haut aus. Sie so nah bei sich zu haben war eine wohltat für seine Seele. Am liebsten hätte er sie in seine Arme gezogen und sie feste an sich gedrückt. Aber er hielt sich wohl weißlich zurück. 

Seine Berührung und der intensive Blick seiner dunklen Augen lösten ein Kribbeln in Amora aus und ein angenehmer Schauer jagte über ihren Körper. Astaroth bemerkte, dass ihr diese Berührung zu gefallen schien, denn sie senkte entspannt die Lider. Ihm entging aber auch nicht, dass sie ihre Empfindung verwirrte, da sie plötzlich wieder ihre Augen aufriss und leicht vor ihm zurückzuckte. Sofort ließ er von ihr ab. Im Gegensatz zu ihm, konnte sie nicht wissen, was das zu bedeuten hatte und er wollte nicht, dass sie sich damit überfordert oder sich sogar von ihm bedrängt fühlte. 

Auch Luzifer entging der intime Moment zwischen den beiden nicht, wenngleich er nur ein paar Sekunden anhielt. Seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich in diesem Augenblick. Bisher hatte er gehofft, dass die Gefährtin seines Sohnes ein Mensch wäre, auch wenn ihm eine Dämonin lieber gewesen wäre. Aber das sie tatsächlich ein Engel war, kam für den König einer Katastrophe gleich. Er wusste sofort, dass dies nicht gut gehen würde, nicht gut gehen konnte. Auch wenn er sich eigentlich für seinen Sohn freuen sollte, so konnte er es nicht. Denn er ahnte, dass die beiden einen langen und steinigen Weg vor sich haben werden. Welche Schwierigkeiten ihnen bevorstehen und inwieweit dies Konsequenzen nach sich ziehen würde, konnte aber auch er nicht vorher sagen. Luzifer dachte an Sharons Vision und befürchtete daher das schlimmste. 

Amora konnte derweil ihren Blick nicht von Astaroth lösen. Ihr innerstes schien vollkommen in Aufruhr zu sein, nur weil sie sich in seiner Nähe befand. Als er ihr so tief in die Augen gesehen hatte, glaubte sie beinahe sich in seinen dunklen, die so sanft wirkten, zu verlieren. Nachdem er sich von ihr gelöst hatte, fühlte sie sich so seltsam leer, sodass sie sich am liebsten direkt in seine Arme geworfen hätte, nur um dieses kribbeln wieder zu spüren. Doch sie entsann sich eines besseren. Was hatte das nur zu bedeuten? Was waren das für seltsame Empfindungen? Sowas hatte sie nie zuvor gespürt und sie glaubte für ein Sekundenbruchteil, dass er sie mit einem Zauber belegt habe. Aber dann erinnerte sie sich daran, dass er immerhin Luzifers Sohn war und bestimmt nicht so etwas tun würde. Doch konnte sie sich da wirklich sicher sein? Sie war noch nie so richtig einem Dämon begegnet, sondern kannte nur die Erzählungen von anderen Engeln über diese Wesen. Und die waren alles andere als gut. Egal wie sehr Amora auch darüber nachdachte, sie wusste nicht, ob sie dem Prinzen Vertrauen sollte. Sie beschloss daher bei ihm extrem vorsichtig zu sein, sie musste ihn irgendwie auf Abstand halten. 

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