S C H I C K S A L O D E R Z U F A L L

~5. Kapitel~

~06.06.~

Der Film war so cool! Ich freue mich schon auf den nächsten Teil.", sagt Tara völlig außer sich vor Freude, während wir gut gelaunt, durch die Gegend fahren.

Wir halten an einer Kreuzung und warten auf die Farbe grün in dem runden metallischem Ampelkreis.

Mein Lieblingslied läuft.„Shallallaloowwwwww", singen wir gemeinsam so laut und übertrieben, wie wir nur können mit. Dazu schütteln wir wild unsere Köpfe und tun so, als wären wir Rockstars.

Es kommt im Leben auf den Spaß und die verrückten Momente an. Unvergessliche Dinge halt.

„Tante Lissy, die Leute gucken schon!", flüstert Tara mir beschämt zu. Es leuchtet die Farbe grün auf und die anderen, wartenden Menschen in ihren Autos, fahren los.

Das sind alles spießige Langweiler, die sich nicht trauen, vor anderen Menschen Spaß zu haben.

„Das ist egal mein Schatz, die sind nur neidisch, weil die nicht so viel Spaß mit ihrer Tante haben.", erkläre ich ihr etwas eingebildet die Wahrheit.

Irgendwann einmal sitzt mein eigenes Kind neben mir auf dem Beifahrersitz und ich werde ihm oder ihr die Welt erklären.

„Wann sind wir endlich da?", quengelt sie ungeduldig.

Diese Ungeduld hat sie eindeutig von ihrer Mum. Amelia war schon immer diejenige von uns beiden gewesen, die nie etwas abwarten konnte.

„Da wir die lange Umleitung fahren müssen, wird es noch ein bisschen dauern.", bedaure ich den nervigen Straßenverkehr.

Und dazu noch diese nervige Hitze. Was ist nur los mit der Sonne dieses Jahr?

„Aber es ist soooo heiß... ich will ein Eis. Am besten aus meinem eigenen Eiscafé.", beschwert sie sich schmollend über die pralle Mittagssonne.

Nur gut, dass ich für sie gestern Abend, als Überraschung, Zitroneneis selbst gemacht habe und es im Moment in dem eiskalten Gefrierschrank auf uns wartet. Bei dem Gedanken läuft mir bereits das Wasser im Mund zusammen.

Piep Piep

„Seit wann kann mein Auto denn sprechen?", frage ich Tara erstaunt. Bitte lass es jetzt nicht auch noch kaputt sein.

„Piiiep Piiep?"
Ich gucke Tara verwirrt an.

„Ich habe gerade nachgefragt, mal sehen was es antwortet.", kichert sie, voll in ihre Fantasie vertieft.

Ich liebe diese kleine Plinse einfach.

„Es antwortet mit einer roten Lampe. Das ist kein gutes Zeichen.", erschrecke ich mich. Eine Hitzewelle trifft meinen Körper. Angstschweiß.

Bitte lieber Gott nicht heute. Nicht in dieser Hitze. Nicht gerade jetzt.

„Hast du etwa vergessen zu tanken? Das ist Mama letztens auch erst passiert... Schwestern halt." schüttelt sie augenverdrehend ihr kleines Köpfchen.

Sie könnte Recht haben, ich war wirklich lange nicht mehr Tanken. Ich fahre rechts ran.

„Nächste Tankstelle in 6,6 km.", lese ich das unerreichbare Ergebnis von Google Maps laut vor.

Shit.

„Ist es Zufall, dass heute der 06.06. ist?", fragt mich Tara verwirrt und grübelt vor sich hin. Sie fummelt an dem Saum ihres Kleides herum, um sich selbst zu beschäftigen.

„Wohl eher Schicksal.", vermute ich mit einer gewissen Ironie in der Stimme.

An diesen Tag werde ich mich wohl noch lange erinnern.

Ich rufe einfach den Pannendienst von der nächsten Tankstelle an.", entschließe ich mich, zu der einzigen Option, die mir übrig bleibt.

Ein Glück, dass es sowas gibt. Ein Hoch auf den Erfinder des Pannendienstes.

Ich wähle die Nummer und warte mit laut klopfendem Herzen, dass jemand abnimmt.

„Tankstelle Rostock Ost, wie kann ich Ihnen helfen?", fragt jemand so schnell, dass ich kaum etwas verstehen kann.

„Hallo. Ich bräuchte dringend den Pannendienst. Ich habe wohl nicht mehr genügend Benzin in meinem Auto.", erkläre ich beunruhigt die Situation.

„Bitte schicken Sie mir Ihre Koordinaten über den Privat Chat auf unserer Website zu.", befiehlt er mir.

Ich drücke auf Lautsprecher und suche währenddessen den verdammten Chat auf der Internetseite. Die könnten ihn ja mal groß verlinken oder rot einrahmen.

„Weil heute Samstag ist, kann es 10 Minuten dauern, bis ein Kollege vorbei kommt.", höre ich die energische Stimme, erneut viel zu schnell, sprechen.

Auch das noch. Aber es kommt jemand. Hoffentlich.

„Wir warten hier.", lache ich sarkastisch, bevor er auflegt.

Wie der Mensch wohl aussieht, mit dem ich gerade telefoniert habe? Das bleibt wohl voll und ganz meiner Fantasie überlassen.

„Hilfe ist unterwegs.", verkünde ich Tara stolz.

Sie ist damit beschäftigt, auf der nebenliegenden Wiese Blumen zu pflücken. Als sie fertig ist, schenkt sie mir den Strauß.

„Die habe ich alle vorm Aussterben gerettet.", kichert die kleine Erbse mich, überzeugt von sich selbst, an.

Sie werden zwar auch so sterben, weil sie nicht mehr wachsen können, aber es ist immerhin angenehmer in einer Vase zu sterben, als von der Sonne einen tödlichen Sonnenbrand zu erhalten.

Gelangweilt sitzen wir beide mit angeschalteter Klimaanlage im Auto.

„Lass uns was spielen!", lenke ich sie vom langen Warten ab.

Sofort gehört ihre Aufmerksamkeit mir und ich ziehe ihren neugierigen Blick auf mich.

„Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist - weiß.", beginne ich mit der ersten Runde.

Da kommt sie niemals drauf.

„Die große Wolke?", fragt sie skeptisch .

Ich schüttel meinen Kopf. Sie sieht sich aufmerksam weiter um.

„Dann ist es das Gänseblümchen in meinem Strauß.", verkündet sie selbstsicher.

Och man.

„Richtig.", antworte ich enttäuscht.
Das ging schneller als gedacht.

Ein paar Runden vergehen, als sie mit großen funkelnden Augen die nächste Runde startet:
„Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist blau."

Suchend sehe ich durch das Fenster auf der Beifahrerseite, um herauszufinden, was sie gesehen haben könnte.

„Der Himmel.", antworte ich zögernd.

Ihr Grinsen wird breiter, sodass ihre Zahnlücken zum Vorschein kommen.

„Schau mal nach links.", gibt sie mir einen Tipp. Ich drehe mich um und erschrecke mich so sehr, dass mein Herz beginnt schneller zu schlagen.

Ich sehe in Kristallblaue Augen. Erneut.

Edward stützt sich mit seinem Arm ganz cool und locker an meinem Auto ab. Überrascht und doch irgendwie glücklich, sehen wir uns beide in die Augen.

„Na das ist ja ein Zufall.", grinst er genauso sehr, wie Tara nur ohne Zahnlücken.

Ist das denn wirklich möglich?

„Wohl eher Schicksal.", kontere ich über die merkwürdige Situation.

„Ist Zufall und Schicksal nicht dasselbe?", ertönt die Stimme aus dem Hintergrund.

Ich wende mich von Edward ab, um Taras Frage zu beantworten.

„Nein mein Schatz, das Schicksal sind kosmisch vorbestimmte Abfolgen von Ereignissen, also Zufällen.", versuche ich ihr meine Ansicht zu erläutern, was sie mit einem verwirrten Gesichtsausdruck erwidert.

„Das versteh ich nicht...", nuschelt sie immer leiser werdend vor sich hin und zieht sich dabei, in ihren Sitz, zurück.

Niedlich irgendwie.

Ich schenke Edward nun wieder meine volle Aufmerksamkeit. Sein Gesichtsausdruck ist nicht mehr so fröhlich wie vorhin, als wir uns begrüßt haben. An was er wohl in der Zwischenzeit gedacht hat?

„Du hast- eine Tochter?", stottert er eine Frage zusammen und schluckt anschließend schwer.

Darüber hat er also nachgedacht. Wäre das wirklich so schlimm für ihn, wenn es so wäre? Ich traue mir nicht, diese Frage laut auszusprechen, weshalb ich lachend den Kopf schüttle.

„Nein ähm- sie ist meine Nichte.", unterbreche ich kurz den Satz, um auf das tolle Wesen neben mir zu blicken.

Seine Miene erhellt sich erheblich.

"Ich fang mal besser an. Ihr wollt sicher weiter.", wechselt er zufrieden das Thema und läuft an mir, zielsicher zu seinem Auto, vorbei.

Das ist das erste Mal, dass ich ihn von hinten sehe. Man hat er ein knackiges Ärschel. Durch sein weißes Achselshirt kommen seine Muskeln, durch den Glanz des Sonnenlichtes, perfekt zur Geltung. Selbst das nervige Geräusch seiner Flip Flops wirkt durch ihn sexy.

Ich beobachte ihn, wie er die gefüllten Kanister aus seinem Auto schleppt und in mein Auto gießt. Jeder hat halt in dieser unerträglichen Hitze Durst. Auch mein Auto.

Der Tag wird mir wohl noch ewig in Erinnerung bleiben. Neue Glückszahl: 66.

„Ich wusste garnicht, dass du beim Pannendienst arbeitest?", versuche ich mit ihm langsam den Kontakt aufzunehmen, um Gottes Chance zu nutzen. Er wird ihn ja nicht ohne Grund in mein Leben geschickt haben.

Edward macht einen Schritt auf mich zu. Er beugt seinen Kopf zu mir hinunter. Wir kommen uns verdächtig nahe. Ich kann seinen feuchten Pfefferminzatem riechen und eine seiner wild, aber dennoch perfekt, liegenden Haarsträhnen streift meine Stirn.

„Du weißt vieles über mich nicht.", haucht er mir heißer und düster zu. Unsere Schultern streifen sich ganz leicht. Die Stelle kribbelt angenehm warm. Das düstere in seinen Augen kehrt zurück. Immer wenn es um ihn geht.

Fuck, macht mich das neugierig. Er ist wie eine Droge. Vermutlich sollte ich es besser sein lassen, aber er zieht mich magnetisch an.

„Ich würde gerne mehr über dich herausfinden wollen.", lächle ich ihn mutig an und spanne dabei meinen Oberkörper an.

Sein Lächeln wird größer und schiefer.

„50€ bitte.", fordert er völlig unerwartet und vom Thema ablenkend. Bedeutet das, dass er mich nicht näher kennenlernen will? Aber wieso hat er dann so gelächelt? Oder hat er sich nur innerlich über seinen Erfolg gefreut , dass ihm ein weiteres Mädchen zu Füßen liegt. Das tue ich nämlich nicht.

Genervt von allem, laufe ich zu meiner Handtasche und suche darin das verlangte Geld.

„Wie wärs mit heute Abend?", höre ich eine barmherzige Stimme hinter mir zögernd fragen.

Glaubt ihr, dass es Schicksal oder Zufall war? 🙏

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