three
Denn was ich da vor mir sah, verschlug mir glatt die Sprache. Ich schaute zu Nathan herüber und auch er war fassungslos.
Vor mir sah ich eine riesige Festung, so groß wie ich noch nie ein Gebäude gesehen hatte. Auch, wenn ich mir da nicht so sicher war.
Jedenfalls war sie so riesig, dass sie beinahe das komplette Tal ausfüllte, welches wirklich nicht gerade klein war.
Der Kern der Festung war ein Gebäude, dass einem luxuriösen Schloss ähnelte. Es war prunkvoll gebaut mit vielen Verzierungen und Springbrunnen. So, wie man sich eine Luxusvilla eben vorstellt.
Um das Schloss herum war eine hohe, breite Mauer gebaut, auf der im Abstand von etwa 10 m eine Wache bereit war, jeden Angreifer in die Flucht zu schlagen.
In der Mauer befanden sich wohl auch noch Räume, denn ich konnte dort unzählige Fenster erblicken, hinter denen ich von der Entfernung allerdings nichts erkennen konnte.
Dass sich diese Räume in der Mauer befanden, wunderte mich nicht, breit genug war sie schließlich.
Das ganze Gebäude hätte schön sein können, sogar bei der Mauer hätte man noch ein Auge zukneifen können, wenn nicht alles so scheußlich dunkel gewesen wäre.
Die ganze Festung war rundum in schwarz gestrichen, sogar der große Palast in deren Mitte war pechschwarz.
Ich konnte spüren, dass dies ein dunkler und zugleich sehr mächtiger Ort war.
Aber durch irgendeine Weise fühlte ich mich dieser Baute hingezogen. So, als ob ich dort irgendwas zu erledigen hätte.
Ich kam nicht von dieser Vorstellung weg, mich darein zu schleichen. Ich hatte das Gefühl, dass dies meine Aufgabe war und jetzt wusste ich, was zu tun war.
Aber wie sollte ich das Nathan klar machen, der erschrocken und voller Angst auf diese Festung blickte.
Ich beschloss, dass der einfachste und unkomplizierteste Weg war, ihm einfach zu sagen, was in mir vorging. Aber erstmal mussten wir hier weg.
Wenn wir einen geeigneten Platz zum Schlafen finden könnten, könnte ich ihm das alles in Ruhe erklären und wir könnten einen Plan ausklügeln, falls er mir wirklich dabei helfen würde.
Wir kannten uns ja kaum zwei Tage, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir jetzt schon gute Freunde geworden waren.
Ich konnte diese Festung nicht lange angucken, sie wirkte so gruselig und traurig. Das ganze Gebäude und diese Trostlosigkeit setzten mir ganz schön zu, und ich glaube das ging Nathan auch so.
Also zog ich ihn ein Stück von dem Abgrund weg und sagte leise: ,,Ich glaube, es wäre besser uns einen ruhigen Platz zum Schlafen zu suchen."
Ohne zu zögern nickte er und wir nahmen Kurs auf den dichten Wald. Nicht weit waren wir gelaufen, da fanden wir auch schon eine Art kleine Höhle in einem Felsen.
Dort konnte man gut ein Feuer entfachen und es blieb einigermaßen warm. Außerdem war der Wind hier nicht so stark.
Wir legten ein wenig Laub auf den kalten Steinboden, damit wir bequem saßen und suchten ein wenig Feuerholz.
Kurz darauf saßen wir gemütlich in der Höhle und redeten über diese unheimliche Festung. „Ich weiß, diese Festung ist total gruselig und dunkel, aber gerade das macht sie auch so geheimnisvoll", sagte ich und hoffte, die Kurve dabei irgendwie hinzubekommen.
Nathan blickte mich stirnrunzelnd an. „Wie meinst du das?", wollte er dann wissen.
„Ich muss da rein", sagte ich, nachdem ich die Luft angehalten hatte.
Nathan schaute mich an. In seinem Blick lag Verwirrung und Fassungslosigkeit. „Bist du jetzt völlig übergeschnappt?" Mit so einer Reaktion hatte ich ja schon gerechnet.
,,Nathan, bitte. Ich weiß, dass ich es muss. Ich spüre etwas, wenn ich diese Festung ansehe. Nur muss ich erst noch herausfinden, was."
Nathan beobachtete mich mit zusammengekniffenen Augen. In seinem Gesicht konnte ich keinerlei Mimik erkennen.
,,Na gut", sagte er dann auf einmal. ,,Aber du gehst da nicht alleine rein." Als ich ihn ansah, huschte mir ein kleines Lächeln über mein Gesicht. ,,Willst du damit sagen du kommst mit?", fragte ich erstaunt.
Damit hatte ich nicht gerechnet. ,,Ja, genau das will ich damit sagen. Auch wenn ich mich selbst nicht mehr verstehe, aber was habe ich denn schon zu verlieren? Entweder ich sterbe dort, oder ich sterbe hier draußen in der Kälte. Da kann ich dich doch wenigstens noch begleiten."
Da hatte er mal wieder recht. ,,Na dann", sagte ich, ,,müssen wir dort nur noch unbemerkt hineinkommen."
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In den nächsten Stunden entwickelten Nathan und ich einen „Schlachtplan". Wir überlegten uns, wie wir unbemerkt ins Tal kommen könnten und wie wir uns dann in die Festung schleichen würden, ohne von den Wachen gesehen zu werden.
Das war wirklich leichter gesagt als getan, denn auf den Türmen befanden sich nicht gerade wenig Wachen.
Wie wir die Tür aufbekommen wollten, was auch ein Rätsel. Sie sah nicht wirklich so aus, als ob man sie einfach aufbrechen konnte.
Aber am Ende hatten wir uns auf eine doch ganz vernünftige Strategie geeinigt und waren zufrieden. Bevor wir allerdings aufbrechen wollten, beschlossen wir uns noch ein wenig auszuruhen.
Ich glaube, ihm ging es in Wirklichkeit so wie mir. Die Festung war in der Nacht noch viel unheimlicher als schon am Tag.
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Am nächsten Morgen wurden ich leider nicht durch schönes Vogelgezwitscher geweckt, sondern durch Nathan, der schon aufgestanden war um seine Sachen zusammen zu packen und dabei ununterbrochen gähnte.
Als er bemerkte, dass ich ebenfalls wach war nickte er mir zu und sagte: ,,Guten morgen", bevor er abermals gähnte.
Ich musste lächeln als ich erwiderte: ,,Na, ausgeschlafen?" Nathan schüttelte nur ebenfalls lächelnd den Kopf. ,,Ich habe nicht sonderlich gut geschlafen."
Ich konnte ihn verstehen, denn genauso war es auch mir ergangen. In meinem Kopf rauschten unglaublich viele Gedanken umher, dass ich einfach nicht in der Lage gewesen war, das alles auszublenden.
So war ich oft in der Nacht hochgeschreckt, nur um dann zu bemerken, dass ich mir keine Sorgen machen musste.
Heute war der große Tag. Der Tag an dem wir diese unheimliche, aber zugleich auch unglaublich interessante Festung betreten würden.
Vorausgesetzt, wir würden es wirklich schaffen. Aber ich versuchte mir nicht auszumalen, was passieren würde, wenn wir es nicht schaffen, und entdeckt werden würden.
Auch Nathan konnte ich seine steigende Nervosität ansehen. Er ging auf und ab und murmelte allerlei unverständliche Wörter.
Vermutlich ging er nochmal den Plan durch. Als wir beide auch alles zusammengepackt hatten, was wirklich nicht viel war, konnte es losgehen.
Ich glaube wir beide waren sehr aufgeregt, aber versuchten, das nicht so zum Vorschein zu bringen. Allerdings vermutete ich, dass ich es genauso wenig schaffte, wie er.
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Der erste Teil des Plans bestand daraus einen geschützten Abhang zu finden, der nicht so steil in das Tal hinabführte.
Um die Festung herum gab es immer mal einzelne Baumgrüppchen, die sehr dicht aneinander wuchsen. Sie würden bestimmt eine gute Deckung aufweisen.
Aber erstmal mussten wir überhaupt dort herunter kommen. Wir liefen also ein Stück am Abgrund herum und hielten Ausschau nach einem guten Abstieg.
Um ehrlich zu sein nahm dies mehr Zeit in Anspruch als wir vorher erwartet hatten. Nach ein paar Stunden fanden wir dann aber endlich einen guten Platz um den Berg herunterzugehen, mit vielen Bäumen als Deckung.
Schon als wir anfingen herunterzusteigen rutschte mein Herz immer tiefer und mein Selbstbewusstsein wurde immer kleiner. Erst jetzt merkte ich, dass das alles hier keine gute Idee war. Aber umkehren konnte ich jetzt auch nicht mehr. Ich musste nur hoffen, dass ich das überleben würde.
Wir stiegen also schweigend immer weiter hinab und die Festung vor uns wurde immer größer. Als wir beinahe unten angekommen waren, war die Festung so riesig und schwarz, dass ich schlucken musste.
Jetzt, wo ich erst selbst hier unten stand fiel mir auf, dass es unmöglich sein musste dort hineinzukommen.
Aber immer noch spürte ich dieses Verlangen dort hineinzugehen, so als ob das meine Mission wäre. Ich musste da jetzt durch.
Nathan und ich liefen von Baum zu Baum und hofften, dabei unentdeckt zu bleiben. Die Wachen schauten stur geradeaus mit keinerlei Gesichtsausdruck. Sie wirkten wie erstarrt. Aber wahrscheinlich würden sie sofort Alarm schlagen, wenn sie einen Eindringling entdeckten.
Wir arbeiteten uns gut voran und waren sogar relativ schnell. Mein Gehirn arbeitete von selbst, ich wusste genau, was ich zu tun hatte. Genau, welchen Schritt ich als nächstes gehen musste.
Es dauerte nicht lange, da waren wir schon am vorletzten Baum angekommen. Nur noch eine Lücke mussten wir zum letzten Baum überwinden.
Wenn wir dort angekommen waren, mussten wir uns überlegen, wie wir durch die Tür kommen wollten. Wir hatten nämlich um ehrlich zu sein nicht damit gerechnet, so weit zu kommen. Wir dachten, dass wir bestimmt schon vorher entdeckt und in die Festung gebracht werden würden, aber nun hatten wir es fast geschafft.
Nathan schaute mich an und sagte leise, aber trotzdem kräftig: „Los!" Und dann liefen wir.
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Nathan war schnell und hatte es schon bald geschafft, aber ich achtete einen Moment nicht auf den Boden und schon stolperte ich.
Ich lag mitten auf der Wiese, und sobald jemand der Wachen in meine Richtung schaute, war ich geliefert. Während ich mich aufrappelte um weiterzulaufen, blickte ich nach oben zu den Wachen.
Ein Schauder lief mir über den Rücken. Einer der bewaffneten Männer schaute direkt zu mir. Er konnte mich unmöglich übersehen haben, ich lag ja praktisch auf dem Präsentierteller.
Jeden Moment würde er seinen Kollegen bescheid sagen und dann würden sie runterkommen und mich mitnehmen. Und wenn sie mich einmal hatten, dann würden sie garantiert auch Nathan finden.
Wenn ich nur unsichtbar sein könnte! Alles würde so viel einfacher sein, wenn man einfach nur nicht sichtbar für die anderen wäre. Wenn man praktisch nicht da wäre.
Ich blickte noch einmal auf zu der einen Wache, die mich vorhin mit eiskaltem Blick direkt angesehen hatte. Ich vermutete, dass dieser gerade seinen Kollegen mit Zeichen andeutete, dass ein Eindringling sich Zutritt zu verschaffen versuchte.
Doch als nach oben sah, sah ich in ein verwirrtes Gesicht, das mit den Augen die Wiese abzusuchen schien, sein Ziel aber nicht finden konnte.
Was hatte das zu bedeuten? Warum blickte er mich nicht einfach an, er musste ja wohl mich suchen, wen denn auch sonst? Ich war ja nicht wirklich schwer zu finden.
Ich blickte zu Nathan, der musste das ganze ja mitbekommen haben. Aber auch dieser sah verwirrt und ungläubig aus. Auch er suchte die Gegend mit seinen Augen ab, aber konnte nichts entdecken. Was war nur los mit ihnen?
Dann blickte ich an mir selbst herunter und es verschlug mir den Atem, was ich da sah. Oder besser gesagt, nicht sah.
Ich konnte meinen eigenen Körper nicht mehr sehen. Ich spürte, wie ich meine Hand hob, doch sehen konnte ich sie nicht. Ich wurde nervös und fing an zu zittern.
Was war nur los mit mir? Warum war ich so plötzlich unsichtbar geworden? Seit wann besaß irgendjemand solch außerordentliche Kräfte?
Ich konnte nicht träumen, das zeigten mir schließlich die Gesichter von Nathan und der Wache, die beide noch immer verwundert zu suchen schienen.
In der ganzen Aufregung hatte ich völlig vergessen, weiterzulaufen und genau das wollte ich jetzt nachholen. Ich lief zu dem Baum doch als ich dort ankam, war Nathan verschwunden.
Ich bekam einen großen Schrecken. Hatte ich ihn an die Wachen verraten, als ich zu ihm geblickt hatte? „Nathan?", flüsterte ich ängstlich.
Plötzlich hörte ich eine Stimme hinter meinem Ohr: „Keine Sorge, ich bin hier." Es war die Stimme von Nathan, aber wie konnte das sein? Ich konnte ihn nirgendwo erblicken.
„Wo bist du?", fragte ich verwirrt. „Direkt hinter dir, aber du kannst mich nicht sehen." Ich fuhr herum, aber ich sah nichts als die grüne Wiese mit Bäumen.
„Warum nicht?", wollte ich wissen. Aber er antwortete nur: „Das erkläre ich dir später, jetzt müssen wir erstmal sehen, dass wir in die Festung kommen!" „Und wie sollen wir das machen?", fragte ich genervt.
„Wir sind doch unsichtbar", meinte er, „und die Tür, lass das mal meine Sorge sein." Er klang zuversichtlich, auch wenn ich mir nicht erklären konnte, wie er so entspannt sein konnte.
Immerhin war ich gerade vor seinen Augen verschwunden und er war nicht vollkommen ausgerastet! Er war verwundert, keinen Zweifel, aber er schien nicht völlig aus dem Häuschen gewesen zu sein, was mich sehr stutzig machte.
Ich versuchte, die Gedanken nach hinten zu drängen und mich erstmal auf unsere „Mission" zu konzentrieren.
Nathan zählte hinter mir bis drei und dann liefen wir los. Ich sah ihn nicht, aber ich konnte spüren, dass er dicht bei mir war.
Wir liefen einfach geradeaus über die Wiese, ohne jegliche Deckung und die Wachen schienen uns kein bisschen zu bemerken.
Auch der eine Mann, der mich vorher entdeckt hatte, hatte seinen Blick nun wieder stur geradeaus gerichtet.
Wir liefen weiter und der Weg schien endlos lang zu sein. Wenn wir nicht unsichtbar gewesen wären, hätten wir das niemals geschafft ohne dabei entdeckt zu werden.
Die Tür kam immer näher und ich wollte gerade abbremsen, da öffnete sich plötzlich das große schwere Tor wie von Geisterhand.
Ich zögerte nicht lange und lief hindurch. Hinter mir schloss sich die gewaltige Tür mit einem lauten Knall.
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