4. Seraphina

Der kalte Wind schlug mir ins Gesicht und Schotter knirschte laut unter meinen Füßen. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah in Cassians braune Augen.

"Wie weit ist es noch?", schrie ich gegen die heftigen Böen an.
"Ich dachte du bist die Expertin", stichelte er.

"Seit ich herausgefunden das du eine lebende Karte bist, mache ich mir nicht mehr die Mühe nachzusehen", konterte ich sofort. Wir hatten gestern Abend noch ein wenig über die weiteren Schritte gesprochen und noch während ich meine Tasche nach einer Karte durchforstet hatte, hatte er mir den Weg bis nach Kota genauestens beschrieben.

Nun murmelte er etwas unverständliches und schrie zurück: " Noch etwa zwei Meilen, dann sollten wir angekommen sein"

Also stapften wir weiter, bis ich die salzige Meeresluft schmecken konnte. Der Wind wurde stärker, je näher wir der See kamen. Ich zog die dicke Kapuze meines Capes über meine Locken und knotete sie feste unter meinem Kinn zu. Langsam begann ich zu frieren.
Schließlich sah ich die ersten Lagerhallen von Kota hinter den grauen Mauern aufragen. Dadurch das die Stadt so nah am Meer lag, war sie eine große Warenannahmestelle und zog viele Händler und Käufer an. Man merkte deutlich das die Schwarzmagier noch nicht bis hierher vorgedrungen waren. Denn mit uns strömten noch viele andere Menschen durch ihr Eingangstor.

Sobald wir die Tore hinter uns gelassen hatten, schwächte der Wind erheblich ab – er wurde von den Mauern aufgehalten, und ich verlangsamte meinen Schritt, um die Umgebung zu beobachten. Um mich herum wuselten die verschiedensten Menschen, sie unterhielten sich angeregt und sahen sich verschiedenste Stände an.

Händler buhlten laut um die Aufmerksamkeit der Menschen und priesen ihre Waren an, in der ferne sahen ich die ersten Segelschiffe, welche in den Hafen trudelten.

Einen Moment lang ließ ich mich von der Masse treiben, vergaß die Probleme und den Hass.

Eine Hand berührte mich an der Schulter, es war Cassian, der mittlerweile neben mir lief.

"Was suchen wir hier eigentlich?"

Ich konzentrierte mich wieder auf meinen Plan:" Du solltest lieber Fragen, wen wir suchen", korrigierte ich ihn und ich ein silbernes Amulett aus meiner Tasche nahm. Er beobachtete mich skeptisch, während ich mein Cape ein wenig öffnete und mir die Kette gut sichtbar umlegte. Dann lief ich bestimmt auf einen Stand mit teurer Kleidung zu und sah sie mir an.

"Was soll das denn werden?", fragte meine Begleitung sogleich.

"Schttt", machte ich, "Warte einfach ab"

Einige Minuten vergingen, ich ließ meinen Blick erneut umherschweifen, Zweifel bahnten sich den Weg in meinen Kopf, aber ich verscheuchte sie energisch und entschied mich ein wenig nachzuhelfen.

Ich konzentrierte mich und spürte, wie das Amulett warm wurde, fast gleichen Moment sah ich aus dem Augenwinkel wie Cassians Blick daran kleben blieb.

"Na immerhin wirkt der Zauber", dachte ich und warte weiter. Da sah ich eine weitere Bewegung, ein junger Mann rempelte mich an, vielleicht siebzehn Jahre alt.

"Verzeihung", murmelte er und quetschte sich an mir vorbei, als das warme Gefühl verschwand. Ich wirbelte herum und hielt ihn am Handgelenk fest. Mit der anderen Hand fasste ich an meinen Hals, das Amulett war weg. Hätte ich es nicht verzaubert, wäre mir sein Verlust nicht aufgefallen.

Der junge Mann versuchte sein Handgelenk aus meinem Griff zu wenden, " Entschuldigung Ma'am, habe ich irgendetwas falsches getan?"

Ich musterte ihn, er war recht klein und sein kohlrabenschwarzes Haar biss sich mit seiner fast kränklich weißen Haut, doch seine Augen funkelten. Er war fast noch ein Kind.

"Ich habe dich gesucht, dein Name ist Fate nicht wahr?", sagte ich selbstbewusst.

"Nein, sie müssen mich verwechseln", widersprach er mir sofort, doch für eine Sekunde waren ihm die Gesichtszüge entglitten und das reichte mir, um mit Sicherheit sagen zu können, dass ich Recht hatte. Das hatte er wohl auch bemerkt, denn er riss blitzschnell den zweiten Arm nach oben und stieß meine Hand weg, drehte sich um und wollte wegrennen, aber Cassian reagierte noch schneller als er und drehte ihm die Arme auf den Rücken.

Die anderen Besucher begann bereits uns anzustarren, also beugte ich mich nach vorne und brachte meine Lippen neben sein Ohr:" Folgender Vorschlag, du zeigst uns, wo du gerade haust, und ich unterbreite dir dort, was ich von dir will. Andernfalls sage ich allen hier, was für ein Dieb du doch bist und gebe ihnen ihre Wertsachen zurück"
Fate knurrte, erwiderte jedoch nichts. Er richtete sich auf und ging voraus. Cassian beugte sich flüsternd zu mir hinab:" Ein Dieb", flüsterte er immer noch skeptisch " Was soll das werden wenn's fertig ist?"

"Warts ab", entgegnete ich bloß und lief gelassen dem dunkelhaarigen Jungen hinterher.

Nach einigen Kreuzungen stieß er die klapprige Tür eines alten Schuppens auf, sie hing schief in den Angeln und ihre Farbe blätterte ab. Hinter ihr befand sich etwas, dass man nur mit Mühe und Not als bewohnbar bezeichnen konnte.
Es war nur ein einziges Zimmer, welches von einem einzigen Fenster spärlich erhellt wurde. Der alte Dielenboden knarzte bei jedem Schritt, die Luft war staubig und trocken. Das einzige Mobiliar des Raumes bestand aus einer dünnen Pritsche, auf welcher eine löchrige Pferdedecke lag und einem kleinen Tisch, dessen Tischplatte auf Kniehöhe angebracht war.

Fate lief auf eben diesen Tisch zu und ließ sich zu Boden sinken, ich tat es ihm nach. Er sah mich auffordernd an: "Also?"

Ich beschloss die Karten offen auf den Tisch zu legen:" Ich möchte das du mir ein besonderes Artefakt stielst"

"Ein bisschen präziser"

"Die Karte nach Ozaron"

Er sog scharf die Luft ein: " Klar, sonst noch ein Wunsch?! Vielleicht der Kopf des Schwarzmagier König ?!", seine Stimme troff nur so von ungläubigem Sarkasmus.

"Das ist das Ziel, was wir verfolgen", gab ich zu.

Er lachte auf, es war ein bitteres Lachen ohne eine Spur von Freude:" Bist du lebensmüde, wir können von Glück reden, das wir noch existieren und du willst..."

Cassian unterbrach ihn:" Was ist das überhaupt?"

Fate sah ihn ungläubig an, doch ich antwortete, bevor er es tun konnte:" Die einzige Möglichkeit zum Schloss des Unsterblichen zu gelangen"

"Die sich derzeit wahrscheinlich in der Schatzkammer irgendeines reichen Idioten befindet und für jeden anderen unerreichbar ist", führte Fate meinen Satz fort.

"Nicht für dich", konterte ich, "Du warst schon Mal im Norden, du bist geschickt und du weißt wie man mit den Menschen dort umgehen muss"

Er schüttelte den Kopf:" Da könnte ich mir genauso gut ein Messer durch die Brust rammen, was wollt ihr überhaupt in Ozaron"

"Den Unsterblichen darüber ausquetschen, wo wir den Anführer der Schwarzmagier finden und wie wir ihn besiegen", sagte ich.

"Dir ist schon klar, dass dein toller Plan auf der Tatsache basiert das es den Unsterblichen gibt"

Unwillkürlich dachte ich an mein gestriges Gespräch mit Cassian, er hatte genau das Gleiche gefragt.
Als ich nicht antwortete, schnaubte Fate: "Dachte ich mir", er stand auf und ging Richtung Tür," Ihr könnt euch schön ohne mich umbringen"

Ich kniff die Lippen zusammen, so leicht wollte ich nicht aufgeben:" Wenn wir es schaffen, hast du ewigen Reichtum", ich sah mich um," und musst nie wieder auf einer Pritsche schlafen".

Fate blieb stehen, ich beobachtete, wie seine Schultern sich anspannten: "Und wenn wir es nicht schaffen?", seine Stimme zitterte," wenn irgendetwas an diesem beschissenen Plan nicht funktioniert?"

"Dann werden wir sterben"

"Das werden wir so oder so", murmelte Cassian, überrascht sahen Fate und ich ihn an.

"Entweder, weil uns die Schwarzmagier niedermetzeln oder weil wir versucht haben etwas zu ändern", er machte eine kurze Pause, " Wir sind nicht die ersten mit diesem Ziel und wir wären auch nicht die ersten die scheitern, also was habt ihr – was haben wir zu verlieren?"

Fate seufzte: " Also schön, aber ich mache das hier für Geld, nicht für irgendwelche Menschen"

"Deine Moral ist nicht meine Sache", sagte ich und richtete mich auf," Pack deinen Kram wir brechen auf"
Ohne einen weiteren Kommentar tat er, was ich verlangte, und warf seine wenigen Habseligkeiten in eine Tasche. Dann stellte er die Pritsche gegen die Wand und schob den Tisch davor. Fate drückte die Tür auf:" Ich habe hier nicht gerade viel Freunde, wir verlassen die Stadt auf meine Art"

„Seine Art" war ein schmaler Weg zwischen verschiedensten Lagerhallen der schier endlos zu sein schien. Er war gerade so breit, dass man seitlich gerade so hindurch passte und stank nach Fisch.

„Hast du so viele Feinde das wir uns hier durchquetschen müssen", fragte Cassian murrend der mit seinen breiten Schultern zum wiederholten Mal an der Wand hängen blieb.

Fate's „Psst", war Antwort genug. Gerade als wir das Ende des Durchgangs erreicht hatten, blieb er stehen und sah sich um, bevor er rasch weiterlief.
Ich schüttelte augenrollend den Kopf, es würde ihn schon niemand umbringen. Doch zehn Sekunden später wurde ich eines Besseren belehrt.

Wir waren fast an der nächsten Passage angekommen, als eine Gestalt seitlich auf Fate zu stürzte und ihn zu Boden riss. In einer schnellen Bewegung saß sie auf seiner Brust und drückte ihm mit den Knien die Arme an den Körper. In der rechten Hand ein Messer, die Linke an seinem Hals fauchte sie ihn an.

Cassian sprang nach vorne, wurde allerdings sofort von einer weiteren Person festgehalten, danach war ich klug genug mich nicht zu bewegen.

„Hab' ich dich endlich, du kleine Kanalratte", zischte die Gestalt auf Fates Oberkörper. Es war eine Frau mit langer blonder Mähne und eisblauen Augen. Sie war gänzlich in schwarz gehüllt.

„Noah", sagt Fate," was für eine freudige Überraschung", sein Tonfall war unverkennbar sarkastisch.

Noah knurrte:" Werd' nicht frech", sie senkte das Messer ein wenig näher an sein Gesicht," Du hast immer noch etwas, dass ich wieder
haben will" 

"Ich hab's nicht mehr"

Noah nahm die Hand von seinem Hals und schlug ihm ins Gesicht:"
Falsche Antwort, Ratte"

Fate zuckte zusammen, ich verkrampfte mich, ich musste eingreifen. Meine Blicke huschte zu Cassian, er wurde von einem Hünen mit kalkweißem Haar in Schach gehalten. Weder er noch die blonde Kämpferin beachteten mich.

"Ich hab's verkauft, vor Monaten schon", sprach Fate weiter.

Noah schlug ihn wieder, diesmal mittig ins Gesicht, ich sah, wie Blut unter ihrer Faust hervor spritzte und rannte nach vorne. Jetzt oder nie.

Fate hatte wohl den gleichen Gedanken gehabt, denn er riss den Kopf in die Höhe und versucht sich auf die Seite zu rollen, ich stürzte mich auf seine Angreiferin.

Wir rollten über den Boden, sie stach mit dem Messer nach mir und ich schlug mit den Fäusten auf sie ein. Bereits nach wenigen Sekunden waren wir beide Blutverschmiert, doch Noah gewann die Überhand. Sie lag über mir und ich konnte nichts anderes tun als ihre Stiche und Schläge abzuwehren.

"Fate", schrie ich, "Hilf mir,
verdammt noch mal!".

Ich riss meinen Kopf umher, doch konnte ihn nicht entdecken, als meine Angreiferin ein ersticktes Keuchen ausstieß. Seile hatten sich um ihren Oberkörper geschlungen und pressten ihr die Luft aus den Lungen. Sie kippte seitlich von mir herunter, ich rappelte mich auf. Fate stand hinter mir, die Arme ausgestreckt, den Blick fest auf Noah fixiert.

"Gern geschehen", sagte er.

Ich sah mich nach Cassian um und traute meinen Augen nicht, als seine Hände violett zu glühen begannen, nein, sie brannten sogar. Der Hüne, der ihn festzuhalten versuchte, brüllte vor Schmerz, während sein Fleisch regelrecht von seinen Knochen schmolz. Cassian ließ ihn links liegen und lief auf uns zu.

"Das ist neu", kommentierte ich seine brennenden Hände.

"DAS, ist ein Fluch", entgegnete Fate bevor Cassian etwas erwidern konnte," Bleib mir bloß weg damit"

Ich schüttelte nur den Kopf, während ich zu sah, wie die Flammen langsam erloschen.

"Du wirst das hier noch bereuen Ratte, dass schwöre ich dir", krächzte Noah.

Fate grinste selbstgefällig:" Wohl kaum". Dann drehte er sich zu uns um:" Wenn ich den Zauber unterbreche, rennen wir los".
Gesagt getan, er unterbrach den Zauber, wirbelte herum und stürmte los, ich konnte bereits sehen, wie Noah aufsprang als ich mich ebenfalls umwandte und ihm hinterher sprintete.

Zu meiner Überraschung begann Fate zu lachen, während wir flüchteten. Cassian rollte mit den Augen und ich musste beinah auch lachen, es war offensichtlich, wie wenig er von Fate hielt. Sich, aber trotzdem bemühte nichts zu sagen. Was er auch zugegebenermaßen nicht musste, denn seine Blicke sprachen für sich.

"Das würde noch lustig werden", dachte ich und schloss zu Cassian und Fate auf.

Wörter: 2028 

Gesamt: 6810

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