~1~
Part 1
~*~
Der Himmel war von dichten Wolken verhangen, die den Frühlingstag in ein sanftes Grau tauchten, als Hermine durch die stillen Straßen schlenderte. Ihr Regenschirm spannte sich mühsam gegen den eindringlichen Regen, der in rhythmischen Mustern auf die glänzenden Kopfsteinpflaster fiel. Die Stadt schien in einen vorübergehenden Schlaf versunken zu sein, während die frischen Knospen an den Bäumen einen zaghaften Versuch unternahmen, das graue Bild zu durchbrechen.
Der Gehweg war mit kleinen Pfützen übersät, die das Licht des Tages widerspiegelten und die Umgebung in einem schimmernden Schleier aus Regenbogenfarben tauchten. Mit jedem Schritt platschten ihre Schuhe durch das klare Wasser, das sich um ihre Füße sammelte und der Klang hallte in den leeren Straßen wider, begleitet vom sanften Rauschen des Regens.
Trotz der Nässe und Kühle spürte Hermine eine seltsame Wärme in ihrem Herzen, als sie sich-wie jeden Nachmittag- zu ihrem Lieblingsort begab.
Um dorthin zu gelangen, musste sie eine schmale Wendeltreppe erklimmen, die sich zwischen den alten Backsteinmauern eines verlassenen Gebäudes wand. Die Treppe war von Efeu umrankt und schien fast vergessen, ein verborgener Pfad, den nur wenige kannten.
Oben angekommen, fand sie sich auf einem kleinen Vordach wieder, das sich über ganz London zu erstrecken schien. Das Dach war mit einer schmiedeeisernen Brüstung umgeben, die verziert war mit kunstvollen Schnörkeln und Mustern vergangener Zeiten. Es bot einen beeindruckenden Ausblick über die Stadt, mit ihren gewundenen Gassen und den roten Dächern, die sich bis zum Horizont erstreckten.
Hermine liebte diesen Ort für seine Einsamkeit und Abgeschiedenheit. Hier oben fühlte sie sich weit entfernt vom Lärm und der Hektik der Stadt, als wäre sie in einer eigenen kleinen Welt, die nur ihr gehörte. Hier hatte sie die Möglichkeit ihren Gedanken freien Lauf zu gewähren oder einfach alles rauszulassen.
Sie ließ ihren Blick über die Stadt schweifen und fühlte sich eins mit den Wolken, die langsam über den Himmel zogen. Hier oben konnte sie ungestört nachdenken, lesen und träumen, während die Welt unter ihr weiterhin ihrem hektischen Treiben nachging. Es war ihr ganz persönlicher Zufluchtsort, ein Ort der Ruhe und Inspiration, den sie mit niemandem teilen musste.
Doch an diesem Tag war etwas anders. Als sie sich niederließ und ihren Blick über die Stadt schweifen ließ, spürte sie eine unerklärliche Präsenz, die sie umgab. Ein Kribbeln lief ihr über den Rücken, als ob sie beobachtet wurde und ihr Herz begann schneller zu schlagen.
Plötzlich hörte sie ein leises Rascheln hinter sich, gefolgt von einem kaum wahrnehmbaren Seufzen. Ihr Puls beschleunigte sich, als sie sich langsam umdrehte und ihre Augen den dunklen Schatten erblickten, der sich hinter einer Ecke versteckte.
„Wer ist da?" rief sie, doch ihre Stimme klang dünn und zittrig in der Stille. Keine Antwort kam, nur das leise Rascheln der Blätter im Wind. Hermine spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten und ihr Atem stockte, als der Schatten sich plötzlich in Bewegung setzte und langsam auf sie zukam.
Ein Gefühl der Beklemmung überkam sie, als sie den Fremden erkannte, der aus der Dunkelheit hervortrat.
„Malfoy", hauchte sie überrascht, während ihr Verstand wild zu arbeiten begann. Was wollte er hier? Wie hatte er sie gefunden? Doch bevor sie eine Antwort finden konnte, trat er einen Schritt näher und enthüllte einen kleinen Gegenstand in seinen Händen, der im fahlen Licht der untergehenden Sonne schimmerte.
„Ich glaube, du hast das hier verloren", sagte er mit einem anzüglichen Grinsen, bevor er ihr das Objekt reichte. Hermine starrte es an, unfähig zu begreifen, was hier gerade vor sich ging. Dann erkannte sie das mysteriöse Objekt.
Er streckte seine Hand aus und reichte ihre einen alten Schlüssel, der auf einer Halskette hing. Bei Merlin.
„Wofür ist er", fragte er.
„Was?"
„Der Schlüssel Granger".
„Ich trage ihn immer bei mir. Ich...Danke, dass du ihn gefunden hast", konnte sie bloß sagen.
Draco Malfoy hob eine Augenbraue und sah sie mit einem undurchdringlichen Grinsen an. „Ein Schlüssel, den du immer bei dir trägst? Interessant."
Hermine spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Sie hatte gehofft, den wahren Zweck des Schlüssels geheim zu halten, doch sie konnte nicht lügen. „Er... er öffnet eine Tür", murmelte sie schließlich, wobei sie vermied, ihm direkt in die Augen zu sehen.
Draco Malfoy trat näher und fixierte sie mit seinem durchdringenden Blick. „Eine Tür zu was, Granger?" Seine Stimme hatte einen gefährlichen Unterton, der sie erschaudern ließ.
Hermine schluckte schwer und zwang sich, ruhig zu bleiben. „Zu einem Ort, den ich... den ich besuchen muss", antwortete sie zögernd. „Aber das geht dich nichts an, Malfoy. Es ist meine Angelegenheit und mein Schlüssel, den ich offenbar hier vergessen hatte."
Ein schelmisches Lächeln umspielte Dracos Lippen, und er trat noch näher. „Oh, aber es geht mich sehr wohl etwas an, Granger", sagte er leise. „Alles, was dich betrifft, interessiert mich."
Die Spannung zwischen ihnen war fast greifbar und Hermine spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie wusste, dass sie sich vor Draco Malfoy in Acht nehmen musste, aber trotzdem faszinierte sie seine Anziehungskraft.
„Wieso sagte du das", fragte die Gryffindor.
„Weil ich es kann", antwortete er schließlich enigmatisch, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern in der Stille.
Hermine spürte, wie sich eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen aufbaute und sie wusste, dass Draco sich wieder verschlossen hatte. Trotz ihres Verlangens, mehr über ihn zu erfahren, war sie sich bewusst, dass er Geheimnisse hatte, die er nicht preisgeben würde.
„Es tut mir leid, dass ich dich gestört habe, Granger", sagte er schließlich und wandte sich zum Gehen. „Ich werde dich nicht länger stören."
Warte", rief sie unerwartet laut, bevor er den Dachvorsprung verlassen konnte.
Draco hielt inne und drehte sich langsam um, sein Blick ruhte auf ihr „Was ist, Granger?" Seine Stimme war ruhig, aber mit einem unmissverständlichen Unterton der Ungeduld.
Hermine schluckte schwer, aber sie hielt seinen Blick stand. „Ich... was machst du hier", stellte sie nun die Frage, die sie eigentlich hätte, sofort stellen müssen.
Denn bei Merlin nochmal. Draco Malfoy kannte ihren Lieblingsort. Dass er hier war, mit ihr sprach, war noch seltener als ein Regenbogen inmitten eines Sturms.
„Was ich hier mache, Granger? Nun, ich könnte dich fragen, was du hier machst. Aber da wir beide offensichtlich nach Antworten suchen, werde ich dir eine kleine Kostprobe geben. Ich habe meine eigenen Gründe, diesen Ort aufzusuchen. Gründe, die dir vielleicht nicht sofort einleuchten werden"
Seine Antwort war vage, aber Hermine konnte den spöttischen Unterton in seiner Stimme nicht überhören. Sie spürte, dass er mehr wusste, als er preisgeben wollte. Aber bevor sie ihn weiter befragen konnte, trat er einen Schritt zurück und fuhr fort:
„Was auch immer deine Gründe sind, Granger, ich werde dir meine nicht verraten. Zumindest nicht jetzt".
Bevor Hermine etwas erwidern konnte, umfing ihn die Dunkelheit wie ein Mantel, als er in den Schatten der Nacht verschwand. Seine Gestalt wurde allmählich von der Finsternis verschluckt, bis nichts als die leere Stille der Nacht zurückblieb. Hermine blieb allein auf dem Dachvorsprung zurück, ihre Gedanken wirbelten durcheinander, als sie die letzten Momente in ihrem Kopf noch einmal durchging. Der Abgang von Draco Malfoy hinterließ ein Gefühl der Unvollständigkeit, als ob ein Teil des Rätsels noch ungelöst geblieben wäre...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top