Macke: Schmerzpatient

Figuren: Aizawa, Izuku, Denki, Eijiro, Yamada

Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Vor wenigen Augenblick war Eraserheads nächtliche Patrouillen zu ende gegangen. Was allerdings nicht hieß, dass er nun frei hatte. Heute war einer dieser Tage, an denen einfach alles zusammenkam. Aus diesem Grund schleppte er sich nun in das Wohnheim der 1-A, bewaffnet mit einem Stapel Hausarbeiten, die er noch kontrollieren und benoten musste. Zumindest konnte er sich so die Zeit vertreiben, die er als Aufsichtsperson abzusitzen hatte. Er konnte einfach nicht verstehen, wieso Nedzu darauf bestand, die schlafenden Schüler zu beaufsichtigen. Bisher hatten sie Nachts zum Glück noch nie etwas angestellt oder verbrochen. Doch Shota kannte seine Klasse mittlerweile gut genug um zu wissen, dass die Sorge des Schulleiters wohl oder übel berechtigt war. Bei dieser Chaostruppe konnte man nicht vorsichtig genug sein.

Außerdem kam ihm sein Aufsichtsdienst im Moment gerade recht. Somit kam er nicht in Verlegenheit im Lehrerwohnheim auf jemanden zu treffen. Denn während die Schüler alle bereits in ihren Betten waren und schliefen, konnte man bei den Erwachsenen nie wissen, ob nicht doch noch jemand wach war. Im Augenblick war ihm jedoch nicht nach Gesellschaft. Die Nacht war bisher hart für ihn gewesen, obwohl er sich nach einer ruhigen Patrouille gesehnt hatte. Allerdings war das genaue Gegenteil passiert. Man könnte fast behaupten, dass er von einem Kampf in den nächsten gestolpert war und er einiges einstecken musste.

Aizawa war müde und erschöpft. Mit einem gedämpften Laut ließ er sich vor eines der Sofas des Gemeinschaftsraums fallen, ehe er den Stapel Aufsätze auf den kleinen Tisch vor sich ablegte. Allein diese Bewegung ließ ihn scharf die Luft zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen einsaugen. „Fuck", entwich ihm leise ein Fluch. Seine Hand glitt zu seiner rechten Flanke, die sich feucht anfühlte. Einer der Angreifer hatte ihn mit einem Messer erwischt. Für gewöhnlich verursachten solche Wunden Schmerzen, die der Undergroundhero einfach ignorieren konnte. An diesem Abend war es jedoch anders. Zitternde Finger pressten vorsichtig auf die Schnittwunde, bis der Schmerz etwas nachgelassen hatte.

Um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen, wandte er sich direkt dem ersten Stück Papier auf seinem Stapel zu. Ein Aufsatz von Kaminari. Die vielen Fehler und wirren Satzstellungen würden ihn bestimmt vergessen lassen, dass sein gesamter Körper schmerzte, als ob eine Horde Kampfroboter der Schule über ihn hergefallen wäre. Mit seiner freien Hand griff er nach seiner kleinen Federmappe, und zog einen Rotstift hervor. Es würde gewiss eine lange Nacht werden, wobei er hoffte, dass er vielleicht während des Korrekturlesens irgendwann friedlich einschlafen würde.

In seiner momentanen Verfassung war daran jedoch kaum zu denken. Jede noch so kleine Bewegung ließ ihn schmerzerfüllt aufstöhnen. Das Sitzen, sogar das halten des Stiftes ließ jede Faser seines Körpers aufjaulen. Wie sollte er so nur arbeiten? „Fuck", fluchte er erneut.

~*~

Währenddessen schien das Wohnheim der A-Klasse gar nicht mehr so ausgestorben wie der Klassenlehrer angenommen hatte. Auf leisen Sohlen hatte sich einer der Jugendlichen in den Gemeinschaftsraum geschlichen, und wollte eigentlich zur Küche, als er den leisen Fluch von der Couch her vernahm. Verwirrt hielt Izuku inne und wandte seine grünen Augen zu der Stelle, wo er die Quelle vermutete. Als er jedoch nichts entdecken konnte, hätte er seinen Weg fast fortgesetzt. Wäre da nicht ein schmerzerfülltes Stöhnen zu vernehmen, dass ihn besorgt seine Stirn runzeln ließ. Irgendetwas stimmte hier doch nicht!

Schnellen Schrittes ging der Grünhaarige auf das Sofa zu. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, doch der Anblick der sich ihm bot, ließ ihn erschrocken zurück zucken. „Sensei!" Irgendwie hatte er angenommen, dass vielleicht einer seiner Mitschüler in Schwierigkeiten steckte, aber dass sein Lehrer auf dem Boden kauerte und sein Gesicht vor Schmerzen verzog, hatte er nicht erwartet.

Abgelenkt von seinem Zustand, hatte Shota nicht bemerkt, dass sich ihm Schritte näherten. Erst als der grüne Wuschelkopf neben ihm auftauchte, wusste er, dass er nicht mehr alleine in diesem Raum war. Die Erkenntnis kam jedoch so rasch, dass er erschrocken zusammenzuckte. Ein Fehler, der nur noch mehr Schmerzen durch seinen Körper schickte. Um den Jungen nicht zu zeigen, was los war, versuchte Aizawa sich zu konzentrieren, seine Gesichtszüge und Körperhaltung so unbeteiligt wie möglich zu halten, auch wenn es schwer viel. „Problemkind", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „wieso bist du nicht im Bett?"

Erfolgreich war der Dunkelhaarige nicht damit, zu verbergen, dass er unter Schmerzen litt. Sofort ging Izuku neben ihm in die Hocke. „Ich wollte nur ein Glas Wasser aus der Küche holen", erklärte er aufrichtig, während er den Mann vor ihm musterte, „was ist mit ihnen passiert?" Der Undergroundhero sah furchtbar aus. Sein Gesicht war blasser als sonst, seine Haare zerzaust, die Uniform schmutzig und an manchen Stellen zerrissen, außerdem meinte der Jugendlichen den leicht metallischen Geruch von Blut wahrzunehmen.

„Nichts", antwortete Aizawa sofort und klang dabei genervt, „hol dein Wasser und geh schlafen." Wieso musste das Problemkind immer so furchtbar neugierig sein? Leicht beschämt wich Shota den musternden grünen Augen des Jungen aus, und versuchte ein wenig zur Seite zu rutschen. Das war jedoch keine gute Idee. Ein leises Wimmern verließ seine Lippen, und seine Hand glitt wieder zu dem Schnitt an seinem Oberkörper.

Auch wenn Izuku eine Menge Respekt vor seinem Lehrer hatte und Angst hatte, von der Schule zu fliegen, nur weil er im Augenblick nicht in seinem Bett lag, überwog die Sorge um den Mann. Als Aizawa sich leicht zusammenkrümmte und drohte zur Seite zu kippen, griffen die Arme des Jugendlichen nach ihm, um ihn festzuhalten. „Sie sind verletzt!", stellte er besorgt fest und wagte es, das dunkle T-Shirt seines Lehrers auf der rechten Seite leicht nach oben zu ziehen. Der Schnitt, der dadurch zum Vorschein kam, sah zwar nicht schlimm aus, doch das Blut, das überall verschmiert auf seiner Haut und seiner Hand klebte, ließ die Fantasie des Jungen kurz mit sich durchgehen. „Ich sollte Recovery Girl holen!"

Kaum zu Ende gesprochen, wollte Midoriya wieder aufspringen und davon eilen, doch Shotas Hand packte seinen Ärmel um ihn festzuhalten. „Das ist nicht notwendig, wegen einem dämlichen Kratzer", zischte er schmerzerfüllt, während er versuchte sich wieder etwas aufzusetzen. Natürlich traf ihn ein unverständlicher Blick. Es brauchte wohl etwas mehr an Erklärung, um zu verhindern, dass der Junge nun das halbe Lehrerwohnheim in Aufruhr versetzte. Der Dunkelhaarige seufzte und schloss kurz die Augen. „Einer der Schurken, gegen die ich vorhin gekämpft habe, besaß eine Macke, die das Opfer hypersensibel auf Schmerzen reagieren lässt", erklärte er, „mir fehlt also nichts, ich war nur leider zu langsam, um seine Macke zu löschen." Ein Zusatz, der nur langsam zur gewünschten Wirkung verhalf.

Obwohl Izuku nun nicht mehr das Verlangen hatte, sofort loszulaufen um Hilfe zu holen, war sein Blick noch immer besorgt. Schließlich wusste er, dass Eraserhead eine Menge einstecken konnte und immer weiter kämpfte, egal in welcher Verfassung er sich befand. Er hatte es bereits erlebt, dass er Schmerzen gut verbergen konnte. Ihn nun so zu sehen, bei jeder Bewegung schmerzerfüllt wimmernd und stöhnen, war furchtbar für den Grünhaarigen. Wie schrecklich musste es erst für den Undergroundhero selbst sein? „Okay ... das klingt einleuchtend. So eine Macke ist wirklich ungünstig. Aber ... wir sollten trotzdem diese Schnittwunde versorgen!" Nicht, dass sich die Verletzung am Ende noch entzündete.

Shota entfuhr ein Stöhnen, als er die Worte hörte. Eigentlich wollte er genau so eine Situation vermeiden, als er sich hier verkrochen hatte. Das Schicksal war ihm heute einfach nicht wohlgesonnen. Da er außerdem bereits ahnte, dass Midoriya sich nicht so einfach zurück in sein Bett schicken lassen würde, nickte er zustimmend und ließ zu, dass der Junge ihm aufs Sofa hoch half. Die Diese Bewegung reichte bereits, um ihm unglaubliche Schmerzen zu bereiten. Irgendwie schien die Wirkung dieser Macke immer schlimmer zu werden. Hoffentlich war dies das Zeichen, dass sie bald aufhören würde zu wirken.

~*~

Während Izuku versuchte sich bei seiner Suche nach dem Verbandskasten zu beeilen, sank Shota langsam zurück in die Sofalehne und verfluchte seine eigene Unaufmerksamkeit. Nicht nur, dass er sich von der beschissensten Macke der Welt hatte treffen lassen, nein, er hatte es auch noch geschafft, damit seinem obersten Problemkind in die Arme zu laufen. Dabei hatte er gehofft, dass er die Wirkung einfach aussitzen konnte, ohne dass jemand anderes es bemerkte. Er hasste es, wenn jemand mit ihm Mitleid hatte, oder in die Verlegenheit geriet, Sorge für ihn heucheln zu müssen. Schließlich wollte er sich keinesfalls dem Glauben hingeben, dass Midoriyas Sorge echt war, obwohl das der Fall war.

Keine fünf Minuten vergingen, die Shota dennoch wie eine Ewigkeit vorkamen, ehe der grüne Haarschopf wieder neben ihm auftauchte. „Nachdem, was Sie über diese Macke erzählt haben, wird das Säubern der Wunde vermutlich höllisch wehtun. Es tut mir jetzt schon leid, dass ...", versuchte Izuku sich im Voraus zu entschuldigen, doch der Dunkelhaarige fiel ihm ins Wort. „Problemkind! Ich werde es überleben", versicherte Aizawa ihm, zog sein T-Shirt hoch und nickte ihm zu, damit er beginnen konnte.

Keinen Wimpernschlag später hinterfragte er jedoch seine eigenen Worte. Bereits der nasse Lappen, mit dem der Jugendliche über den Schnitt und die umliegende Haut wischte, um das getrocknete und frische Blut zu entfernen, brannte wie Feuer. Shota biss sich fest auf die Zunge, um keinen Ton von sich zu geben, was allerdings schwer war. Als Izuku das Desinfektionsmittel auftrug und vorsichtig einmassierte, entfuhr ihm ein schmerzerfülltes Stöhnen, das den Jungen besorgt aufsehen ließ. „Es tut mir furchtbar leid", murmelte er immer vor sich hin. Auch wenn Aizawa ihm nur zu gerne versichert hätte, dass es in Ordnung war und er sich keine Sorgen machen sollte, konnte er nicht verhindern, dass er heftig zusammenzuckte und sein Körper sich fast selbstständig machte, um zu verhindern, dass er weiterhin Schmerzen ausgesetzt wurde.

~*~

Leider war Midoriya nicht der einzige, den es diese Nacht aus dem Bett trieb. Zwei weitere nächtlich Umherschleichende betraten den Gemeinschaftsraum. Dem schwachen Licht, das in der Nähe der Sitzgelegenheiten brannte, schenkten sie kaum Beachtung, auf ihrem Weg zur Küche. Allerdings weckte etwas anderes ihre Neugierde. Leises Stöhnen und Wimmern drang an ihre Ohren und ließ die beiden Jungen einen kurzen Blick austauschen, ehe sie sich stumm dazu entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.

In der Erwartung, zwei Mitschüler in flagranti zu erwischen, lehnte sich Kaminari breit grinsend an die Sofalehne, wo er die Quelle der Geräusche vermutete. „Ey, nehmt euch doch ein Zimmer!", kommentierte er laut und belustigt. Doch das Grinsen erstarb, als er seinen Klassenlehrer und Izuku gerade dabei entdeckte, wie der Grünhaarige den Mann zu verarzten versuchte, der allerdings zur Seite auswich. „Was zum ...?"

„Helft mir mal und haltet ihn fest!", bat Izuku den Blonden und auch Kirishima, der langsamer herangetreten war, um Hilfe. Wenn die beiden schon einmal hier waren, dann konnten sie sich ebenso nützlich machen. Die beiden starrten ihn jedoch an, als ob er ihnen gerade befohlen hätte, eine Bank auszurauben. Vermutlich sollte er erklären, wieso er sie darum bat, ihren Klassenlehrer festzuhalten, der sichtlich unter Höllenqualen litt. „Aizawa-Sensei wurde während seiner Patrouille von einer Macke getroffen, die ihn sehr sensibel auf Schmerzen reagieren lässt. Ich versuche gerade eine Schnittwunde zu reinigen und sie zu verbinden, allerdings wäre es einfacher, wenn er sich nicht so viel dabei bewegt", erklärte der Grünhaarige also rasch, was den Blick des Dunkelhaarigen finster werden ließ. Das war eindeutig zu viel an Information, die der Junge an seine Mitschüler weitergegeben hatte.

„Das ist nicht notwendig", keuchte Shota und wollte die Jugendlichen zurück ins Bett schicken. Im Moment war er wütend, jedoch nicht auf die Schüler oder Izuku, sondern auf sich selbst, dass er diese Szene hier überhaupt zuließ. Der Grünhaarige hatte jedoch andere Pläne, und wollte scheinbar beweisen, dass die Hilfe seiner Mitschüler mehr als notwendig war, indem er den Wattetupfer, der mit Desinfektionsmittel vollgesogen war, sanft auf die Schnittwunde drückte. Sofort zuckte Aizawa zusammen, rutschte zur Seite und wollte Midoriyas Hand wegschlagen.

Das war Demonstration genug für Denki und Eijiro, die sofort nach den Armen des Undergroundheros griffen, um ihn zu fixieren. „Tut uns wirklich voll leid, Sensei!", entschuldigend sich die Jugendlichen. Dabei versuchten sie wirklich, ihn nicht allzu fest anzupacken. Von den Kämpfen gegen die Schurken war sein Körper jedoch überseht von blauen Flecken und leichten Prellungen, sodass es egal war, wie fest sie ihn hielten. Alles tat weh, sodass Shota bald Tränen in die Augen schossen. „Mido-Bro beeil dich bitte!", flehte Kirishima, als er die salzigen Tropfen entdeckte, die die Wange des blassen Mannes hinabliefen.

Der Grünschopf nickte und versuchte mit wenigen und schnellen Handgriffen eine Salbe aufzutragen und ein großes Pflaster über den Schnitt zu kleben. „Fertig!" verkündete er erleichtert ausatmend. Sofort ließen die beiden Jugendlichen ihren Lehrer los, der zusammensackte und leicht zitterte. „Wie geht es ihnen?", wollte Izuku besorgt wissen.

Die besorgten Blicke seiner Schüler auf sich spürend, starrte Aizawa lieber auf den Boden vor sich. „Beschissen", presste er hervor. Seine Muskeln brannten. Jede noch so kleine Bewegung schmerzte höllisch und er wünschte sich einfach nur zu schlafen. Doch er wusste, dass er so keine Ruhe finden würde. Noch dazu war es ihm furchtbar peinlich, dass sie gesehen hatten, wie er weinte. „Was macht ihr überhaupt hier?", fragte er nach Luft ringend. Er fühlte sich im Augenblick, als ob er einen Marathon fünfmal hintereinander bestritten hätte.

Zumindest hatten seine Worte die Wirkung, dass die Blicke der beiden Jungen schuldbewusst wurden. „Ich wollte mir ein paar von Rikidos Keksen klauen", gestand Denki schuldbewusst lächelnd, „Eijiro hat mich gehört und ist mitgekommen!" Eigentlich wollte der Rotschopf seinen Kumpel daran hindern, nachts herumzulaufen, doch irgendwie hatte Kaminari ihn am Ende dazu überredet, mitzukommen. Wer hätte den ahnen können, dass sie am Ende in so eine Situation gerieten?

„Wie lange wirkt diese Macke eigentlich?" Die Frage schoss aus Kirishimas Mund, noch ehe er darüber nachdenken könnte, dass es besser wäre, seinem Lehrer zu erklären, dass er eigentlich verhindern wollte, dass Denki Kekse klaute. Irgendwie war es auch viel interessanter mehr über solche Dinge herauszufinden. Immerhin würden sie sich als Helden auch einmal mit solchen Dingen herumschlagen müssen.

Aizawa zuckte jedoch mit den Schultern. „Ein paar Stunden, denke ich. Hauptsache, sie ist bis zur ersten Schulstunde wieder weg." Natürlich würde er sich deswegen nicht aufhalten lassen und dennoch zur Arbeit erscheinen, aber wenn es weiterhin immer schlimmer wurde, würde es selbst für ihn eine Herausforderung werden. Dabei hatte er schon anderes überstanden. Schlimmeres. Viel schlimmeres sogar. Dennoch zwang ihn diese Macke in die Knie.

„Das ist echt männlich", murmelte Eijiro bewundernd. Trotz der schrecklichen Schmerzen, die Aizawa sichtlich durchlitt, dachte er noch immer an seinen Job. Das war wirklich vorbildlich!

Gerade, als der Dunkelhaarige sich bedanken und die drei Schüler ins Bett schicken wollte, näherten sich erneut Schritte. Genervt stöhnte der Undergroundhero auf. War den das gesamte Wohnheim nun wach und unterwegs? Die Person, die auf sie zukam, war jedoch kein weiterer Jugendlicher, der um diese unerhörte Stunde aufgewacht war. „Yo ... wieso seid ihr nicht im Bett?", erklang es streng, während der Neuankömmling näher herantrat, „euer Klassenlehrer würde das nicht gutheißen!"

Allein der Klang der Stimme ließ Shota erneut leicht zusammenzucken, was er sofort bereute. Ein leises Wimmern entfuhr ihm, was die Aufmerksamkeit des Dazugestoßenen auf sich lenkte. „Oh, Eraser! Hier steckst du", stellte Present Mic freudig fest, ehe seine Miene einfror, nachdem er einen musternden Blick über den Dunkelhaarigen gleiten ließ, „what the fuck? Was ist passiert?" Schnell eilte er zum Sofa und ließ sich neben dem Undergroundhero nieder, der vollkommen erschöpft und fertig wirkte.

„Eine Macke", begann Izuku zu erklären, „die ihn sensibel auf Schmerzen reagieren lässt. Wir haben seine Schnittwunde verarztet, aber es hat ihm ziemlich zugesetzt."

Während der Grünhaarige sprach, wurde Yamadas Blick immer besorgter. Shotas dunkle Augen wichen ihm aus und starrten auf den Boden. Er war so furchtbar müde, aber die unglaublich starken Schmerzen würden ihn gewiss nicht schlafen lassen. Außerdem wollte er endlich in Ruhe gelassen werden. Zum Glück bemerkte der Voicehero das Unbehagen seines Gegenüber. „Gut gemacht, Little Listeners! Jetzt wird es allerdings Zeit, um ins Bett zu gehen!", meinte er und begann mit einer Handbewegung die drei Jugendlichen wegzuscheuchen, „keine Wiederrede! Ich kümmere mich schon um Eraser! NuNight, Kiddos!"

Kurz starrten die drei ihn perplex an, ehe sie zu dem Entschluss kamen, dass es wohl keinen Sinn machte, mit zwei ihrer Lehrer zu diskutieren. Also wandten sie sich um, und trotteten davon. Als Yamada sich sicher war, dass die Schüler außer Hörweite waren, drehte er sich Aizawa zu und seufzte. „Ich habe dich schon gesucht, Sho! Wieso hast du dich hier verkrochen?", wollte er sofort wissen, während er mit wenigen Handgriffen seine Kopfhörer und seinen Lautsprecher abnahm. Er war erst vor kurzem von seinem Drittjob als Radiohost zurückgekehrt und hatte sich eigentlich darauf gefreut, den Dunkelhaarigen zu sehen. Der hatte sich allerdings rar gemacht.

Erst nachdem Hizashi ebenso seine Lederjacke ausgezogen und weggelegt hatte, sank Shotas Kopf gegen seine Schulter. „Ich wollte verhindern, dass du mich so siehst ...", gab er leise zu und versuchte es sich so bequem wie nur möglich zu machen.

„Und verhindern, dass ich mir Sorgen mache?", beendete der Blondschopf seinen Satz, ehe er leise gluckste, „dabei habe ich mir dadurch nur noch mehr Sorgen gemacht! Und als dann der Alarm klingelte, dass deine Schüler herumwandern, war ich sauer ... aber hey, wenigstens habe ich dich gefunden, Honey!" Vorsichtig lehnte er sich nach unten, um einen Kuss auf die blasse Stirn des anderen zu setzen. Dass sie schweißbedeckt war, störte ihn nicht. „Du weißt, dass du dich nicht verstecken musst, wenn es dir beschissen geht. Wir sind doch füreinander da, hast du das vergessen? Deswegen hat man doch seinen Partner, um sich zu helfen und so." Wie oft hatte er Shota bereits daran erinnern müssen? Doch er würde nie müde werden, ihn wissen zu lassen, wie sehr er ihn liebte. Erneut küsste er den Mann, der sich an ihn kuschelte, auch wenn es ihm sichtlich Schmerzen bereitete. Irgendwie war es schon amüsant, dass gerade Eraserhead von so einer Macke getroffen wurde. Der Mann, der stets eisern seine Gefühle und Schmerzen ausblenden konnte, und nun bei jeder noch so kleinen Bewegung zusammenzuckte und winselte. Vorsichtig legte er seinen Arm um den anderen.

~*~

Mit aufgerissenen Augen starrten die drei Jugendlichen zum Sofa. Ihnen war bewusst, dass die Szene, von der sie gerade Zeugen wurden, nicht für ihre Augen bestimmt war. Doch sie wollten noch einmal kurz nachfragen, ob sie nicht doch noch irgendwie helfen konnten, oder den beiden einen Tee bringen sollten. Vielleicht hätten sie einfach auf Present Mic hören und schnellstmöglich in ihre Betten gehen sollen. Stattdessen hatten sie gesehen, wie der Voicehero ihren Klassenlehrer küsste und ihn liebevoll ansah, und wie sich Aizawa einfach ohne böses Murren in Mics Arme kuschelte. Ein sehr befremdliches Bild.

„Wir sollten das vergessen, oder?", fragte Denki leise seine beiden Mitschüler, die heftig nickten.

„Verdammt ist das männlich!", kommentierte Eijiro leise, ehe er sich gemeinsam mit Izuku und Kaminari umwandte, um auf leisen Sohlen davon zu schleichen. Wenn die beiden Helden herausfinden würden, was sie gerade gesehen hatten, würden sie bestimmt den Morgen nicht erleben. Schließlich schienen sie sehr bedacht darauf, ihre Beziehung geheim zu halten.

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