Was niemals verschwindet

Das hier ist meine Abgabe für den As Cool As Ice Schreibwettbewerb:

Was niemals verschwindet

Der Regen ist wie ein Sternenhimmel. Voller kleiner Punkte, die bald nicht mehr zu sehen sein werden, doch genauso wie die Sterne verschwindet das Wasser nie gänzlich. Aber Menschen tun es. Und das tut mir weh.

Ich bin ein Feigling. Kay ist gestorben und ich halte nicht einmal die Trauerfeier aus. Nein, stattdessen renne ich einfach davon, renne vor etwas davon, wovor man sich nicht verstecken kann. Denn es ist bereits zu spät für ihn.

Ich sinke auf die durchweichte Wiese unter mir. Ich spüre gar nicht, wie kalt der Regen ist oder wie durchtränkt ich von dem ganzen Wasser bin. Ich kann nur daran denken, wie all die Leute, um ihn getrauert haben. Wie sie geweint haben und wie sie es einfach über sich ergehen lassen haben. Nur ich nicht. Ich konnte es nicht. Ich konnte nicht wahrhaben, was passiert ist.

»Hey, Vara was ist los? Wieso bist du gegangen?«, fragt mich eine vertraute Stimme, die ich jetzt nicht hören will.

»Lass mich einfach in Ruhe Ray.« Bitte geh, bitte geh, bitte geh.

Es ist wie die Nacht vor seinem Tod.

»Nein. Vara, es ist eisig kalt.«

Es regnet und ich höre uns lachen, als wir durch den Wald rennen.

»Mir egal.«, sage ich zu meinem Bruder.

Der Boden ist matschig und rutscht unter unseren Füßen weg. Donner grollt.

»Wir gehen jetzt nach Hause.« Er greift nach meinem Arm.

Wir folgen der reißenden Strömung des Flusses, neben dem wir her laufen.

Ich entreiße Ray meinen Arm. »Nein.«

Kay rutscht ab. Ich höre seinen kurzen Schrei.

Ray versucht trotzdem, mich weiterhin hoch zu hieven.

Aber ich renne weiter mit den anderen mit und achte nicht mehr auf Kay.

»Es ist nicht deine Schuld, dass er gestorben ist!«, brüllt Ray. Aber doch, das ist es.

Ich werde müde, sehe nach Kay. Doch er ist nicht mehr hinter mir.

»Es reicht.«, sage ich tonlos und reiße mich von ihm los.

Ich verliere die anderen aus den Augen, aber es ist mir egal. Ich muss Kay finden. Ich suche und suche und suche...

»Nein, Vara bitte. Vielleicht ist er gestorben, aber es gibt hier noch Leute, denen du wichtig bist.«, redet Ray weiter auf mich ein. Ich höre ihm nur halb zu. Die Bilder, die vor meinem inneren Auge vorbeiziehen, sind zu schrecklich...

Stunden vergehen, aber ich vergesse die Zeit. Kay ist immer noch fort und ich... Ich sehe ihn.

Tränen laufen über mein Gesicht, verschmelzen mit dem bitterkalten Regen. Es ist, als würden wir zusammen weinen. Trauern.

Der Regen prasselt fortwährend in Strömen, aber ich ziehe Kay aus dem Flussbett. Ich lege ihn behutsam ab, aber er ist so kalt. So eisig kalt.

Es ist mir egal, dass Ray sieht, wie ich zusammenbreche. Es ist mir egal, dass er sieht, wie fertig es mich macht. Es ist mir egal, dass er mein Schluchzen selbst durch den schüttenden Regen hören muss...

Ich versuche alles, alles. Aber ich weiß eigentlich schon, dass Kay nicht mehr aufwachen wird. Ich hole mein Handy hervor, wähle eine Nummer und hoffe, dass der Regen nicht in wenigen Sekunden eindringt und das Display in Dunkelheit taucht, genauso wie Kay.

Ray packt meine Hand. Ich fühle, wie er mir etwas auf die Handfläche legt. Ich spüre jetzt schon, dass es Kays Uhr ist.

Ich sehe dem Krankenwagen nach. Ich sehe, wie sie Kay mitnehmen, obwohl sie längst wissen, dass er tot ist. Und ich bin ganz allein.

Ich halte die Uhr ganz fest, während ich und Ray zum Friedhof laufen. Keiner von uns sagt etwas. Als wir vor Kays Grab stehen, falle ich auf die Knie. Mein Herz pocht laut in meine Ohren und ich lege die Armbanduhr vor den Grabstein.

Als wir nach Hause gehen, sehe ich zum Himmel hinauf und hoffe, dass Kay, ebenso wie der Regen, auf die ein oder andere Weise nie verschwinden wird.

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