Kapitel 45
Ich atme tief durch und gehe einfach in meinen Klassenraum. Ich habe so riesen Angst! Mit gesenktem Blick gehe nach vorne in die erste Reihe und setze mich schnell. Anschließend hole ich schon mal meine Federtasche und einen Block heraus, um dann beides auf den Tisch zu legen. "Lilly?" Ich sehe hoch und vor mir stehen die Mädels, die in meiner Klasse sind. "Können wir mit dir reden?" Ich zucke mit den Schultern. "Hör zu, wir wollten dir nicht wehtun. Es war scheiße von uns, dass wir nichts dagegen gemacht, als er dich immer so fertig gemacht hat. Im Grunde genommen hatten wir alle einfach Angst selber von ihm so fertig gemacht zu werden. Es tut uns sehr leid und wir hoffen, dass wir vielleicht noch einmal von vorne anfangen können? Wir haben gehört, dass... Naja, dass dein Freund sich... Das Leben genommen hat, nachdem er André erschossen hat und... Wir wollten nur sagen, dass uns das sehr leid tut. Wir hätten uns für dich einsetzen müssen. Wären wir alle auf deiner Seite gewesen hätten wir es ihm vielleicht heimzahlen können. Was meinst du? Kannst du uns verzeihen?" Nicks Worte kommen mir in den Sinn. Wenn sie sich entschuldigen, dann meinenen sie es auch ernst. Sie hatten alle Angst vor André. Nimm es ihnen bitte nicht übel, dass sie weggesehen haben, als du von ihm fertig gemacht wurdest. Du brauchst Freunde, mit denen du reden kannst. Hol sie dir. Verzeih ihnen, wenn sie sich entschuldigen. Das hatte er vorhin zu mir gesagt. und es hat mir geholfen. "Ist schon okay." lächle ich. "Wirklich? Oh man! Dann bin ich aber froh." freut sich Julia und umarmt mich. "Ist hier noch frei?" Sie zeigt auf den Platz neben mir. Ich nicke perplex und schon sitzt sie neben mir. "Kann ich in Mathe auch immer neben dir sitzen? Vielleicht verstehe ich es dann endlich." "Klar." lächle ich und sie grinst mich an. Nick hatte recht.
Jen's Sicht:
Ich sehe mich mit großen Augen um. Das ist ja mal der Oberhammer! "Wow." entfährt es mir. "Gefällt es dir?" fragt Marco. "Und wie! Ich kann schon alles vor mir sehen!" kicher ich und laufe etwas umher, um mir alles genau anzusehen. Wir sind jetzt ganz oben. Hier würde sich mein Büro befinden. Das ist so cool! "Was würde das denn kosten?" frage ich vorsichtig. "Wollen Sie es kaufen oder mieten?" "Kaufen." sagt Marco sofort ohne zu zögern. "Ich hätte den Vertrag hier." Der Makler holt ihn hervor und gibt ihn Marco. Ich stelle mich neben ihn und sehe auf den Preis. "Ach du Scheiße!" rufe ich und lege die Hand auf meinen Mund. "So viel?" "Was hast du erwartet?" fragt er belustigt. "Viel. Aber nicht so viel!" Er lacht. "Wo sollen wir unterschreiben?" fragt Marco den Makler. "Hier." lächelt er und halt ihm einen Stift hin. Großer Gott! 5.ooo.ooo€! Herr im Himmel! "Hier, du musst auch noch unterschrieben." lächelt Marco. Ich sehe ihn vollkommen überfordert an. "Na los." lächelt er. Ich seufze und unterschreibe. "Dann herzlichen Glückwunsch." wünscht uns der Makler und schüttelt uns die Hand. "Hier sind die Schlüssel. Und morgen können Sie dann alle restlichen Unterlagen abholen." "Schicken Sie sie mir ins Büro. Die Adresse haben sie ja." Er nickt und packt alles zusammen. Oh Gott! Ich habe Marco um 5.000.000€ ärmer gemacht! "Alles okay?" Ich nicke einfach nur. "Kommen Sie, Mrs. Reus, wir haben noch so einiges zu tun." Ich lache und hake mich bei ihm unter. "Mit Vergnügen, Mr. Reus." Er grinst mich an. Zusammen gehen wir dann also zum Auto und setzen uns rein. "Wie viele werden denn kommen?" "Etwa 20." Ich sehe ihn überrascht an. Wie hat er in nur einem Tag so viele Leute zu einem Bewerbungsgespräch einladen können? Er kam die Stellen ja gestern erst ausgeschrieben haben. Hm. "Kommst du?" fragt er belustigt. Erst jetzt merke ich, dass wir bereits angekommen sind. Ich steige schnell aus und Marco nimmt sofort wieder meine Hand. Ron begleitet uns bis nach ganz oben. Die Chefetage. Ziemlich viel Luxus auf einmal. Zu viel. Alles sieht so modern und teuer aus. Ich unterdrücke ein Seufzen und lasse es einfach über mich ergehen. "Hallo, Judie." "Hallo." lächelt Judie uns zu. "Wie war ihr Date am Freitag?" Sie wird augenblicklich rot. "Ziemlich schön." kichert sie und Marco grinst wissend. Sie scheint eine wirklich gut Assistentin zu sein. Und so nett! "Über die Bewerber wissen sie ja bescheid. Ich klingel immer durch, wenn der nächste rein kann." Sie nickt lächelnd und konzentriert sich wieder auf ihren Computer. "Komm." lächelt Marco und zieht mich in sein Büro. Ich mag den Ausblick, den er hier hat. Was für eine Verschwendung, dass er mit dem Rücken zum Fenster sitzt. "Wir werden uns die Bewerber gleich ansehen, werden uns erste Eindrücke verschaffen. Wir sehen sie, sie uns aber nicht." "Und wie soll das gehen?" "Sieh dir den Eingangsbereich an. Wir können alle sehen. Uns sieht aber niemand. Spezielles Spiegelglas. Schon mal davon gehört?" Ich nicke. Das ist ja voll cool. Und mir ist das irgendwie noch gar nicht aufgefallen. Aber er hat recht, wenn man an seinem Büro vorbeiläuft könnte man denken, dass es einfach eine Riesen Spiegelwand ist. Cool! "Schau mal. Da kommen schon die ersten." Ich sehe zum Eingangsbereich. Und tatsächlich. Drei Mädchen sitzen bereits mit großen Mappen auf den Stühlen. "Hm, umhauen tun sie mich nicht." seufzt Marco. Aber ich schüttle den Kopf. Auch ich war ein unscheinbares Mädchen, welches umso mehr gute Idee hatte. Talent. "Wieso schüttelst du den Kopf?" "Da optische zählt hier nicht. Es zählt nicht, ob sie gut aussieht oder nicht, dick ist oder dünn. Ihr äußeres verrät rein gar nichts über ihr Talent." "Ach nein?" "Nein. Du wirst sehen was ich meine. Schau dir dieses Mädchen an. Jung, unscheinbar, in sich gekehrt. Ich weiß jetzt schon, dass sie mich umhauen wird." "Also zählt ihre Optik heute nicht?" "Nein. Kein bisschen. Wenn sie ungepflegt aussieht, dann ist das eben so. Ihr Talent zählt." Er nickt und sieht die Mädchen an. "Dann wollen wir doch mal die Bewerbung des ersten Mädchens ansehen." Er geht zu seinem Schreibtisch und holt aus der Schublade einen Stapel Bewerbungsmappen. Anschließend setzen wir uns nebeneinander auf das schwarze Ledersofa. "So. Das ist die erste. Emilia Obers. 25 Jahre alt und hat Design Studiert." Er zeigt mir ihre Mappe und ich überfliege sie. "Wow. Sie hat ziemlich gute Noten." staune ich. "Wollen wir mit ihr reden?" Ich nicke und Marco drückt einen Knopf. Wenig später klopft es. "Herein." ruft Marco und eine große, schlanke Blondine kommt rein. Sie sieht irgendwie viel zu steif aus. Die soll sich mal locker machen. "Guten Tag. Emilia Obers mein Name." lächelt sie und gibt uns die Hand. "Setzen Sie sich doch." bittet Marco und sie setzt sich. "Als erstes würde ich vorschlagen, dass sie uns mal ihre Arbeiten vorstellen." "Aber natürlich." nickt sie und nimmt ihr Mappe. Sie überreicht uns einige Entwürfe. "Ich arbeite ausschließlich mit hochwertigen Stoffen und meine Kleider sind sehr Figur betont. Daher eher nur für schlanke Frauen geeignet." Ich sehe sie mit hochgezogener Augenbraue an. Sie runzelt kurz die Stirn, wird dann rot und versucht sich zu retten. "Wie Sie sehen können versuche ich immer nach dem neusten Trend zu arbeiten und-" Ich schüttle mit dem Kopf und sie hält sofort inne. Marco sieht mich fragend an. "Wissen sie worum genau es hier geht?" frage ich sie. Sie schluckt und scheint nachzudenken. "Gesucht wird eine talentierte Designerin." antwortet sie und ich seufze. "Ich möchte ein Geschäft eröffnen, in welchem ich die schönsten Brautkleider verkaufen möchte. Ich möchte jede Frau zu einer einzigartigen Braut machen. Jede Frau. Nicht nur schlanke, große Frauen, die eine Modelfigur besitzen." Sie wird erneut rot. "Mir geht es darum all diesen Frauen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Sie sollen an ihrem großen Tag perfekt aussehen. Dafür brauche ich jemanden, der sich auf die Kunden einstellen kann. Nicht jemanden, der sich nach dem sich nach dem neusten Trend richtet. Jede Frau ist anders gestrickt und jede Frau möchte ein anderes Kleid, einen anderen Stil. Ich bezweifle, dass Sie in der Lage dazu sind, es tut mir leid. Sie sollten sich lieber an Boutiquen orientieren. Halten Sie sich nicht an Brautmode auf, denn ich denke, dass in Ihnen eine talentierte Designerin steckt, die aber eben nicht für das designen von Brautkleidern bestimmt ist." Sie lächelt steif. "Dann war's das?" Okay, jetzt hat sie bei mir ganz verschissen. Ich nicke und sie steht auf. "Auf Wiedersehen." Sie stöckelt auf ihren High Heels aus dem Büro. "Meinst du nicht das war etwas hart?" fragt Marco amüsiert. "Nein. Sie war zu arrogant, zu ungeeignet für dieses Geschäft. Von ihr würde ich mich nicht bei der Wahl meines Brautkleides beraten lassen." "Okay. Also die nächste." grinst Marco und nimmt die Mappe hervor. Das kann ja noch was werden.
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