Kapitel 55

Lillys Sicht:

"Tief durchatmen, Lilly. Wir sind in der Nähe. Dir wird nichts passieren." Ich nicke. "Gut, also du bist verkabelt. Wir können dich hören und du uns, okay?" Wieder nicke ich. "Wir geben dir manchmal Anweisungen also nicht erschrecken, wenn du meine Stimme hörst." "Okay." sage ich. "Gut, dann raus mit dir." Ich atme tief durch und steige aus dem Auto. Los geht's. Alles wird gut. Mir wird nichts passieren. Nichts. Ich nehme die schwere Tasche mit all dem Geld darin. Mein Herz schlägt wild. Ich bin so nervös, ich habe Angst. "Du bist also das kleine Goldstück. Du kleine Hure bist für den Tod meines Sohnes verantwortlich!" Ich fahre zusammen. Paul. "Wieso bringst du das Geld?" "Die anderen wurden festgenommen." murmel ich. Ich habe so Angst. "Du siehst deiner dummen Mutter ziemlich ähnlich. Würdest dich super machen unter Männern. Für dich geben bestimmt eine Menge Männer ordentlich Kohle." Er legt seine Hand um mein Kinn. Ich kneife die Augen zusammen und versuche nicht zu atmen. Er riecht stark nach Alkohol und Rauch. Als ich die Augen wieder aufmach, weil er mich losgelassen hat, sehe ich, dass er etwas von mir weg steht. Hinter ihm erscheinen ganz viele bewaffnete Männer mit schusssicheren Westen. Ich höre wie sie alle brüllen aber dann sehe ich Paul an, der seine Hand hebt und dann ist ein Schuss zu hören. Aber nicht von der Polizei. Von Paul. Ich lege meine Hände auf meinen Bauch und sehe runter. So viel Blut. So extreme Schmerzen. Meine Beine geben nach und ich falle zu Boden. "Lilly!" Dad! Er beugt sich über mich und öffnet meinen Mantel. Paul hat mich genau dort getroffen, wo die Schutweste aufhört. Ich huste und halte mir weiter den Bauch. "Wach bleiben, mein Spatz, es kommt gleich ein Arzt." sagt Dad. Er klingt panisch. "Mir ist kalt." "Ich weiß, mein Spatz. Gleich wirst du wieder aufgewärmt." Ich sage nichts. Ich kann nicht. "Nicht einschlafen, Lilly, bleibt bitte wach." Mir ist schlecht. Ich bin müde. Ich schließe die Augen und schlafe ein.

Als ich die Augen wieder öffne wird mir ganz schlecht. Alles ist weiß und steril. Wo bin ich? Mein Kopf tut mir so weh. Ich stöhne schmerzvoll auf und hebe den Kopf etwas. Mein Bauch! Er tut so weh! Ich drehe den Kopf zur Seite. Dad! Er hält meine Hand. Aber sein Kopf liegt auf dem Bett und er schläft. Ich drücke seine Hand etwas und sofort öffnet er die Augen. Papa! "Prinzessin." haucht er und streichelt mir über die Wange. "Wie geht's dir?" "Ich habe Schmerzen." sage ich und mir laufen die Tränen über die Wangen. "Nicht weinen. Ich hole einen Arzt." Er will aufstehen, doch ich halt seine Hand fest umklammert. "Bitte, geh nicht. Ich will nicht allein sein." Er lächelt sanft, traurig. Langsam setzt er sich wieder und drückt den Knopf, der an der Wand über dem Bett ist. Wenig später geht die Tür auf und eine Ältere Frau kommt rein. "Ah, Lilly, du bist ja wach." lächelt sie mich an. Bin ich im Krankenhaus? Wo ist Mama? "Wie geht es dir?" "Ich habe Bauchschmerzen." sage ich nur. Sie nickt. "Das kann ich mir vorstellen. Es wird gleich eine Schwester kommen und dir Schmerzmittel geben." Ich sage nichts. Bleibe eine reglos liegen. "Na gut, ich sehe später noch einmal vorbei." Sie verschwindet. "Ich bin im Krankenhaus?" Dad nickt. "Was ist passiert?" "Weißt du es gar nicht?" Ich schüttle ganz langsam den Kopf. "Du wurdest angeschossen." "Was?" sage ich leise und lege meine Hand auf meinen Bauch. Genau da, wo es so wehtut. "Die Kugel musste operativ entfernt werden und dann wurde das zugenäht. Alles gut." Ich nicke. Langsam kann ich mich erinnern. "Ist Paul im Gefängnis?" "Ja, das ist er, mein Spatz." Gut. Wenigstens etwas. "Wo ist Mom?" "Zuhause bei Nick. Sie macht sich große Sorgen um dich. Ich rufe sie gleich an, um ihr zu sagen, dass du wach bist." Ich nicke. "Okay." Dad küsst meine Stirn. "Mein tapferes Mädchen. Du bist so mutig. Mutiger als ich." Ich lächle. "Das stimmt doch gar nicht. Immerhin hast du den Mut erwiesen uns alleine großzuziehen. Hat ja auch einigermaßen gut geklappt." Er lacht und ich muss ebenfalls schmunzeln. "Mach si etwas nie wieder, hörst du?" Ich nicke. Nein, ich werde nie wieder so große Scheiße bauen. "Muss ich ins Gefängnis?" "Nein, mein Spatz, das musst du nicht." "Und Nico? Und die anderen?" "Die müssen vermutlich nur Sozialstunden leisten. Immerhin haben die einfach so eine Bank überfallen. Dafür müssen sie halt bestraft werden. Nur gibt es ja einen Grund, weshalb sie das gemacht haben und deswegen wird das wohl alles etwas milder ausfallen." Ich nicke erleichtert. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie wegen mir in den Knast wandern. Das würde ich nicht durchstehen. "Du und Nico..." Dad hält inne. "Läuft da etwas?" Ich lächle verlegen. "Nein. Ja. Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Er hat mich einmal geküsst aber das war glaube ich nicht von Bedeutung. Ich weiß nicht. Wir haben nie drüber geredet." Er nickt. "Er ist sehr um deine Sicherheit bemüht. Allerdings hätte er dich aus dem Überfall raushalten müssen." "Sie sind meine Freunde. Und sie brauchten noch jemand der fährt. Ich habe einfach nicht nachgedacht." seufze ich. Er nickt. "Das hast du wirklich nicht." Nico und ich? Ich weiß nicht genau, ob ich etwas für ihn empfinde. Ob es mehr ist, als nur Freundschaft. Wie es bei ihm aussieht weiß ich ja auch nicht. Nico hat so einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Wahrscheinlich ist dieser Kuss nur entstanden, weil er Chris versprochen hat auf mich aufzupassen und er eben genau das getan hat. Wahrscheinlich bin ich für ihn einfach eine Freundin. Die große Liebe des besten Freundes, wie bereits sagte. Nicht seine große Liebe. Aber dann gibt es da auch noch Ömer. Er ist so liebevoll und sanft. Ist immer so süß zu mir. Ömer hat sogar gesagt, dass er mich liebt, doch, liebe ich ihn auch? Ich habe keine Ahnung. Mein Kopf ist so voll, meine Gefühle spielen verrückt. Ich sehe in meinem Kopf selber nicht mehr durchm und wenn ich nicht durchsehen, wer soll es denn dann tun? Mir platzt bald der Schädel. Ich mag Nico mittlerweile total gerne. Aber auch Ömer. Beide sind toll. Und dann ist da Chris, den ich so unheimlich doll vermisse und immer noch liebe. Ich seufze innerlich. Wieso ist das alles so kompliziert? Kann es nicht ein einziges mal total einfach und logisch sein? Unkompliziert? Nein, natürlich nicht. Das Leben ist und bleibt eigenartig. Diese zwei Typen sind so toll. Ich mag sie so sehr. Nur wer von beiden ist der Richtige? Ich sehe Dad. Er wird mich nie enttäuschen. Er wird mich immer lieben. Egal was für Scheiße ich baue. "Daddy, ich liebe dich!"

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top