Kapitel 46

Zeitsprung

Jen's Sicht:

Wir haben jetzt mittlerweile Ende Oktober. Nachdem Marco und ich vor fast zwei Monaten 5 junge, talentierte Designerinnen ausgesucht hatten begannen sofort die ganzen Arbeiten. Der Laden ist fertig, die ersten Kleider und Anzüge ebenfalls. Ich habe noch weitere Bewerbungsgespräche geführt und somit jetzt etwa 10 Frauen und 10 Männer, die sich hier um unsere Kunden kümmern werden. Ich werde natürlich auch jeden Tag hier sein und hart arbeiten. Um Kleider und Anzüge, die speziell angefertigt werden müssen und in Auftrag gegeben werden, werde ich mich höchst persönlich kümmern. "Schatz?" Ich drehe mich um und sehe Marco an. "Wo soll das hin?" Er hält es schneeweißes Ballkleid in der Hand. "Nach oben. Wo kommt das her?" "Alina hat es noch gebracht. Das ist dann das letzte." Ich nicke seufzend. So viel Stress. Heute ist Sonntag und morgen wird die Eröffnung sein. Marco läuft also nach oben und bringt das Kleid weg. Ich ziehe der letzten Puppe aus dem Schaufenster noch einen Anzug an und dann ist alles fertig. "Das war's." lächelt Marco und legt seine Arme von hinten um mich. "Du siehst müde aus, mein Schatz." Ich nicke. "Das bin ich auch. Lass uns nach Hause fahren ich muss morgen um 7 schon hier sein." "Okay." lächelt er und nimmt meine Hand. "Schatz?" Ich sehe ihn an. "Meinst du wir sollten mal wieder die Lage checken?" Er deutet auf meinen Bauch. Hm. Könnten wir. "Ja, ich besorge mir morgen nach der Arbeit einen Test." "Hab schon Zuhause." gesteht er und seine Wangen röten sich leicht. "Wow. Du denkst aber auch an alles." Er lacht nervös. "Kann schon sein." Wir steigen ins Auto und Marco bringt uns nach Hause. Dort angekommen parkt er den Wagen in der Garage und wir steigen aus. "Also das Haus steht noch." lacht Marco. Die Kinder waren den ganzen Tag alleine. Nicht einmal Helena war heute da. Ich öffne die Haustür und wir gehen rein. Aber statt Gestreite höre ich... Ein Mädchen den Namen meines Sohnes stöhnen. Oh mein Gott! Ich sehe Marco mit großen Augen an. "Ich kenne das schon. Höre ich nicht zum ersten mal." brummt er und geht in die Küche. Nick hat seit zwei Wochen eine Freundin. Ich hätte nicht gedacht, dass es gleich so... Naja, schnell mit ihnen geht. Ich gehe ins Wohnzimmer, wo Lilly auf der Couch lieg, Kopfhörer auf hat und liest. Als sie mich sieht winkt sie mir lächelnd zu. Vermutlich hat sie die Kopfhörer auf, weil sie ihren Bruder nicht hören will. Verständlich. Marco und ich ziehen uns immer ins Boot zurück. Welches Kind will seine Eltern schon dabei hören, wie sie versuchen ein Kind zu machen. Niemand. "Gehst du hoch?" flüstert Marco mir ins Ohr. Ich drehe mich um und sehe ihn verwirrt an. Er hält mir den Test vor die Nase. "Ja, Mom! Los, mach einen Test ich will das Ergebnis wissen." ruft Lilly erfreut und springt vom Sofa. Ich verdrehe schmunzelnd die Augen und nehme Marco den Test aus der Hand. Schnell laufe ich nach oben und gehe ins Bad, wo ich den Test mache. Danach gehe ich wieder nach unten und gebe den Test wie beim letzten mal Marco. "Negativ." murmelt er enttäuscht und sieht den Test lange an. Hm. Schon wieder? Er hebt den Blick, sieht mir direkt in die Augen. "Vielleicht sollte ich mich testen lassen. Ich meine... Es ist doch möglich, dass ich gar nicht mehr..." Er seufzt und lässt sich aufs Sofa sinken. Ich setze mich neben ihn und nehme ihn in den Arm. "Nein, Schatz. Vielleicht hat es einfach nur noch nicht geklappt. Lass uns noch warten und es weiter versuchen. Wenn es in 2 Monaten immer noch nicht geklappt hat gehen wir beide zum Arzt. Ich komme dann mit." Er nickt und fährt sich mit den Händen über sein Gesicht. Ich glaube das kratzt ganz schön an seinem männlichen Ego. Ich verstehe das aber auch nicht. Wir schlafen fast jeden Tag miteinander wieso klappt es dann nicht? Ich stehe seufzend auf und gehe zum Fenster. Draußen ist es bereits dunkel und die Hunde bellen. Wieso sind sie im Zwinger? "Na schön. Also wird bekommen gleich Besuch." sagt Marco und steht auf. "Ach ja? Von wem denn?" "Von jemandem der dich auch sehr vermisst hat. Ich lege den Kopf schief. "Wirst du schon sehen." lächelt er und geht nach oben. Vermutlich, um sich etwas bequemeres anzuziehen. Eigentlich keine schlechte Idee. Ich gehe ihm hinterher und tatsächlich finde ich ihn im Ankleidezimmer. "Kann ich vor unserem Besuch Jogginghose und Pullover anziehen?" "Klar." grinst Marco und zieht sich ebenfalls eine Jogginghose und einen Pullover an. Nachdem wir uns dann umgezogen haben gehen wir wieder nach unten. Bei Nick ist mittlerweile Ruhe eingekehrt. Zum Glück. Lilly ist ebenfalls in ihr Zimmer gegangen. Ihr scheint es besser zu gehen. Sie ist nachmittags immer mit ein paar Mädchen unterwegs, die sie immer hier Zuhause abholen und sie ist viel fröhlicher. Ab und zu weint sie sich aber auch an meiner Schulter aus, wenn sie gerade an Chris gedacht hat oder sie ihn mal sehr doll vermisst. Ich bin so stolz auf sie, dass sie das alles so meistert. Sie ist mein kleiner Engel. Morgen wird mein großer Tag sein. Ich bin wahnsinnig aufgeregt wegen der Eröffnung. Ich hoffe, dass alles so klappt, wie ich es mir vorstelle. Wahrscheinlich wird hier und da etwas schief gehen aber Fehler sind menschlich. Allerdings waren die letzten zwei Monate auch ziemlich hart und vor allem stressig für mich. Ich habe jeden meiner einzelnen Entwürfe hergestellt. Jeden. Schließlich muss der Laden bei der Eröffnung voll mit den schönsten und verschiedensten Kleidern und Anzügen sein. Selbst für Kinder gibt es Kleider und Anzüge. Alles was man für eine Hochzeit zum anziehen braucht eben. Hm. Meine eigene Hochzeit war Traumhaft. So perfekt. Nur das, was danach kam eben nicht. Es kotzt mich an, dass ich so viele besondere Ereignisse im Leben meiner Kinder versäumt habe. Der erste Geburtstag, der erste Tag bei der Tagesmutter, der erste Tag im Kindergarten, die Einschulung, der erste Tag in der Schule, den Abschluss der 10. Klasse. So vieles habe ich verpasst. Und das alles nur wegen Paul. Aber hätte ich nicht das gemacht, was Paul mir gesagt hat, dann würden Nick und Lilly jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr leben. Marco vermutlich nicht auch nicht. Wieso hat er meiner Familie einen solchen Schaden zugefügt? Kinder brauchen ihre Mama. Und eine Mama braucht ihre Kinder. Er hat alles kaputt gemacht. Es hätte alles ganz anders kommen können. Marco hätte sich nach all den Jahren bereits eine neue Frau gesucht haben können, hätte mit ihr noch mehr Kinder haben können. Und ich wäre dann nur tierisch eifersüchtig und traurig gewesen. Vielleicht stimmt es ja wirklich. Vielleicht hat Marcos Herz einfach gewusst, dass ich wieder komme. Hat Marco dazu gebracht sich nicht neu zu verlieben, um auf mich zu warten. Ist so etwas möglich? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon? Niemand. Das Klingeln der Tür reißt mich unsanft aus meinem Gedanken. Vielleicht besser so. Vermutlich hätte dann nur geweint. Gedanken können manchmal ziemlich gemein sein und einem die Tränen in die Augen treiben. "Bleib ruhig sitzen ich gehe schon." ruft Marco. Mein Gott. Wieso versinke ich denn heute so oft und so tief in meine Gedanken? Das ist doch sonst nicht so. Konzentrier dich, verdammt! Ich stehe auf und gehe in den Flur, wo ich bereits Stimmen höre. "Oh mein Gott! Marco hat also nicht gelogen!" flüstert sie und schlägt die die Hände vor den Mund. Cathy! "Hat er wohl nicht." lächle ich und versuche vergebens die Tränen zurück zu halten. "Jen!" kreischt sie nun und fällt mir in die Arme. Ich schließe ebenfalls meine Arme um sie beginne, genau wie Cathy, wie ein Schlosshund zu heulen. "Ich hab dich so vermisst!" schluchzt Cathy und drückt mich noch fester an sich. "Ich dich auch, Cathy, ich dich auch." antworte ich ganz leise. Langsam lösen wir uns voneinander und grinsen. "Hey, meine Kleine." lächelt Erik, ebenfalls mit Tränen in den Augen. "Hallo, mein Großer." hauche ich und umarme ihn fest. "Du musst uns nichts erklären. Das hat dein Mann schon erledigt." lacht er. Ich sehe ihn lächelnd an und er wischt mir die Tränen weg. "Jen." grinst Mats und auch er nimmt mich in den Arm. Wie gut das tut sie alle wiederzusehen! "Und das ist meine Frau Avril. Und unser Sohn Lenny." stellt mir Erik seine Familie vor. Es ist so wunderschön! "Eigentlich wollten wir unsere beiden auch mitbringen aber die hatten keinen Bock." Cathy verdreht dabei die Augen. "Ihr habt also auch Kinder? Mein Gott, ich habe so vieles verpasst!" schluchze ich und umarme Cathy noch einmal. "Aber mal zu dir, Fräulein! Marco hat erzählt, dass ihr versucht noch ein Kind zu bekommen?" Ich werde rot. "Ja." Cathy grinst. "Und? Hat es schon geklappt?" Ich schüttle traurig den Kopf. "Ach Gott. Na das wird schon noch." kichert sie. Hoffentlich hat sie recht. Kinder sind einfach toll. "Lasst uns ins Wohnzimmer gehen." schlägt Marco vor. "Lenny, willst du zu Nick hoch gehen?" Ich reiße die Augen auf. "Nein!" rufe ich und alle sehen mich an. Marco scheint dann ein Licht aufzugehen. "Geh lieber zu Lilly, die freut sich bestimmt." sagt er zu Lenny. Er nickt und geht nach oben. "Wie alt ist er?" frage ich. "11" antwortet Erik und der Stolz in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Ich lächle und gehe in die Stube. "Wieso soll er nicht zu Nick?" fragt Cathy. "Naja, sagen wir es mal so: Nick ist ein Frauenschwarm. Und das, obwohl er im Rollstuhl sitzt." antwortet Marco. Cathy beginnt sofort zu lachen. "Ganz der Papa." Marco verdreht die Augen und geht zur Bar im Wohnzimmer. "Cocktail?" fragt er am uns Frauen gerichtet. Cathy und Avril nicken, ich lehne aber ab. Wer weiß, ob der Test nicht vielleicht nur falsch war. "Außer du machst mir etwas ohne Alkohol." "Kommt sofort." lächelt er und mischt irgendwas zusammen. Als er alle Getränke fertig hat setzen wir uns. "Auf Jen." ruft Erik grinsend. Ich lächle ihn an. "Auf einen schönen Abend." sage ich und somit stoßen wir an.

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