Part IV - A Story Of Monsters And Men
Written by Schocklat
Co-Reading by julislifestyle
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Im Dorf begann ebenfalls die Nacht heran zu brechen.
Trotz der späten Stunde, waren noch recht viele Menschen unterwegs. Die Zahl nahm minütlich ab, bis man nur noch vereinzelte Gestalten erkennen konnte, die durch die anbrechende Nacht huschten. Laternen erhellten die Wege und Gassen und ließen den kleinen Dorfplatz in einem angenehmen Licht erstrahlen, welches den vier Kindern ermöglichte ihre gemeinsame Zeit so lange auszukosten, wie möglich.
>>Leute, ich muss langsam nach Hause. Mein Großvater macht sich bestimmt schon Sorgen, wo ich mich so lange herum treibe.<<, sprach Kai, gegen den steinernen Brunnen gelehnt.
>>Es ist doch noch gar nicht sooo spät. Es ist Frühling, da ist es doch normal, dass die Sonne früher untergeht, als sonst.<<, warf Rumi ein uns ließ sich, dicht gefolgt von Emi und Keigo, neben den braunhaarigen Jungen sinken.
>>Ja, da hat Rumi mehr als nur Recht. Sei also nicht so eine Spaßbremse und drück mal aufs Gaspedal!<<
>>Aber nur, wenn du endlich aufhörst, jeden Tag einen Clown zu frühstücken ... <<, nuschelte Kai, was Emi und den Rest nicht davon abhielt, es trotzdem zu hören.
Das Grinsen, welches daraufhin durch die drei zog war wie eine Welle, unmöglich aufzuhalten.
>>Huh, ich kann es nicht glauben. War das gerade etwa wirklich ein Scherz?! Und das von Mr. Sturheit in Person?<<, geschockt sah die Grünhaarige zwischen ihren Freunden hin und her.
>>Jemand muss mich kneifen! Ich glaube gerade, ich träume.<<
Nicht wissend, dass es metaphorisch gemeint war, tat Keigo genau das und kniff ihr in die Schulter.
>>Autsch! Aber danke, Hawksi. Jetzt bin ich mir sicher das ich nicht Träume, hahaha.<<
Lachend lehnte sie sich gegen Keigo, der genau wie Kai mit einer gewissen Wärme in den Wangen von ihr weg sah.
>>Meine Mutter meinte, dass sie Emi und mich abholt, wenn es soweit ist. Dein alter Grießgram eines Mannes wird doch bestimmt das selbe tun.<<
>>Das glaubst du doch wohl selber nicht.<<
>>Doch, das tue ich!<<
>>Nun, dann bist du entweder naiv oder einfach dumm.<<
Aus großen, empörten Augen sah die Weißhaarige ihren Freund an. Bevor sie jedoch antworten konnte, durchbrach eine tosende Stimme die Stille.
>>Kai, schwing dein unnützes Hinterteil sofort hier her! Es ist spät und ich will Zuhause sein, bevor es Mitternacht schlägt!<<, erklang die Stimme eines älteren Mannes, von einem der Wege, die vom Platz weg führten.
>>Haha, ich wusste es!<<, jubelte Rumi, bereits an die "Manieren" des Alten gewohnt und streckte ihr Arme triumphierend zum Himmel.
Gerade, als sie wieder etwas sagen wollte, war es eine Frauenstimme, die ihr zuvor kam.
>>Rumi, Schatz, es ist Zeit für uns und Emi nach Hause zu gehen. Verabschiede dich also bitte von deinen Freunden, ja?<<
Es stellte sich, als Rumis Mutter heraus, welche das glatte Ebenbild ihrer Tochter war und in unmittelbarer Entfernung von ihnen stand.
>>Ach, mennooooo. Naja, das ist dann wohl unser Zeichen.<<, schmollte Rumi, noch bevor sie aufsprang und ihre drei Freunde auf wackeligen Beinen mit sich zog.
>>War aber ein schöner Tag! Das wiederholen wir doch bestimmt noch mal, na was sagt ihr dazu? Vielleicht morgen? Wieder hier, um die selbe Zeit?<<
>>Wenn es den sein muss. Dich Dickschädel kann man ja sowieso nicht umstimmen!<<
>>Uhh, auf jeden fall! Ich muss nur meinen Vater fragen, aber da ich ja kein ängstlicher Muffin bin, werde ich das später sofort tun. Na, versteht ihr? Ich habe kein Muffin-sausen, haha.<<
>>Okidoki und was ist mit Hawksi-lein? Kommst du auch morgen?<<
>>Ich a-also, ähmm ... <<
Mit strahlenden Augen sah man ihn an, sodass ihm die Worte regelrecht im Halse stecken blieben. Sein Blick wanderte überall hin, außer zu dem funkelnden Lächeln Rumis.
>>Ach, weißt du was? Wir werden es ja morgen sehen, ob du kommst oder nicht, heheh.<<
Rumi gab ihm nicht mal die Chance zu einer Antwort, einer Erklärung.
>>Rumi, es wird Zeit!<<, rief die Frau ihnen zu, wobei sie ungeduldig die Hände in die Hüfte stemmte.
>>Ja, Ja! Wir kommen doch schon! Schmeiß mal ein Beruhigungsmittel ein und entspann dich für ein paar Sekunden!<<
Sie wartete gar nicht erst die Reaktion der Frau ab, sondern drehte sich zu den anderen.
>>Na egal, komm Emi und für die anderen gilt, wir sehen uns morgen! Macht's gut!<<
Es sollten wohl ihre letzten Worte für den Abend werden, aber dazu kam es nicht. Den Fuß angesetzt, um zu ihrer Mutter zu gehen, hielt sie etwas mitten in der Bewegung auf. Sekunden lang stand sie da, ohne Anstalten, weiterzugehen. Es war mehr, als verwirrend. Fragen sprangen ihm, wie Hasen durch den Kopf, als Rumi weitere Momente lang keinen Muskel regte.
>>Alles in Ordnung, Rumi?<<
Seine Worte und seine Hand auf ihrer Schulter schienen sie gar nicht zu erreichen. So, als wäre sie nur körperlich anwesend und ihr Geist ganz woanders. Es jagte ihm ein mulmiges Gefühl durch die Knochen, als Rumi ihren Blick zu ihm wandte. Steif und festgefroren irgendwie. Mit einem „Shh" brachte sie ihn und den Rest zum schweigen.
>>Hört ihr das auch?<<
>>Hmm?<<
Alle anwesenden sahen sich an. Sie hörten nichts, außer das Rauschen des Windes, welcher ihnen um die Ohren wehte. Aber es war nicht der Wind, welcher für Rumis ungewohntes Verhalten sorgte. Keigo tat also das einzige, was ihm logisch erschien. Er schloss seine Augen und lauschte.
Und ... Tatsächlich! Da war etwas, doch er konnte sich nicht erklären, um was es sich handelte. Dafür war es zu leise.
Nur allmählich wurde es lauter und klarer, bis er die Worte schließlich verstand.
>>WO BIST DU! KOMM RAUS, KEIGO! ICH WEIß, DASS DU HIER BIST!<<
Eine einzelne Stimme zerbrach die Stille der Nacht. Laut und glasklar, wie der Himmel. Keigos Augen öffneten sich schlagartig. Diese Stimme würde er unter tausenden erkennen! Automatisch gefror das Blut in seinen Adern. Gesicht bleich, Atem stockend und ein Zittern, das durch seinen ganzen Körper ging.
>>W-Warum ist er schon zurück? Nein, das darf nicht wahr sein! Das hätte nie passieren dürfen! Scheiße!<<
Die Stimme in seinem Kopf schrie ihn an, zu fliehen oder sich zu verstecken. Oder beides zusammen! Einfach nur irgend etwas! Nicht nichts zu tun und darauf zu warten, dass sein Vater ihn gefunden hatte! Er wollte loslaufen, flüchten, doch sein Körper war, wie erstarrt.
Panisch sah er neben sich. Rumi und Emi, nur wenige Schritte entfernt. Kai direkt neben ihm. Verwirrung in jedem ihrer Gesichter zu erkennen, als eine Person das Licht der Laternen durchbrach. Die Gestalt wirkte surreal. Sie passte nicht an diesen harmonischen Ort, an dem man lachen und sein Leben genießen konnte.
>>DU KANNST DICH NICHT VOR MIR VERSTECKEN!<<
Sein Fluchtinstinkt setzte ein. Im Bruchteil einer Sekunden schupste er Emi unsanft aus seinem Weg, die mit lauter Beschwerde auf ihrem Hinterteil aufkam. Leid tat es ihm nicht. Er hatte Wichtigeres zu tun. Die Nacht zu überleben, zum Beispiel. Gerade schnell genug, trugen Keigos Beine ihn hinter den steinernen Brunnen. Nur einen Moment später stand er da. Er.
Sein Vater stampfte aus einem der vielen Seitenwege. Im Licht der Laternen sah seine Gestallt aus, wie die eines Raubtiers. Unruhig und auf der Suche nach Blut.
Keigos Blut.
*
Mit schnelle Schritten überwand der wütende Mann die Distanz.
Sein Gesicht, ein Spiegel seiner Emotionen. Etwas, das Keigo zum ersten mal mit ansah. Sein Vater war der Inbegriff von emotionslos oder mürrisch, egal ob er irgend etwas erreicht hatte oder nicht.
Er kam vor den drei Kindern zum Halt, welche einige Schritte zurückwichen. Sie kannten den alten Hutmacher, mit seiner dauerhaft miesen Laune. Trauen taten sie ihm kein Stück, weshalb
Rumis Mutter und Kais Großvater sich schützend hinter die Kinder stellten. Das Knistern in der Luft war gerade zu spürbar.
>>Alles gut bei ihnen? Sie sehen aus, als ob sie auf eine Zitrone gebissen hätten. Aber nicht im guten Sinne, weil sauer ja lustig machen soll.<<
Es war Emi, die zuerst das Wort ergriff.
>>Schweig still, Gör! Ich bin nicht hier, um zu scherzen.<<, knurrte der Hutmacher.
Ein Schauer lief über Keigos gesamten Körper. Die drei Kinder dagegen schienen davon völlig unberührt zu bleiben.
>>Als wäre das nicht offensichtlich.<<, murrte Rumi und rollte gelangweilt mit ihren Augen, eine Hand in die Hüfte gestemmt.
>>Du kleines Miststück! Ihr Jugendlichen habt nicht mehr alle Latten am Zaun.<<
>>Also, wenn ich mir dein Grundstück ansehe, habe ich immerhin noch mehr als du, Hutmacher.<<, konterte sie mit einem frechen Grinsen im Gesicht. Mutig wie sie war, gab es keinen Funken von Angst oder Reue in ihrem Ausdruck oder ihrer Haltung.
In seinem Versteckt schluckte Keigo. Er kannte seinen Vater, vermutlich besser als alle anderen Anwesenden. Ein winziger Vorteil daran, sein Leben lang mit ihm verbringen zu müssen. Deshalb wusste er auch, dass es nie etwas Gutes bedeutete, wenn sein Vater still war. Wenn er einfach nur da stand und schwieg. Das tat er immer bevor ...
>>Hey, was soll das?! Lassen sie mich los, Arschloch! Sie tun mir weh!<<
... es knallte.
In seinem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit war es geschehen. Sein Vater hatte Rumi am Handgelenk und an ihren langen Haaren gepackt. Er hielt sie fest im Griff.
Mit einem Blick, der Menschen ins Grab schicken konnte, sah er ihr ins Gesicht.
>>Wie schon gesagt, ihr verzogenen Gören. Ich bin nicht hier, um zu scherzen und habe weitaus Wichtigeres zu tun, als mich mit euch abzugeben. Also seid artig und beantwortet meine einfache Frage, bevor ich da ansetze, wo eure Eltern anscheinend versagt haben.<<
Er verstärkte seinen Druck und Rumi entwich ein Zischen. Was folgte, war ein Grinsen, welches sich auf ihr Gesicht stahl, bevor sie sprach: >>Du kannst es doch gerne versuchen, aber bei deinem lächerlichen Aussehen, würde ich eher vor Lachen zusammenbrechen, als auf deine schäbigen "Erziehungsversuche" zu hören.<<
Man vermochte es schon fast zu hören. Die Sekunde, in der die Letzte Sicherung in seinem Kopf durchbrannte. Keigo sah alles. Augen weit aufgerissen, beobachtete er, wie sein Vater zum Schlag ausholte. Das panische Schreien der Anderen, dass er das arme Mädchen gefälligst loslassen sollte, aber er hörte auf Niemanden.
Keigo sah rot.
>>STOPP, HÖR AUF!<<, schrie er, sodass man es über den ganzen Platz hören konnte.
Er tat es, ohne nachzudenken. Alle Blicke waren mit einem Schlag auf ihn gerichtet. Die meisten waren verwirrt, andere eher neugierig. Einer unterschied sich von allen.
>>Du bist wegen m-mir hier. Bestraf also bitte nicht R-Rumi.<<, brachte er die Worte zittrig über seine Lippen, bevor er hinter dem Brunnen hervor trat.
>>Hawks, was hat das zu bedeuten? Kennst du den Hutmacher etwa?<<, kam es fast schon, als ein Flüstern von Emi.
Er sagte nichts, ging einfach nur an ihr und den anderen vorbei. Sein Vater hatte Rumi, in der Überraschung des Moments, frei gelassen und sie rieb sich schmerzverzerrt das Handgelenk.
>>V-Vater, lass sie in Frieden, denn ...<<, er stoppte und sah noch mal zu den drei Kindern. >> ... Sie sind meine Freunde!<<
Auch wenn er sie erst seit so kurzer Zeit kannte, war er doch überzeugt davon, dass sie genau das waren. Freunde. Mit ihnen hatte er die bisher lustigsten, spaßigsten und verrücktesten Stunden seines Lebens verbracht und er wollte nicht, dass all das schon vorbei war. Wenn sein Vater doch auch nur realisieren könnte, dass er ihn ohne jegliche Bedenken ins Freie hätte lassen können.
Schweigend sahen sich Vater und Sohn in die Augen, fast schon wie Statuen. Keiner von beiden bewegte auch nur einen Muskel. Es zog sich Momente lang so hin, bis Keigo etwas zu sehen und hören bekam, von dem er nie gedacht hatte, dass es möglich war. Sein Vater ... lachte.
Es war, als könnte er sich gar nicht mehr einkriegen. Es war falsch. Sein Vater hatte noch nie gelacht. Nicht einmal, in all den Jahren, die sie schon zusammen verbracht hatten und nun wirkte er, als hätte man ihm den besten Witz seines Lebens erzählt.
Zurückblickend gesehen, musste es das wohl auch gewesen sein.
>>Hahaha, du und Freunde? Das muss wohl ein schlechter Scherz sein. Jemand wie du hat keine Freunde!<<
>>Doch! Ich hab Freunde und sie stehen direkt hinter mir.<<, schrie Keigo zurück.
Federn aufgeplustert, Flügel vor Wut unter dem zu großen Hemd zuckend. Er musst sich im Zaun behalten, damit nichts geschah. Damit seinen Freunden nichts passierte. Sie waren unschuldig und hatten nichts mit der Sache zu tun.
>>Ach ja?<<
Das Lachen war verklungen.
Ehe er reagieren konnte, wurde Keigo am Hals gepackt. Er schnappte nach Luft. Hand, direkt an seiner Pulsader, die seinen schnellen Herzschlag zu spüren vermochte, war er nun auf Augenhöhe seines Vaters. Sein Beine hingen baumelnd in der Luft, als er versuchte, sich irgendwie loszureißen.
Vergeblich.
Gold traf auf Gold. Die Finger schlungen sich nur noch fester, wie eine Schlange, um ihr Opfer und verhinderten ihm das richtige Atmen.
>>Ich hatte wirklich angefangen, dich zu mögen, weißt du? Du warst immer gut, hast dich ums Haus und ums Essen gekümmert. Hast immer brav auf das gehört, was ich dir gesagt habe.<<
Sein griff wurde noch enger. Panik in seinen goldenen Augen, riss und zerrte Keigo am Handgelenk und den Fingern, die ihn festhielten. Es bewirkte nichts. Die Hand löste sich kein Stück.
>>Weißt du, du hättest sogar das Potential gehabt, ein guter Hutmacher, vielleicht sogar einer von den Besten, zu werden. Ich habe dir eine einfache Bedingung gestellt. Eine einzige, winzig, kleine Sache, die nicht einmal so schwer zu befolgen war.<<
Schwarze Punkte traten in sein Sichtfeld. Erst saßen sie nur am Rande, begannen aber nach und nach hin und her und von der einen, auf die andere Seite zu springen. Als würden sie einander jagen oder fangen spielen.
>>Wenn du schon von dir behauptest, so tolle Freunde zu haben, Freunde für die du deine einzige Möglichkeit auf ein normales Leben weg wirfst, warum zeigst du ihnen dann nicht - <<
Die Welt um ihn herum war, wie in Watte getaucht. Die Worte seines Vaters schienen immer leiser zu werden, auch wenn sein Mund nicht aufhörte, sich zu bewegen. Mit unscharfem Blick sah er, wie sein Vater um ihn herum zu greifen schien. Er verstand nicht, was es damit auf sich hatte.
Waren Rumi und die anderen ihm etwa zu nahe gekommen und er versuchte, sie von sich fern zu halten?
Ja, das musste es sicherlich sein. Seine Freunde würden ihn nicht hängen lassen, davon war er überzeugt. In der Ferne konnte er sogar noch leise ihre Stimmen vernehmen.
Doch ... Was bedeutete dieses Gefühl, welches seinen Rücken so sacht berührte und ihn zum Zittern brachte? Es war kalt und erinnerte ihn an nur wenige Stunden zuvor. Am Morgen, als Rumi sich auf ihn geschmissen hatte und er ihren Atem auf seiner Haut hatte spüren können.
Seltsam, dachte er nur.
Er fühlte, wie sich die Hand um seinen Hals löste. Dann ein dumpfer Schmerz, der über seine Glieder zog, wie Ameisen. Er vernahm einen hohen Ton, gefolgt von vielen weiteren. Dann reine Stille, als alles um ihn herum schwarz wurde.
+
Licht schien auf ihn herab.
Es war das erste, was er bemerkte, als sein Bewusstsein langsam zu ihm zurückkehrte. Was seltsam war, da in seinem Zimmer keine derartige Lichtquelle existierte, die dieses Leuchten hätte auslösen können.
Mit einem leisen Murren versteckte er sein Gesicht hinter seinem Armen.
Sein Körper fühlte sich steif an, wie an den Abenden, an denen er aus Versehen in der Werkstatt einschlief. Im Sitzen, mit dem Kopf auf dem harten Tisch und einem halb fertigen Hut vor sich. Am nächsten Tag würde sein Nacken schmerzen, wenn er versuchte seinen Kopf zu drehen, aber das war nur eine Kleinigkeit.
Nur, dass er hier nicht Zuhause im Keller war. Dieses Gefühl, die Angst der Orientierungslosigkeit, übertrug sich, auf seinen ganzen Körper, der sich dadurch anfühlte, wie Blei. Mit einem Schlag öffnete er seine Augen, was er in der nächsten Sekunde schon bereute. Geblendet, schaute er zu Boden und blinzelte die Tränen, die sich bilden wollten, weg.
Es war in diesem Moment, dass er genau zwei Dinge realisierte.
"Wieso bin ich draußen und -"
Sein Blick fiel auf den harten Untergrund, auf dem er lag. Es stellte sich als Metal heraus, was seine steifen Glieder erklärte. Er war nicht Zuhause in seinem Zimmer, wie er gedacht hatte. Doch warum nur?
Ungläubig starrte noch eine Weile zu Boden, bevor er weiter sah. Gitterstäbe umgaben ihn und über ihm befand sich eine weitere Platte aus Metall.
Er war gefangen.
" - wieso bin ich in einem Käfig?"
Verwirrt setzte er sich auf, als ihm ein Schatten übers Gesicht glitt. Die Erinnerungen an die vergangene Nacht holten ihn ein. Wie sein Vater ihn gefunden und ihn gepackt hatte ...
Bei der Erinnerung fuhr Keigo unbewusst mit seinen Fingern über seinen Hals und zuckte zusammen, als diese Kontakt mit seiner Haut machten. Er musste es nicht sehen, um zu wissen, dass blaue Flecke seine Kehle zierten. Die Verletzung pochte nach seiner Berührung, wie das Herz in seiner Brust.
Er hatte es zuvor nicht bemerkt, aber nun fiel ihm dies ebenfalls auf, als er seinen Arm betrachtete und an sich herab sah. Sein Hemd war weg. Und damit auch das einzige, was seine Flügel versteckt hielt. Nur seine Hose hatte er behalten. Er schluckte schwer, als seine Flügel zuckten und er sie dicht an seinen Rücken presste. Sein Hut lag vergessen in einer Ecke. Prompt setzte er ihn wieder auf seinen Kopf. Dort, wo er hingehörte.
>>Oh, na sie mal einer an. Das Dornröschen ist endlich aufgewacht.<<, sprach eine Stimme erheitert.
Erschrocken wirbelte Keigo herum und starrte in diese Augen. Diese Augen, die seinen zum Verwechseln ähnlich waren. Das einzige, was die beiden unterschied, war gar nicht so schwer zu erkennen, wenn man denn genauer hinsah. Die Abscheu in den Augen seines Vaters war unverwechselbar.
>>Warum bin ich hier?<<, fragte er mit verwunderlich fester Stimme und schluckte.
Es gab für ihn keinen Grund, um das Unübersehbare herum zu reden, weshalb er direkt zum Punkt kam. Wenn sein Vater das doch nur auch tun würde. Dieser schien das ganze nämlich nicht so wie Keigo zu sehen. Ihm schien es Spaß zu machen, ihn zappeln zu lassen. Gespielt verwirrt legte sein Vater den Kopf schief.
>>Ich weiß nicht, was du meinst. Du bist dort, wo du schon immer sein wolltest.<<
Das war definitiv nicht, was er wollte. Das, was er wollte, war nach draußen zu dürfen. Raus aus dem Käfig, der eigentlich sein Zuhause sein sollte. Frei sein, das war es, was er wollte. Den Wind zwischen seinen Haaren spüren und das Gras unter seinen Füßen.
Das hier war nichts von alledem!
>>Das ist aber nicht, wa - <<, wollte Keigo widersprechen, doch sein Vater sprach einfach weiter, ohne ihm überhaupt zuhören zu wollen.
Was hätte er auch anderes erwarten sollen? Er hatte ihm doch noch nie zugehört.
>>Ach, du meinst das gute Stück hier.<<
Der Ältere tippte mit dem Zeigefinger auf einen der Gitterstäbe.
>>Ja, das ist ein schönes, neues Heim für dich, oder was meinst du?<<
>>W-Was?<<
Keigo lief jegliche Farbe aus dem Gesicht. Was sollte das? Ein schlechter Scherz, wie die Witze von Joke? Wenn ja, dann war es ein verdammt schlechter! Keigo hoffte wirklich, dass es nur das sein sollte. Ein Scherz. Doch seine wenige Hoffnung sank mit jedem weiteren Wort, das den Mund seines Vaters verließ.
>>Du bist doch derjenige, der immer und immer und immer wieder darum gefleht, nein, schon auf Knien gebettelt hat, heraus zu dürfen. Und nun sieh dir an, wo du bist. Sieh es dir genau an. Dein Traum hat sich erfüllt!<<
>>Wa-warum?<<
>>Mhh? Meinst du vielleicht den Grund, wegen dem du in erster Linie nun dort drin sitzt oder weshalb dir mein Hemd fehlt, dass du dir so unverdient genommen hast?
Oh, das beides ist schlicht aus einem einfachen Grund passiert, Keigo.
Du hast vergangene Nacht ganz schönen Tumult veranstaltet, weißt du? Stimmt du warst ja nicht bei Bewusstsein. Ach wie konnte ich das nur vergessen, ich Schusselchen ... <<
>>Willst du vielleicht wissen, was passiert ist?<<, fragte der Ältere mit einem Funkeln in den Augen, welches dem Jüngeren übel werden ließ.
Keigo schüttelte heftig den Kopf.
Er wollte es nicht. Er wollte einfach nur, dass der andere verschwand und ihn alleine ließ. Ihn nicht mehr mit dieser gefälscht heiteren Stimme vorgaukelte, es wäre alles in Ordnung. Innerlich betend hoffte er, dass sein Flehen erhört wurde.
...
Dass wurde es nicht, denn sein Vater erhob wieder das Wort.
>>Deine kleinen, sogenannten "Freunde" ... <<
Ein Lächeln machte sich auf dessen Gesicht breit.
>>Ich dachte mir, da du ja so viel über sie weist und so gut von ihnen geredet hast, wäre es doch nur angemessen, ihnen etwas zurückzugeben.<<
Keigo war verwirrt, was man ihm, dem Kichern seines Vaters nach zu urteilen, nur zu gut ansehen konnte. Was hätte er ihnen geben können? Einen Hut? Oder etwa Geld? Sein Vater war kein großzügiger Mensch. Wenn schon nicht zu seinem eigen Fleisch und Blut, dann erst recht nicht zu Fremden, geschweige denn Kindern.
>>Und ... w-was hast d-du ihnen gegeben?<<
Seine Stimme zitterte, was er selbst nicht bemerkte. Sein Vater aber dafür umso mehr. Wie seine Augen so hell leuchteten, wie noch nie, als sie seine erbärmlich, nervöse Gestalt besahen.
So genau, wie noch nie zuvor.
>>Die Wahrheit.<<
>>Die Wahrheit?<<
Keigo verstand nicht.
Zwei Worte die doch eigentlich so einfach zu verstehen waren und doch keinen Sinn für ihn ergaben. Während sein Vater sich ein Lachen zu verkneifen versuchte.
>>Die Wahrheit über dich, mein lieber Keigo. Was denn sonst?<<
>>Wie? Ich versteh nicht, was du meinst?<<
Auch, wenn er es in seinem Innersten schon wusste. Er konnte, nein, wollte es nicht verstehen. Ihm kamen die letzten Momente der vergangenen Nacht wieder vor Augen. Der feste Griff um seinen Hals, seine nur noch verschwommene Wahrnehmung, der Luftzug an seinem Rücken ... dieses hohe Geräusch..
Nein ... nein, nein, nein!
>>Es ist doch nicht nett, so ein wichtiges Detail über sich selbst vor seinen Freunden zu verheimlichen. Also hab ich dir einfach nur die Arbeit abgenommen, es ihnen selber zu zeigen. Du solltest mir dafür wirklich dankbar sein. Nach deinen, so überaus überzeugten Worten, war ich dann doch von ihren Gesichtern überrascht. Von ihren Gesichtern voller ... <<
Sein Gesicht kam näher an die Stäbe heran, als seine Stimme, wie ein Windhauch über seine Ohren striff.
Ein einziges Wort, das seinen Mund verließ. So einfach und doch hatte es die Macht, Keigo die Luft abzuschnüren. Sein Atem stockte.
>> ... Angst.<<
D-Das konnte nicht die Wahrheit sein. Nein, niemals würde das wahr sein! Rumi, Emi und Kai waren seine Freunde und Freunde hatten keine Angst voreinander. Wie sollte man den sonst Freunde sein?
Vor Anspannung bohrten sich seine Fingernägel in seine Handflächen, sein Blick glitt zu Boden. Sein Vater log. Ja, er log genau so, wie er es schon immer getan hatte. Er wollte nur Keigo selber damit Angst machen, damit er weiter sein Leid bestaunen und für immer in seinem Gedächtnis behalten konnte. Aber das würde Keigo nicht zulassen, er hatte keine Angst mehr.
>>Du lügst, sie sind nicht so, wie du! Sie würden nie, so wie du, über mich denken.<<, knurrte er, was nicht mehr, als ein Augenrollen bei seinem Vater hervorrief, gefolgt von einem Verschränken der Arme, Haltung straff.
Blick mit einem Mal todernst, so wie er es schon immer gewesen war.
>>Tz, tz, tz. Also wirklich Keigo, dass du mir etwas dergleichen unterstellst. Ich habe dich noch nie angelogen, im Gegensatz zu dir.<<
>>Lüge!<<, schrie er, so laut er konnte.
Blut sickerte in seine Handflächen, als seine Augen glasig und sein Atem schneller wurde. Das alles war nicht wahr!
>>Nein, glaub mir, Keigo. Die Welt und deren Menschen sind nicht so, wie du Kind es dir immer vorgestellt hast. Die Welt ist kein Regenbogen. Freundlichkeit und Güte sind hier nur Wörter aus Märchen und jemand, wie du gehört nicht auf diese Welt.<<
>>H-Hör a-auf!<<
Der Damm brach. Tränen kullerten über seine Wangen.
>>Alle Menschen sind gleich. Einfach gestrickte Wesen. Was sie kennen, empfangen sie mit offenen Armen und was ihnen fremd ist, fürchten sie.<<
Keigo schluckte und unterband ein leises Winseln. Er konnte sich nicht mehr halten und viel schlurfend zu Boden. Kopf in seinen Knien. Versteckt vor dem Blick seines Vaters.
>>Wenn du das einfach nicht verstehen willst, kann ich nichts mehr für dich tun.<<
Und so ging er fort. Vom Käfig und Dorfplatz. Keigo ließ er zurück. Mit seinen Tränen, der Frust, Verzweiflung und Verwirrung, die ihn drohten zu verschlucken.
Ein Grinsen, das er sich nun nicht mehr verkneifen konnte, zierte sein Gesicht.
Das Boot würde schon früher oder später kentern und die Wirklichkeit würde diesen Dämon verschlingen, wie das stürmische Meer.
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