Filmabend
Es war nun schon das dritte Mal in Folge, dass seine Schüler ihn erwartungsvoll anblickten, während er den korrigierten Überraschungstest vom Vortag austeilte. Das war doch bis vor kurzem noch ganz anders gewesen. Doch jetzt entrissen sie im regelrecht die Zettel und horteten sich danach in Gruppen zusammen, und schienen zu vergleichen. Auch beim letzten praktischen Test war ihm aufgefallen, dass sie ganz scharf auf eine Bepunktung waren. Natürlich konnte es ihm egal sein und als Lehrer sollte er sich eigentlich darüber freuen, wenn seine Klasse sich endlich mehr Gedanken um ihre Noten machte. Da er jedoch Klassenlehrer der diesjährigen 1A war, kam ihm die ganze Sache doch ein bisschen suspekt vor.
Aizawa dachte nur kurz darüber nach, ob es nicht seine Pflicht wäre, in Erfahrung zu bringen, weswegen seine Schüler nun so scharf auf Punkte und Noten waren, doch nachdem er den Blick über die zusammengesteckten Köpfe schweifen ließ und seine Augen dann bei der Uhr hängen blieben, entschied er sich dagegen. Es war längst Wochenende und somit nicht mehr sein Problem. Zumindest wollte er es nicht als sein Problem haben, denn auch wenn der Unterricht zuende war, endete damit leider nicht seine Pflicht als Aufsichtsperson.
Er packte seine Sachen zusammen und schritt langsam zur Tür, als ein triumphierender Ausruf ihn innehalten ließ. „Seht ihr?", freute sich Ashido, „ich hab doch gesagt, dass ich mich anstrenge und die nötigen Punkte hole!" Ein bisschen Stolz war Shota ja doch, wenn seine weniger klugen Schüler sich so anstrengten, um sich zu verbessern. Doch der Stolz hielt nur ein paar Sekunden. „Wie stehen wir jetzt? Ich hoffe wir haben die meisten Gesamtpunkte!" Gesamtpunkte? Alles in Shota schrie, dass er einfach weiter gehen sollte, doch seine Neugierde war größer, also wandte er sich kurz um.
Immer noch standen die Schüler in zwei Gruppen aufgeteilt beieinander, und hielten diesmal je ein Schild hoch, auf dem eine Zahl stand. „Ha! Wir haben gewonnen! Also gucken wir heute unsren Film!", jubelte Hagakure und sprang freudig auf und ab.
Darum ging es also. Sie teilten sich in Gruppen auf und addierten die erreichten Punkte, nur um bestimmen zu können, welchen Film sie im Wohnheim ansehen sollten. Der Fernseher im Gemeinschaftsraum der Schüler durfte unter der Woche nur für die Nachrichten benutzt werden, während sie am Wochenende auch Filme anschauen durften. Aizawa seufzte leise und wandte sich wieder der Tür zu. Wäre es nicht einfacher, sich jede Woche abzuwechseln, anstatt so etwas zu veranstalten? Er mahnte sich jedoch, nichts dergleichen zu sagen, weil sonst die Schüler, die es nötig hatten, vermutlich wieder aufhören würden zu lernen. Somit hatten sie scheinbar den nötigen Ansporn um sich zu steigern.
Weit kam Eraserhead jedoch nicht. „Verzeihen Sie, Aizawa-Sensei?", erklang plötzlich Urarakas Stimme hinter ihm. Er versuchte nicht zu genervt zu wirken, als er sich zu ihr umdrehte. Er wollte doch einfach nur hier raus. Tatsächlich standen auch noch andere neben ihr, die in der Siegergruppe waren. „Wir wollen heute am Abend einen Filmeabend machen, und wir dachten, dass Sie vielleicht mit Eri vorbeikommen möchten. Keine Sorge, wir haben uns für einen Disney-Film entschieden!", erklärte sie, „und es gibt auch Pizza!" „Und Snacks!", fügte Asui an. „Und Süßigkeiten!"
Wollte er wirklich mehr Zeit als nötig mit seiner Klasse verbringen? Nachdenklich runzelte er die Stirn. Eri würde es bestimmt gut tun, wenn sie unter Menschen kam, da sie sonst vereinsamte als einziges Kind auf dem Gelände. Also nickte Aizawa. Vermutlich würde er sowieso den Film über ein Nickerchen machen, da war es sowieso egal, wenn er auch mit musste. „Super! Um 17 Uhr solls losgehen!"
~*~
Pünktlich betraten die beiden das Wohnheim. Eri trug den quietschbunten Katzenpullover, den ihr Aizawa damals fürs Schulfest gekauft hatte, während er selbst eine schlichte dunkle Hose und ein dunkles langärmeliges ausgeleiertes T-Shirt trug, Hauptsache bequem, da ja keinerlei Gefahr drohen könnte. Hoffte er zumindest. Immerhin war es ein Filmeabend, und sie hatten ihren Lehrer eingeladen, da konnte man doch zumindest erwarten, dass sie sich anständig benehmen würden. Musste ja nicht sein, dass seine Klasse ständig Ärger machte.
Kaum hatte das kleine Mädchen Midoriya entdeckt, lief sie auch schon auf ihn zu, um ihn freudig zu begrüßen. Langsam trottete Shota ihr nach, um nicht unbeholfen alleine herumstehen zu müssen. „Hallo, Izuku! Danke für die Einladung", bedankte sich Eri bei dem Grünhaarigen und lächelte breit. Aizawa hatte ihr erklärt, dass man sich immer bedanken musste.
„Hey Eri! Kein Ding! Die Mädchen meinten, es wäre eine gute Idee, weil wir Frozen ansehen wollen, und der Film dir bestimmt gefallen könnte!", erklärte Izuku lächelnd, „und ich dachte, dass du vielleicht wieder Lust auf einen Paradiesapfel hast!" Kaum hatte er das Wort ausgesprochen, wurden Eris Augen auch schon riesig, vor allem als ihr der Junge die Süßigkeit vor die Nase hielt. Vorsichtig griff das Kind danach, sah jedoch kurz vorher zu ihrem Erziehungsberechtigten, der nur kurz eine Braue hochzog. „Vielleicht später, ja?", meinte Izuku daraufhin, als er den Blick seines Lehrers sah. Es war auch gemein von ihm, das Mädchen in Versuchung zu führen, Süßigkeiten vor dem Hauptgang zu essen.
„Izuku! Du kannst Eri doch keine Süßigkeiten vor dem Essen geben? Das geht doch nicht!", erklang auch sofort Ochakos Stimme, „am Ende muss Aizawa-Sensei noch den Bösen spielen. Das ist doch nicht gerecht." Natürlich entschuldigte sich der Schüler sofort, sowohl bei Eri als auch bei Shota. So hatte er selbst noch gar nicht darüber nachgedacht.
Kurz darauf kamen Bakugo und Kirishima in den Gemeinschaftsraum, beladen mit Pizzakartons. „Essen ist da, Leute!", verkündete Eijiro und keine Sekunde später waren sie schon von einigen ihrer Klassenkameraden belagert, die ihnen die Pizzen regelrecht entrissen. „Seid ihr verdammte Tiere? Verschwindet!", motzte Katsuki, versuchte alle abzuwimmeln und knallte die Kartons auf den Couchtisch, ehe er sich selbst einen krallte und sich auf die Couch fallen ließ. Nur weil er und Kirishima eine Wette verloren hatten und deswegen für das Essen sorgen mussten, hieß das noch lange nicht, dass sie ihn so belagern konnten.
Es dauerte nicht lange, da saßen auch die anderen auf der Couch oder davor am Boden, und machten es sich gemütlich. Auch für Getränke war gesorgt worden. Aizawa war ziemlich überrascht, als man ihm ein paar verschiedene Saftpäckchen anbot. Anscheinend waren einige in der Klasse doch ziemlich aufmerksam. Eri war ebenso hin und weg, da sie noch nie in ihrem Leben Pizza gegessen hatte. Es war ganz amüsant ihr dabei zuzusehen, wie sie mit dem Käse kämpfte, der sich immer länger zog, je weiter sie das Stück Pizza von ihrem Mund weg zog. Shota versteckte sein Grinsen hinter dem Trinkpäckchen und nuckelte daran.
„Möchten Sie nichts essen? Sie können sich aussuchen, was Sie wollen", bot Kaminari, der neben Aizawa saß, an und hielt ihm zwei Kartons hin, die auf dem Tisch gestanden hatten.
„Nein, danke, ich möchte nichts", lehnte der Lehrer ab und lehnte sich ein bisschen weiter zurück.
„Aber hast du keinen Hunger? Du hast heute noch gar nichts gegessen. Die Pizza ist klasse!", meinte Eri aufgeregt. Da sie auf seinem Schoß saß, wandte sie sich zu ihm um und schob ihm einfach das Stück in den Mund, von dem sie auch schon abgebissen hatte. Leider konnte er sich nicht dagegen wehren, weil er dazu auch gar keinen Spielraum hatte, eingeklemmt zwischen den Schülern und Eri selbst. „Tante Nemuri hat gesagt, Essen ist wichtig!"
„Nemuri sagt auch, dass man Gemüse essen soll ...", fügte Aizawa leise an, nachdem er runtergeschluckt hatte, sodass nur Eri und die Schüler neben ihm es hören konnten. Wie oft Midnight ihm deswegen schon in den Ohren gelegen hatte, wenn sie ihn irgendwo dabei erwischt hatte, wie er Junk Food aß. Kein Wunder, dass er es vermied, irgendwo etwas zu essen, wo ihn jemand sehen konnte.
Kurz schaudernd verzog Eri ihr Gesicht. „Bääh", entfuhr es ihr, „aber sie hat gesagt, dass man dich manchmal daran erinnern muss, was zu essen! Das ist wichtig für den Job, genauso wie schlafen! Sie hat auch gesagt, dass du und Onkel Zashi manchmal zu viel arbeiten und dass ..."
„Wenn Midnight dir so viel in den Ohren liegt, wäre es besser, wenn sie nicht mehr auf dich aufpasst, hm?", fiel ihr Shota ins Wort, damit sie nicht noch mehr ausplauderte, was besser privat blieb.
„Nein, nein, das passt schon", plauderte Eri weiter und schob ihm wieder etwas Pizza in den Mund, „schmeckt gut, hm?" Dabei grinste sie ziemlich breit.
Mit aufgerissenen Augen beobachteten Kaminari und Izuku die Szene, wie Eri ihren Lehrer quasi fütterte, obwohl er doch zuvor noch abgelehnt hatte. Natürlich entging ihm das nicht, weswegen er seinen Schülern einen scharfen Blick zuwarf, was dafür sorgte, dass sie sich schnell abwandten. Schließlich gab sich auch Shota geschlagen und griff nach einem eigenen Stück Pizza. Ihr triumphierendes Lächeln verbarg Eri hinter dem verbliebenen Pizzarest, in den sie selbst biss.
Noch ehe alles aufgegessen war, wurden die Snacks aufgetischt und der Film gestartet. Da er sich zu einem zweiten Stück Pizza überreden ließ, würde er die Finger von den anderen Knabbereien lassen, doch dazu würde es ohnehin nicht kommen. Während Eri von Beginn an begeistert war von dem Film, schaffte Shota es nicht einmal bis zur Hälfte. Eigentlich hatte er nur vor, seine Augen kurz auszuruhen, doch dann übermannte ihn doch der Schlaf.
~*~
„Boah, der Film war echt toll! Die Macke von Elsa ist wirklich cool!", frohlockte Eri und sah vorsichtig auf. Irgendwann war der Kopf des Mannes auf ihrem gelandet, weil sie sich zurückgelehnt hatte und sich an ihn kuschelte. Da war ihr aufgefallen, dass er schlief, und er schien auch jetzt noch zu dösen. Kurz überlegte sie, ob sie in wecken sollte, doch sie entschied sich dagegen. Stattdessen half sie den anderen dabei, das Chaos zu beseitigen, dass sie veranstaltet hatten. Schließlich würde es am Ende ohnehin jemand wegmachen machen müssen und falls jemand es wagen würde, Aizawa zu wecken, würde er sie gewiss sofort dazu verdonnern. Daher war es besser, wenn sie gleich zusammen anpackten und es erledigten. Natürlich möglichst leise, um den Schlafenden nicht zu wecken.
Vorsichtig hatten sie ihn auf das Sofa gelegt, nachdem sich alle erhoben hatten, und mit einer Decke zugedeckt. Aizawa schlief so fest, dass er nicht einen Mucks von sich gegeben hatte, als sie ihn sachte in eine liegende Position gebracht hatten. Laut Eri war er die gesamte Nacht wach gewesen, weil er die Tests verbessert hatte. Ein paar Schüler fühlten sich ein wenig schuldig, doch laut dem kleinen Mädchen machte er das sehr oft, dass er Nachts länger wach blieb. Vermutlich schlief er deswegen auch immer während der Pausen irgendwo in seinem Schlafsack.
„Macht ihr das öfter?", wollte Eri wissen, nachdem sie es geschafft hatten den Gemeinschaftsraum wieder auf Vordermann zu bringen, „Filme gucken?"
„In letzter Zeit schon. Wenn wir wieder Filme gucken, die auch etwas für dich sind, sagen wir dir Bescheid", versprach Tsuyu und lächelte.
Eri erwiderte das Lächeln, ehe sie gähnen musste und sich die Augen rieb. Es war schon ziemlich spät. „Das wäre sehr nett."
„Ohweh, du bist auch schon ziemlich müde, hm? Sollen wir Aizawa-Sensei wecken?", dachte Izuku laut nach und sah zum Sofa.
Sie verwarfen die Idee jedoch schnell wieder. Wenn ihr Lehrer schon andere Nächte durchgemacht hatte, wäre es nun nur gerecht, wenn sie ihn schlafen ließen. „Und wenn Eri bei einem von uns schläft?", schlug Ochako vor. Dann müsste das Kind zumindest nicht auf dem Sofa schlafen.
„Hm ... und wenn Aizawa-Sensei wach wird und sie dann sucht?", meinte Tsuyu, „aber was haltet wir davon, wenn wir unsere Sachen hierher holen und ein Matratzenlager machen?" Tatsächlich waren Izuku, Ochako, Mina, Toru, Kyoka, Denki, Eijiro und Momo sofort Feuer und Flamme dafür. Auch Tenya schloss sich dem Vorhaben ab, nachdem er bemerkt hatte, dass Minoru sich in der Nähe auf die Lauer gelegt hatte, um die Mädchen zu beobachten. Außerdem brauchten sie eine Aufsichtsperson.
Es dauerte ein bisschen, bis das Lager aufgeschlagen war, doch am Ende lohnte sich der Aufwand. Ochako lieh Eri eines ihrer T-Shirts, damit sie sich umziehen konnte, und kurz darauf lag sie auch schon zwischen Izuku und Ochako und schlief friedlich.
~*~
Am nächsten Morgen, als Shota plötzlich aus dem Schlaf fuhr, war er ziemlich verwirrt. Zum einen, weil er im ersten Moment nicht genau wusste, wo er sich befand und zum anderen, weil auf dem Boden ein paar Schüler lagen und friedlich schliefen. Erst langsam erinnerte er sich daran, dass er und Eri zu einem Filmabend eingeladen waren und er wohl eingeschlafen sein musste. Dabei war er wirklich gewillt gewesen, wach zu bleiben, weil Eri sich so gefreut hatte. Das kleine Mädchen schien jedoch dennoch ihren Spaß gehabt zu haben. Zumindest sah sie ganz glücklich aus, wie sie an Midoriya gekuschelt lag.
Tatsächlich hatten ein paar Schüler der A-Klasse vor dem Einschlafen noch entschieden, dass sie versuchen wollten, öfter einen Film anzusehen, der auch etwas für Eri war, damit sie so etwas öfter erleben konnte. Es gab schließlich noch so vieles, was das Mädchen nicht kannte und nachholen musste. Daher nahmen sie sich auch vor, beim nächsten Mal auch eine Deckenburg zu bauen, falls Aizawa wieder einschlafen würde. Schließlich kannte Eri auch keine Übernachtungspartys, weswegen sie alle Varianten einmal durchspielen wollten. Alles, damit das Kind sich wohlfühlen konnte und nicht mehr an ihre Vergangenheit denken musste.
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