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Part 3
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Hermine machte sich am nächsten Tag auf den Weg zum Dach, ein seltsames Gefühl der Vorfreude erfüllte sie, obwohl sie nicht genau wusste, warum. Vielleicht war es die unerwartete Gesellschaft von Draco Malfoy, die sie auf irgendeine Weise angenehm fand. Oder die Tatsache, dass sie ihm ein Versprechen gegeben hatte, welches sie unmöglich nicht einhalten konnte.
Vielleicht war es aber auch die Möglichkeit, sich von den Strapazen des Tages zu erholen und einfach nur in seiner Gegenwart zu sein, ohne sich ständig verteidigen zu müssen. Oder womöglich war es die Hoffnung, dass hinter seiner harten Fassade ein Funke von Verständnis und Menschlichkeit lauerte, den sie bisher übersehen hatte. Sie wusste nicht weshalb sie nun immer öfters den Drang verspürte zu ihrem Lieblingsort zu gehen. Natürlich war sie- bevor Malfoy und sie sich zum Testen Mal begegnet waren- schon oft auf's Dach gegangen. Es hatte ihr immer gut getan...Doch sie konnte nicht leugnen, dass es mit zunehmender Präsenz von Malfoy immer häufiger der Fall war.
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Als sie die Stufen zum Dach hinaufstieg, spürte sie eine seltsame Aufregung in sich aufkeimen. Sie konnte nicht erklären, warum sie sich so fühlte, aber sie war entschlossen, zu sehen, wohin diese unerwartete Begegnung sie führen würde.
Als sie schließlich die letzte Stufe erreichte und auf dem Dach ankam, suchte Hermine sofort nach Malfoy. Doch heute schien jede Spur von ihm verschwunden zu sein. Die Weite des Dachs lag still und verlassen vor ihr und das Fehlen seiner üblichen Gegenwart ließ sie unerklärlich enttäuscht fühlen. Hermine seufzte leise, während sie sich fragte, warum er heute nicht vor ihr da war.
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Also saß die Gryffindor am Rand, ihre Füße baumelten in der Luft, als sie ihr neues Buch aufschlug und darin zu lesen begann. Es war ein moderner Bestseller aus der Muggelwelt, den sie sich in einem nächstgelegenen Buchladen besorgt hatte.
Während sie las, konnte sie die Worte förmlich vor sich sehen, wie sie aus den Seiten aufstiegen und eine lebendige Welt um sie herum erschufen. Sie las von Abenteuern und Gefahren, von verbotenen Zaubersprüchen und legendären Schlachten. Es war, als ob sie selbst Teil dieser Geschichten wurde, als ob sie die Magie in der Luft um sich herum spüren konnte.
Die Zeit verging unbemerkt, während sie Seite um Seite verschlang. Erst als die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand und die Dunkelheit hereinbrach, legte sie das Buch zufrieden zur Seite. Für einen Moment blieb sie einfach sitzen, noch ganz in den Gedanken an die Geschichte versunken, als sie auch schon eine Bekannte Stimme hörte.
„Na Granger kletterst du oft auf dieses Dach", fragte er mit neckender Stimme, ehe er sich ihr näherte und sich neben sie setzte. Hermine musste unwillkürlich grinsen, als sie erwiderte: „Gelegentlich, immer wenn ich den Drang verspüre in Ruhe zu lesen. Tja aber seitdem du auf mysteriöse Weise meinen Ort gefunden hast, muss ich mir was anders als Leseplatz suchen."
„Wieso? Kannst du dich etwa in meiner Anwesenheit nicht konzentrieren?", fragte Draco mit einem frechen Grinsen.
„Ja, das hättest du wohl gerne, nicht wahr?", erwiderte Hermine mit einem Augenzwinkern.
„Nun wer weiß Granger. Meine Präsenz ist womöglich einfach zu überwältigt für dich".
„Draco Malfoy, immer so selbstsicher. Aber nein, ich fürchte, du bist nicht der Grund für meine Ablenkung. Es ist eher die Herausforderung, dich hier oben zu ertragen."
Sie grinste zurück und stieß ihn sanft mit ihrer Schulter an
Ein Moment der Stille folgte, in dem sie spürte, wie ihre Blicke sich trafen und sie konnte einen flüchtigen Ausdruck der Unsicherheit in seinen Augen erkennen.
In diesem Augenblick erkannte Hermine, dass Draco vielleicht mehr hinter seiner Fassade verbarg, als sie zunächst angenommen hatte. Ihr Herz zog sich bei dem Gedanken zusammen, dass er möglicherweise verletzlicher war, als er zugeben wollte. Dass das, was er ihr gestern preisgegeben hatte, möglicherweise nur ein Bruchteil dessen war, was in ihm schlummerte.
Als sie das erkannte, senkte sich ihr Blick nach unten, aber ihre Gedanken wanderten zu dem, was hinter seiner Fassade verborgen sein könnte. Warum tat er so, als wäre alles in Ordnung. Die Frage nagte an ihr, aber sie beschloss, vorerst zu schweigen und ihm seine Privatsphäre zu lassen.
„Granger", fragte er plötzlich.
„Ja", ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
„Geht es dir eigentlich gut."
„Wieso willst du das wissen Malfoy", fragte sie.
„Bei Salazar Granger ist es so schlimm, wenn ich mich nach deinem Wohlbefinden erkundige...".
„Mir geht es gut Malfoy.
„Ich kann dir hundertprozentig sagen, dass es dir nicht gut geht."
Hermine rollte mit ihren Augen.
„Ach und woher willst du das wissen", fragte sie ihn.
Draco zögerte einen Moment, bevor er antwortete: „Weil ich nicht so blind wie deine zwei Vollidioten bin, Granger. Ich mag vielleicht nicht alles über dich wissen, aber ich kann erkennen, wenn etwas nicht stimmt." Er blickte sie an und ein Hauch von Ernsthaftigkeit lag in seiner Stimme.
„Es ist nichts."
„Granger, du bist eine schlechte Lügnerin"
„Ich...ich mach mir Sorgen um dich Malfoy. Ist das so verwerflich."
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Er spürte einen Kloß in seinem Hals, als er ihre Worte hörte. Er hatte nicht erwartet, dass Hermine so aufrichtig sein würde. Für einen Moment herrschte Stille, während der Malfoy nach den richtigen Worten rang.
Schließlich räusperte er sich und antwortete mit einem Hauch von Unsicherheit: „Nein, das ist es nicht.... Es ist nur... ungewohnt, das von dir zu hören." Seine Stimme war leiser als gewöhnlich und er vermied es, ihr direkt ins Gesicht zu sehen.
Nach einer Weile des Stilschweigens traute sich Hermine ihn endlich zu fragen.
„Willst du noch immer springen? Bist du deswegen auf das Dach gegangen?"
„Granger ich denke nicht, dass...".
„Nein Malfoy! Du redest jetzt verdammt nochmal mit mir", befahl sie.
„Anfangs ja...", antwortete er schließlich mit einem Zittern in seiner Stimme. Er konnte spüren, wie seine Augen leicht feucht wurden, während er den Mut aufbrachte, seine eigenen dunklen Gedanken zu enthüllen, „Es war... es war eine dunkle Zeit für mich. Ich fühlte mich... verloren und hoffnungslos, das alles hat mich...- er suchte nach den richtigen Wort- erdrückt. Aber dann habe ich dich gesehen, lange bevor du mich gesehen hast Granger."
Sein Geständnis ließ ihr Herz schnelles schalten, als sie nach den richtigen Wörtern suchte, um ihm zu antworten.
„Mir ging es ähnlich. Am schlimmsten war es, als wir auf der Suche nach den Horkruxen waren. Ich habe mich überwältigt gefühlt, von der Verantwortung, die auf mir lag. Weißt du, Harry und Ron haben sich auf mich verlassen. Ich durfte nicht nachgeben. Nicht wenn ich gar nicht wusste, was mich am nächsten Tag erwarten würde."
Sie senkte den Blick, während sie sich an die unzähligen Momente der Angst und Unsicherheit erinnerte, die sie während dieser Zeit durchlebt hatte. Die Dunkelheit der Nacht, die sie umgab, wenn sie sich heimlich auf gefährliche Missionen begaben und die ständige Sorge um ihre Freunde, all das lastete schwer auf ihr.
„Aber trotz allem... trotz all der Dunkelheit und der Gefahren, die uns umgaben, gab es auch Momente des Lichts," fuhr sie fort, ihr Blick hob sich, als sie an die kostbaren Augenblicke der Gemeinschaft und der Verbundenheit dachte, die sie mit Harry und Ron teilte. „Diese Augenblicke der Gemeinschaft, der Freundschaft... sie haben mir die Kraft gegeben, weiterzumachen. Sie haben mir geholfen, die Dunkelheit zu überwinden und an das Licht am Ende des Tunnels zu glauben."
„Du wirst das auch schaffen Malfoy. Hör auf dir die Schuld für etwas zu geben, dass du nicht hättest aufhalten können."
Malfoy nickte leicht, bevor er sich zu ihr drehte und sie direkt ansah. Hermine, die von seinem plötzliche, Blickkontakt mehr als nur überrascht war, spürte plötzlich eine ungewohnte Spannung, die in der Luft lag.
Sie wandte ihren Blick ab, fühlte sich unbehaglich unter seinem intensiven Blick.
Als sie in seine Augen sah, fiel ihr auf, wie intensiv sie waren - eisgraue Augen, die wie zwei funkelnde Edelsteine in der Dunkelheit glänzten. Da waren so viele Emotionen, so viel Verborgenes und doch so wenig, dass sie wirklich verstehen konnte. Die Augen, so sagt man, seien das Portal zur Seele und in diesem Moment fühlte Hermine, dass sie einen Blick in die Seele von Draco Malfoy geworfen hatte - voller Geheimnisse, Reue und vor allem Schmerz.
Da war so viel Schmerz, den sie nicht verstehen konnte.
Sie erkannte sein Leid nun deutlicher und es war fast erschreckend wie viel man über einen Menschen erfahren konnte, allein durch einen flüchtigen Blick in seine Augen.
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Nach einer Weile wandte sie ihren Blick ab, fühlte sich fast unbehaglich unter seinem intensiven Blick. Er jedoch schien sie zu verfolgen.
Während er sprach, hatte Hermine noch immer das Bild seiner Augen im Kopf.
„Was ist mit dir Granger. Was ist dein Grund. Ist es wirklich nur die Ruhe- wie du sagtest- die du an diesem Ort so verlockend findest. Oder ist da vielleicht mehr? Mehr als du preisgeben willst...".
„Ich...ich wüsste nicht was."
„Ach komm schon Granger, das hatten wir doch bereits. Ich sagte dir doch schon, dass du schlecht im Lügen bist. Und mit schlecht meinte ich wirklich miserabel. Also die Wahrheit", verlangte er erwartend.
„Hier oben zu sein, es ist einfach magisch", begann sie, ihre Stimme leise und ehrlich. „Es ist, als ob all meine Sorgen und Probleme unten in der Stadt zurückbleiben und ich nur noch ich selbst sein kann-weit weg von der Hektik des Alltags. Es ist schon lange mein Zufluchtsort, an dem ich meine Gedanken sortieren kann."
„Das stimmt. Es ist ein magischer Ort und das, obwohl wir uns in Muggellondon befinden."
Sie sah ihn perplex an.
„Ja selbst ich bin gelegentlich in Muggellondon. Aber natürlich nicht allzu lange."
„Natürlich nicht, es könnte sonst deinem tadellosen Ruf schaden."
Hermine konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken, als sie seinen Ausdruck bemerkte.
„Welcher Ruf Granger, ich denke das letzte Stück ist mit meinem Vater gestorben."
Sie überkam auf einmal ein Gefühl der Traurigkeit und des Bedauerns. Sie wusste aus eigener Erfahrung, wie schmerzhaft der Verlust eines geliebten Menschen sein konnte. Langsam trat sie näher zu Draco, ihre Miene weich und mitfühlend.
„Tut mir leid dies zu hören, ich wusste..."
„Nein Granger. Es gibt nichts, was dir leidtun sollte. Dieser Mann war ein Bastard. Ein anderes Wort gibt es dafür einfach nicht.".
„Ich weiß, trotzdem darfst du dir erlauben zu fühlen Malfoy. Es ist okay das zu tun."
„Stimmt, nur hat er es nicht verdient."
Hermine konnte in Dracos Augen mehr als nur Wut erkennen, als er über seinen Vater sprach. Unter der Oberfläche der scharfen, abweisenden Worte lag eine verborgene Traurigkeit, die sich in seinem Blick und in der leichten Zitterbewegung seiner Hand manifestierte, als er über Lucius sprach. Es war, als ob er versuchte, die Schmerzen und den Kummer, die sein Vater verursacht hatte, zu verbergen, aber sie waren dennoch da, deutlich spürbar in seiner Stimme und seinen Augen. Hermine erkannte, dass hinter Dracos Fassade des Stolzes und der Ablehnung ein verletzter Junge steckte, der noch immer unter dem Gewicht seiner familiären Bürde litt.
„Hast du jemals darüber gesprochen? Über deine Gefühle, meine ich?", traute sie sich zu fragen.
„Es ist schwer, darüber zu reden, Granger. Ich habe mich so lange daran gewöhnt, meine Gefühle zu verbergen, dass es sich ungewohnt anfühlt, sie jetzt herauszulassen."
„Bei Salazar ich weiß ja nicht einmal, wieso ich es jetzt tue", fügte er noch an.
„Womöglich weil es einem deutlich einfacher fällt mit Fremden über seine Gefühle zu sprechen als mit Bekannten. Weil diese nicht verurteilen."
„Ah, Granger, jetzt fängst du an, mich aus der Reserve zu locken. Das ist gefährliches Terrain für einen Malfoy." Er hebt spielerisch eine Augenbraue und fügt mit einem kleinen Grinsen hinzu: „Aber keine Sorge, ich werde nicht auch noch anfangen, Gedichte zu schreiben oder so etwas. Das ist nicht mein Stil."
„Natürlich nicht, schade eigentlich, ich dachte schon jetzt packst du richtig aus", erwiderte sie grinsend.
„Nicht heute, ich denke, ich werde meine Gefühle wieder in die gute alte Malfoy-Truhe sperren. Da gehören sie für's erste hin."
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Und damit schaffte Malfoy es auch, das Thema vorerst ruhen zu lassen. Mit seinem cleveren Witz verbannte er seine Unsicherheiten, doch Hermine wusste, dass diese unter seiner Oberfläche schlummerten.
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