Die Versammlung vor dem Unheil (3)

Statt einem komfortablen Doppeldecker Landschiff, wartete Fräulein Alevtina, Mariannes Klassenlehrerin, vor dem Eingang der Schule.
Hinter ihr stand Professor Cehei, der Klassenlehrer der 8a.

Er war ein mürrischer, moosbedeckter Walddämon, der nur noch drei Jahre bis zur Rente hatte, und praktisch dafür lebte, diese zu erreichen. Ursprünglich hatte er in der großen Blattmacht-Universität auf Pappel unterrichtet, aus der man ihn aber herausgeworfen hatte, weil er für die Demokratie plädiert hatte. Pappel war eine stolze Junta, eine Militärdiktatur.

Von diesem rebellischen Eifer des Professors war aber schon lange nichts mehr zu spüren. Cehei war träge und ständig genervt.

Einige Schüler hatten sogar das Gerücht gestreut, er hätte nie solche Reden gehalten und sei nur geflogen, weil er bei der Militär Führung Pappels einen Stein im Brett hatte und keine Lust mehr auf den schweren Stoff auf der Uni gehabt habe.
Das sei auch der einzige Grund, aus dem er jetzt an einer ganz normalen Schule unterrichtete und nicht einfach zur nächsten Universität gegangen war.

Vor den Lehrern tummelten sich schon die ersten Schüler, alle mit ihren Koffern bewaffnet. Marianne zerrte ihre viel zu schweren Gepäckstücke möglichst unauffällig zu den Anderen. Alevtina sollte bloß nicht merken, dass eine ihrer Schülerinnen zu spät war.
Patrick, ein Geist aus der Parallelklasse, heulte, weil er sein Gepäck zuhause vergessen hatte und Glimm, eine Beschwörerdämonin aus Mariannes Klasse, heulte, weil sie ihre Eltern jetzt schon vermisste.

Marianne zerrte ihre Koffer weiter, neben Edres und ließ sich atemlos darauf nieder.
Die große Erddämonin roch irgendwie nach Kot. Seltsam, Edres war doch sonst so reinlich!
"Verdammt, sind die schwer.", murmelte das Geistermädchen und ließ ihre Tasche ebenfalls neben Edres auf den Boden fallen, "Kannst du die nachher tragen?"

"Mhm.", machte die Erddämonin und nickte.
Sie war sichtlich nervös. Kein Wunder: sie hatte vor praktisch allem Angst. Arme Edres.
"Was will die Olle denn noch?", fragte der Geist und nickte in Richtung des Fräuleins. Lästern würde ihre Freundin bestimmt ablenken.
"Keine Ahnung. Eine Versammlung wohl. Vielleicht stellt sie die Neue vor.", murmelte Edrs und ihre Krallen zuckten nach oben, als wolle sie daran kauen, nur um sich dann wieder in ihre Hose zu krallen.

Noch bevor Marianne mit einem ganz besonderes geschmacklosen Witz darauf antworten konnte, klatschte Fräulein Alevtina in ihre schwarz behandschuhten Hände.
"Hallo liebe Lernende! Ich weiß, ihr seid alle sehr aufgeregt, vor der großen Klassenfahrt. Ich muss schon sagen, dass wir dieses mal ein besonderes spannendes Ziel gewählt haben."
Ein Raunen ging durch die Runde. Die ersten bereiteten sich darauf  vor, sich zur Not die Ohren zu zu halten. Wie immer hatte niemand den Informationsbrief über die Klassenfahrt gelesen. Schließlich verdarb das einem die Überraschung. Keiner hatte auch nur die leiseste Ahnung wo es hingehen könnte. Und keiner wollte eine Ahnung haben.
Das Fräulein nickte bestätigend, dann fuhr sie fort:

"Vorher müssen aber noch ein paar organisatorische Angelegenheiten geklärt werden, ob ihr wollt oder nicht. Maarten, hör auf so belämmert zu gucken! Ich sehe das!
Nun gut. In unser Unterkünft wird es Viererzimmer geben, und wir haben uns überlegt, dass wir ja zwischen der A und der B mischen könnten! Immer zwei aus jeder Klasse, um den Zusammenhalt zu stärken! Ist das nicht schön? MAARTEN, DASS DU MIR SOFORT AUFHÖRST!"

Ein frustriertes Stöhnen kam von den Schülern. Die 8a und die 8b konnten sich auf den Tod nicht leiden. Und Maarten konnte die 8a von allen Schülern der b am wenigsten leiden. Mittlerweile lag der Geist aus Mariannes Klasse auf dem Boden und tat so, als würde er einen Heulanfall erleiden.

"Nun, ich erwarte eure Zimmerwünsche bei der Ankunft. Und dass ihr euch ja nicht streitet. Maarten, Ronja, Copper, Marianne, ich schaue euch an! STEH AUF, MAARTEN!
Alkohol, Rauchen, Drogen, Sex, Glücksspiel und Gewalt sind strengstens verboten. Und das gilt auch für dich, Gilmm! Wenn ich dich noch ein mal in der Nähe eines Casinos sehe... ihr alle wisste ja, wer dabei erwischt wird fliegt ohne Umschweife von der Schule."

Mehrere Schüler schnappten geschockt nach Luft, dabei gab es diese Regelung jedes Jahr. Bis jetzt war noch niemand auf Klassenfahrt geflogen. Die Lehrer übertrieben einfach, um die Schüler bei Stange zu halten.

"Wie ihr alle wisst, werden die jährlichen Klassenfahrten immer von drei Lehrkräften begleitet.", machte Fräulein Alevtina störrisch weiter, "Leider leiden wir seit dem Krieg aber immer noch an Personalmangel, da viele unserer engagierten Lehrkräfte... nun ja lassen wir das."
Es war ein offenes Geheimnis, dass mehrere Lehrer wegen Rebellion in Schwefels Kerkern verschwunden waren und sich nun entweder in Therapie oder in Gräbern befanden.
Mit Ausnahme von Viezerektor Setihbo, der es irgendwie geschafft hatte blitzschnell Oberstfeldwebel zu werden und immer noch wegen seiner brutalen Kriegsverbrechen gesucht wurde. Darüber sprach aber keiner.

Bevor noch alles an diesen Schandfleck Schulgeschichte dachten, machte die Mathematik und Nomädlehrerin lieber schnell weiter:
"Folglich bleibt uns nichts anderes übrig, als unseren freundlichen Hausmeister Kyle mitzunehmen."

Weiter kam sie nicht, denn die ganze achte Klasse brach in dröhnenden Jubel aus.
Marianne packte Edres am Arm und schrie. Edres warf den jungen Luftdämon neben sich vor Freude in die Höhe. Patrick vergaß komplett, dass er ja eigentlich traurig war und schlug einen Looping.
In der Schule gab es mehr Schüler die in Kyle verknallt waren, als welche, die es nicht waren.
Um den hübschen, bleichen Hausmeister, der einmal ein britischer Kleinadeliger gewesen war, hatte sich ein richtiger Kult gebildet.

Fräulein Alevtina klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit auf sich zurück zu lenken, ohne Erfolg.
Mit grimmiger Miene versuchte sie sich Gehör zu verschaffen.
Die Schüler schrien weiter.
Kyle kam aus der Tür geschwebt, und jetzt hörte man den Jubel vermutlich noch in Palaststadt in Umbrae, einen Kontinent weiter.
Mit einer noch genervteren Miene als üblich trat Professor Cehei vor und brüllte gegen die Menge an.
Es half nur bedingt.
Irgendwann wurde es leiser, weil die Dämonlinge heiser wurden, und Fräulein Alevtina riss sofort wieder das Wort an sich.

"Ihr werdet Kyle "
Bei der Erwähnung des Namens schwoll der Jubel erneut kurz an.
Marianne war daran nicht gerade unbeteiligt.
"Ihr werdet ihn respektieren, als sei er ein Lehrer.", befahl das Fräulein ernst.

"Ich würde ihm die Stiefel ablecken!", kreischte Ronja aus der A aufgeregt.
"Ich würde ihm noch ganz andere Sachen ablecken!", hielt Glimm, auf und ab springend und mit den ledrigen Fledermausflügeln flatternd, dagegen.
Wütend starrte Fräulein Alevtina in die Runde.
"Und jetzt... glaube ich, dass der Herr Professor Cehei euch noch jemanden vorstellen möchte.", verkündete sie und zog sich mit einer kleinen Verbeugung aus dem Rampenlicht zurück, das sie vorher so selbstsüchtig gehortet hatte.

Schlagartig wurde es still, trotz Kyles Anwesenheit. Edres hatte wohl nicht als einzige von der Neuen gehört.

Professor Cehei nickte. "Genau. Wir haben nämlich eine neue Schülerin in der 8a. Sie heißt Avadnel und ist 14 Jahre alt. Komm doch einmal her und sag' auch etwas über dich.", brummte er gelangweilt.
Er winkte in die Menge und eine bunte Gestalt begab sich mit einem dramatischen Augenrollen nach vorne.

Alle Augen klebten auf der Dämonin, die jetzt auf die Türe zu lief. Sie sah viel älter aus als 14. Ihre Haut hatte ein helles Blau mit wilden pinken mustern darauf und ihre kurzen Haare leuchteten pink und wiesen blaue Spitzen auf.
Ihre Arme hatte sie lässig vor der Brust, verschränkt und auf ihrem Kopf wuchsen zwei blaue und zwei pinke Hörner.
Sie trug ein neungrünes, bauchfreies Oberteil und einen neonpinken Rock, der so kurz war, dass man zu Mariannes Zeit dafür Schläge kassiert hätte.
Darüber hatte sie sich eine Jacke gezogen, die dem Aufdruck nach, aus dem Jugendgefängnis Gutmut bei Lissenfluss kam.

Lässig ihre Haare zurückschnipsend stellte sie sich zwischen die Lehrer und begann zu sprechen.
"Hey Lernanstalt obere Lisse, was geeeeeeht! Ich bin Avadnel aus Fried, jup, ich komme aus der Hauptstadt dieses feinen Kontinents, meine Kameraden. Ich bin Gestaltwandlerin und stolze Anarchistin. Feuer den Mächtigen! Nieder mit der Herrschaft! ES LEBE DIE FREIHEIT!"
Mit diesen abschließenden Worten lies sie sich ein weiteres Paar Arme wachsen, zeigte dem Himmel alle vier Mittelfinger und stolzierte zurück nach unten.
"Die ist der Hammer.", flüsterte Marianne mit großen Augen.
Edres wirkte ehrlich verstört. Alevtina sah aus als würde sie gleich einen weiteren Herzinfarkt erleiden.

Professor Cehei blickte seiner neuen Schülerin säuerlich nach.
Fast so, als wäre er neidisch, dass ihm eine andere Rebellin das Rampenlicht stahl.
Dann räusperte er sich und begann erneut zu sprechen.
"Also ihr habt die Regeln gehört, die das Fräulein Alevtina uns vorgetragen hat. Benehmt euch! Dann bin ich sicher wird das ein tolles Abenteuer für euch alle und so. Oh, und wagt es ja nicht an meine Tür zu klopfen, wenn es kein absoluter Notfall ist. Es gibt Dämonen, die wollen nachts schlafen! Oder tags!
Und jetzt husch, ab in die Landschiffe, es geht los! Und vergesst ja nicht die Zimmerwünsche! Und Hunger ist KEIN NOTFALL!"

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