Kapitel 3

Lisas POV

Nach dem Debakel des gestrigen Tages konnte ich Hunter überzeugen, dass wir die Party sausen lassen. Mir war wirklich nicht nach so vielen Menschen und ich wollte Philipp auf keinen Fall treffen, die Begegnung im Café hat mir absolut gereicht. Stattdessen haben Hunter und ich also den Abend in meiner WG auf dem Sofa verbracht, Netflix durchstöbert und Pizza bestellt, die ich mit genügend Bier heruntergespült habe.

Als ich heute Morgen aufgewacht bin, lag ich in meinem Bett und von Hunter war nichts zu sehen. Jetzt sitze ich mit einer Tasse Kaffee an unserem Tisch in der Küche und Ryder sieht mich an. Er sieht mich schon minutenlang an und sagt einfach nichts. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Ich kann nicht einmal einschätzen, ob er sauer auf mich ist. Sein Gesicht ist komplett verschlossen, was ich eigentlich nicht von ihm kenne.

Ich räusper mich. Er blinzelt nicht einmal.

„Ryder, rede mit mir" bitte ich leise.

„Vielleicht solltest du besser mit MIR reden" kommt die Antwort kurze Zeit später.

„Aber was soll ich dir denn sagen?" rufe ich verzweifelt.

„Zum Beispiel, warum mein Bruder Philipp erst verprügelt und dich drei Wochen später mitten in der Mensa küsst. Obwohl oder gerade weil Philipp im gleichen Raum ist" wird nun auch Ryder etwas lauter, was sehr untypisch für ihn ist.

„Hunter hat Philipp verprügelt?" frage ich fassungslos.

„Ja, nachdem er Linda aus der Wohnung geschmissen hat" Ryder beginnt zu grinsen, während mir die Galle hochkommt bei dem Namen.

„Entschuldige, aber über sie möchte ich nun wirklich nicht sprechen. Es hat mir gereicht, was Philipp gestern im Café zu Steve gesagt hat" ich lege frustriert meinen Kopf auf die Tischplatte.

„Hä?" macht Ry, er kennt die Geschichte ja noch nicht. Also beginne ich am Besten vorne und erzähle was sich seit gestern Mittag ereignet hat. Das Philipp so unumwunden zugibt, dass er durch die Gegend vögelt setzt mir übel zu. Auch das erzähle ich Ryder, es auszusprechen tut allerdings richtig weh.

Mein Gedankenchaos läßt sich kaum in Worte fassen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als bei Philipp zu sein. Der hüpft aber seit drei Wochen von Bett zu Bett. Warum seit drei Wochen? Warum hat er mich von sich gestoßen? Er ist doch angeblich wegen mir nach Brisbane gekommen und jetzt will er mich nicht mehr? Warum hat er mir die Kette dann noch gegeben?

„Ry, bitte erklär es mir. Was ist mit ihm los?" sage ich weinerlich, weil ich meinen eigenen Schmerz nicht mehr ertrage und die verdammten Tränen wieder nicht zurückhalten kann.

„Sweetie, ich habe keine Ahnung. Aber ich verspreche dir, dass ich das herausfinden werde. Und was mit Hunter los ist, finde ich auch heraus" sagt er eindringlich, während er meine Hand in seine nimmt. Bei diesem Mann, meinem besten Freund, fühle ich mich geliebt, verstanden und zu Hause.

Es war eigentlich abzusehen, dass ich meine Vorlesungen an diesem Tag nicht besuche. Normalerweise wäre ich gestern auf der Party gewesen und hätte Spaß gehabt. In meinem echten Leben sitze ich heute verheult auf meinem Bett und Ryder bringt mir Pommes. Pommes sind gut für die Seele, sagt er. Es braucht kein Eis und keine Schokolade, Pommes reichen. Eben dieser Ryder ist seit zwei Stunden bei seinem Bruder und versucht, ihn auszuquetschen.

Ich hole den Brief von Philipp wieder aus der Schublade und sehe ihn an. Vielleicht sollte ich ihn verbrennen und endlich abschließen. Immer wieder denke ich das und dann passiert etwas und ich weiß, dass ich das nicht kann. Ich bin nicht bereit dafür. Mir geht aber noch etwas anderes durch den Kopf. Falls Philipp seine Meinung ändern sollte, was bedeutet das für mich? Ist das dann sowas wie Almosen, zweite Wahl? Er ändert seine Meinung und entscheidet sich für mich. Und dann sind da auch noch seine ganzen Affären, Betthäschen... Damals hatte er den Ruf des ultimativen Bad Boys bei uns in der Umgebung und ich wäre nicht damit klar gekommen. Damals war das aber nicht so, er hat nicht mit den Mädchen geschlafen. Und heute? Heute ist sein Ruf von damals Wirklichkeit geworden und ich bin mir nicht sicher, ob sich meine Meinung dazu geändert hat. Doch, eigentlich weiß ich, dass ich damit ein Problem hätte.

Wenn ich mein Sexleben der letzten drei Jahre analysiere, habe ich mir nichts vorzuwerfen. Es gab da ein paar One-Night-Stands, aber nichts Wildes und auch nicht besonders viele. Ich habe weder wie eine Nonne noch wie eine Hure gelebt. Reine Bedürfnisbefriedigung, lediglich körperlich. Gefühle waren nie im Spiel. Und dann treffe ich hier Philipp und wenn das nicht genug Gefühlschaos wäre, küsst mich Hunter. Verdammter Mist. Dieser Kuss war unglaublich süß, liebevoll, zärtlich. Ich habe ihn genossen, was hat das zu bedeuten?

Philipps POV

Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich mit Hunter und Ryder an unserem Tisch sitze. Ryder kam wie eine Furie in unsere Wohnung und hat uns beide an einen Tisch zitiert. Im Moment starrt er uns an und sagt nichts. Ich kann die Wutwölkchen quasi aus seinen Ohren aufsteigen sehen, aber was genau ihn so wütend macht hab ich noch nicht herausgefunden. Ich schiele vorsichtig zu Hunter hinüber, der neben mir sitzt. Er hat den Blick gesenkt und starrt auf seine Hände.

„Pfft" kommt es mit einem Mal von Ryder und ich schaue ihn an und ziehe eine Augenbraue hoch.

„Ihr seid solche Idioten" Ry schüttelt den Kopf „Von Hunter kenne ich das ja schon. Aber du, Phil, du bist doch wirklich nicht auf den Kopf gefallen".

Hunter sieht nach wie vor auf seine Hände.

„Vielleicht erklärst du mir einfach, was dein scheiß Problem ist" knurre ich.

„Was mein scheiß Problem ist? Mein scheiß Problem ist, dass meine beste Freundin sich die Augen ausheult, weil ein hirnverbrannter Idiot ihr das Herz gebrochen hat und meint, er müsse jetzt jedes Weib vögeln, dass ihm vor die Flinte kommt" mit jedem Wort wird Ryder lauter und ich immer kleiner.

„Und mein anderes scheiß Problem ist, dass ein anderer hirnverbrannter Idiot meine beste Freundin einfach küsst. Und das, obwohl sein Mitbewohner sie liebt und das somit ein absolutes NO GO ist. Ich bin somit umzingelt von Idioten und muss gerade zu einem verbalen Rundumschlag ausholen, obwohl ich meine beste Freundin trösten und vor besagten Idioten beschützen sollte" schreit er weiter.

Langsam drehe ich meinen Kopf zu Hunter und sehe ihn an.

„Warum hast du sie geküsst?" frage ich ihn.

„Ich kann es dir nicht sagen, ehrlich nicht. Ich habe selbst keine Ahnung. Es fühlte sich einfach richtig an. Wärst du nicht in dem Moment in die Mensa gekommen, hätte ich mich wohl nicht getraut" antwortet er mir und sieht mich endlich an.

Wut keimt in mir auf. „Jetzt bin ich Schuld, dass du Lisa küsst?"

„Moment" ruft Ryder dazwischen. „Sonst hättest du dich nicht getraut? Hab ich da was verpasst?"

Hunter senkt seinen Blick wieder und schüttelt leicht den Kopf, es vergehen einige Sekunden, bevor er antwortet. „Vielleicht habe ich mich in Lisa verliebt!"

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