Kapitel 1

Ich starre an die Decke, zähle die Punkte.
Okay, El, du schaffst das, du wirst jetzt nicht anfangen zu heulen, zähl einfach die Punkte. Eins, zwei, drei-
Oder vielleicht sollte ich einfach Frau Stubenhuber bitten mich kurz zur Toilette zu lassen?
„El, was ist heute nur los mit dir?", flüstert mir Maja zu. Ich schaue zu ihr und schüttele nur den Kopf. Maja hat's bis jetzt nicht gecheckt, also sag ihr später einfach, dass du schlecht geschlafen hast, das kauft sie dir so oder so ab. Das ist seit Jahren ein Problem, also wird sie schon glauben, dass ich einfach die Nacht nicht wirklich geschlafen habe.
Auf keinem Fall darf Maja erfahren, was seit Wochen mit mir los ist. Ihre Beziehung ist in die Brüche gegangen, da braucht sie meine Probleme erst Recht nicht. Sie sagt ständig sie hätte eine Depression, aber ich glaube, dass es einfach das gebrochene Herz ist, was natürlich nicht weniger schlimm ist, aber naja. Grundsätzlich dürfen zwei Personen nichts von meinem Zustand erfahren. Maja und Tomas. Wenn Tomas erfährt, wie es in mir drinnen ausschaut, dreht er durch vor Sorge und dann macht er sich auch noch Schuldgefühle, weil er es bis jetzt nichts gecheckt hat und das will ich nicht, weil dann muss ich ihn trösten und dann fühlt er sich noch schlechter, weil er mich eigentlich trösten muss, also würden wir immer im Kreis laufen. Ich liebe Tom ehrlich, aber das ist mir dann doch etwas zu anstrengend.

Manchmal denke ich mir einfach, dass ich meinen Rucksack packe und einfach in den Zug steige. Mir eine Pause nehme, um einfach einmal durchzuatmen, aber ich kann das nicht machen.
Eigentlich habe ich nicht einmal das Recht mich so beschissen zu fühlen. Grundsätzlich geht es mir doch eigentlich gut. Ich habe eine super Familie, die mich immer unterstützt, tolle Freunde, recht gute Noten, aber trotzdem stecke ich in diesem dunklen Loch fest, das meine Mutter gerne Depression nennt. Aber ich weigere mich, das genauso zu sehen. Sie ist die Einzige, die wirklich gecheckt hat, was in mir vorgeht, jedenfalls fast. Es überfordert sie. Vor zwei Jahren hat sie genau dasselbe gemeint, da ging es mir nicht ganz so schlecht wie jetzt, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Ich, in einer Depression. Das ist ja irre. Ich, der Sonnenschein in Person, soll depressiv geworden sein? Die Person, die über jede Kleinigkeit lachen konnte.
Doch sogar mir wird klar, dass die Sache ernst ist. Sogar ich weiß jetzt, dass die Sonne untergegangen ist und sich wehrt wieder aufzugehen. Ich habe die Nacht sowieso lieber, aber nicht einmal der Mond will mir einen Besuch abstatten und die Sterne haben mich schon letztes Jahr verlassen. Eigentlich schade.
Ob sie jemals wieder zu mir zurückkehren werden?
Ich werde aus meinem Gedankenzug geholt, als mich Maja mit ihrem Ellbogen anstoßt. „Hast du ein Vogel gesehen oder wieso schaust du so gespannt aus dem Fenster?"
„Ach Maja, du hast ja keine Ahnung von der Natur, sie kann einen manchmal einfach überwältigen, nicht war El?", Tom legt den Arm um meine Schulter als wir aus dem Biosaal gehen. Er ist fast zwei Köpfe größer als ich. Er ist im Sommer ziemlich gewachsen.
„Oh bitte, fang nicht wieder mit dem romantischen Gerede über Natur an, das ist einfach-" Mein Kopf schaltet wieder weg, während Tom und Maja diskutieren. Manchmal frage ich mich, wieso die beiden eigentlich befreundet sind. Sie tun nicht als zu streiten und zu diskutieren, aber vielleicht ist es genau das, was sie so zu guten Freunden macht. Sie können Spaß haben und sich streiten. Keine Ahnung, es wird immer ein Rätsel für mich sein.
„Tom, du schuldest mir eine neue beste Freundin, du hast diese hier mit Blumen und Vögel angesteckt. Sieh sie dir nur an!" Maja verschränkt ihre Arme vor die Brust und ihre Augen sind nur noch als Schlitzen bemerkbar. Tom fängt an zu lachen und ich muss lächeln. Du verdienst es nicht zu lächeln!
Klappe, natürlich tu ich das
Ach ja?
Ja!
Wir wissen beide, dass du es doch selbst nicht glaubst
Wovon redest du, ich bin du!
Eben
Ich werde noch verrückt, ich fange tatsächlich an, mit mir selbst zu diskutieren. Doch der Teil, der mich ins Dunkeln zieht, hat gewonnen, das Lächeln wusch sich aus meinem Gesicht.

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