[06]

Minho PoV

"Und du willst wirklich schon gehen?", fragte ich Jisung, der gerade vor meiner Tür stand und sich die Schuhe anzog.

"Ich muss. Wir fahren heute noch zu meinen Großeltern und da muss ich mit. Danke für das Wochenende. Es war schön."

"Immer wieder gerne. Danke dass du nicht weg gelaufen bist."

"Dafür nicht."

Ich konnte nicht anders, als ihm noch einen Kuss auf die Lippen zu drücken, bevor er jetzt ging, denn sobald er weg sein würde, wäre die Zeit mit ihm vorbei und er wäre wieder der alte. Vermutlich war das auch der Grund, warum ich mich kaum von seinen Lippen lösen konnte.

"Bis Morgen.", verabschiedete ich mich, als er sich von mir löste.

"Tschau.", verabschiedete er sich ebenfalls und ging.

Ich sah ihm noch hinterher, bevor ich die Tür schloss, als würde er sich wieder zu mir umdrehen und zurück kommen. Dabei wussten wir beide, dass das nicht passieren würde. Dieses Wochenende war eine totale Ausnahme gewesen. Zwischen Jisung und mir würde es in der Schule wieder genau so weitergehen wie zuvor, egal wie gut uns beiden die Zeit zusammen gefallen hatte.

Mit genau diesen Gedanken ging ich wieder in mein Zimmer und packte meine Sportsachen. Eigentlich hatte ich nicht vor heute tanzen zu gehen, aber ich musste irgendwie meinen Kopf frei bekommen und das hier war einfach die beste Lösung.

Ich schrieb schnell Hyunjin und Felix, mit denen ich oft zusammen tanzte, dass ich dem Studio einen Besuch abstatten würde, ehe ich mich auf den Weg machte.

Hyunjin's Familie hatte eine ganze Menge Geld, weshalb Hyunjin in der Tanzschule seiner Mutter zwei Räume hatte, in denen er tanzen konnte. Da er sowieso nie zwei gleichzeitig brauchte, hatten ich und Felix freien Zugang zu den Räumen. Es war schließlich so gut wie immer mindestens einer der Räume frei. Keiner der beiden hatte heute Zeit, also konnte ich ungestört den Raum benutzen.

Laute Musik drang in meine Ohren und mein ganzer Körper bewegte sich im Rhythmus der Musik. Mein Kopf war wie leer gefegt, da das Einzige, auf das ich mich konzentrieren konnte, die Bewegungen waren, die ich als nächstes ausführen wollte. Genau deswegen half es mir so gut, alles andere um mich herum vergessen zu lassen. Es war in meinem Kopf einfach kein Platz mehr für irgendetwas anderes, da ich viel zu sehr konzentriert war.

Ich tanzte einige der Choreos durch, die ich schon öfters getanzt hatte, aber die ich in letzter Zeit eher vernachlässigt hatte. Dadurch fand ich noch etwas zum Verbessern und verschwendete nicht nur meine Zeit. Um eine neue Choreographie zu lernen, fehlte mir gerade einfach die Geduld.

Mein Training zog sich immer mehr in die Länge und ich merkte, dass meine Kraft langsam immer weniger wurde, weshalb ich mich einfach auf den Boden setzte, um mich auszuruhen, doch sobald meine Gedanken sich wieder von der Choreo lösten, wanderten sie zurück zu Jisung. Ich würde einfach nicht schlau aus ihm. Erst hatte er nichts mit mir zu tun und zeigte nicht einmal den Hauch einer Emotion, dann schliefen wir miteinander, weil er mich darum bat und auf einmal war er so ehrlich mit seinen Emotionen und verbrachte seine Zeit mit mir, auch wenn er nicht musste. Was passierte als nächstes? Würde er sich wieder verschließen und kein Wort mehr mit mir reden?

Es war seltsam, wie Jisung in so kurzer Zeit die Rollen verdreht hatte. Noch am Freitag meinte ich zu Hyunjin, dass es ein leichtes für mich wäre, Jisung zum weinen zu bringen und jetzt saß ich auf dem Holzboden des Studios, hinterfragte alles und wusste nicht, was als nächstes kommen würde. Ich wusste nur, dass ich Jisung nicht verlieren wollte. Die Zeit mit ihm so zu verbringen, als wären wir ein Paar, war wirklich schön und witzig gewesen, doch das alles hatte ich jetzt nicht mehr und es würde auch nicht mehr so schnell wiederkommen, egal wie sehr es mir gefallen hatte. Vielleicht hatte Chan ja Recht und ich sehnte mich irgendwo doch nach einer Beziehung?

"So ein Schwachsinn...", murmelte ich und stand wieder auf. Ich brauchte keine Beziehung, ich brauchte nur mich selbst und meine Freunde. Ich brauchte niemanden, der mir all das gab, was Jisung mir gegeben hatte. Oder?

"FUCK!", schrie ich einmal so laut, wie ich  konnte, durch den Raum, obwohl ich genau wusste, dass es niemand hören konnte. Wenn tanzen mir nicht mehr half, mit Stress umzugehen, dann half immer noch schreien. Selbst meine Freunde waren es inzwischen gewohnt, dass ich manchmal einfach aufschrie, wie als hätte irgendjemand versucht mich umzubringen. Irgendwann hatten sie einfach aufgehört, es zu hinterfragen.

Da ich keinen wirklichen Grund mehr sah, noch hier zu bleiben, machte ich mich wieder auf den Weg nach Hause. Ich war ziemlich erschöpft, was nicht nur dem Tanzen zu verdanken war, sondern auch meinem Kopf, der mir einfach keine Ruhe lassen wollte. Nicht einmal unter der Dusche, wo man normalerweise ziemlich gut entspannen konnte, fand ich meine Ruhe. Jisung hatte ein ziemliches Chaos in meinen Gedanken hinterlassen.

Als ich aus der Dusche kam und mich wieder angezogen hatte, fiel mir Jisung's benutzte Handtuch ins Auge. Er würde es wohl in nächster Zeit nicht mehr brauchen, also konnte ich es auch einfach in die Wäsche tun. Was ich jedoch sah, als ich es hoch nahm, schockierte mich ziemlich. Auf der Unterseite des Handtuchs, waren kleinere Blutflecken zusehen. Sie waren so verteilt, als hätte er versucht seine Wunde mit dem Handtuch abzutupfen und nicht einfach nur drüber gerubbelt. Wo hatte er sich verletzt? Und vor allem wann? Wie hatte ich es nicht mitbekommen können, wenn er nackt neben mir im Bett lag? Oder hatte er sich erst unter der Dusche verletzt? Falls ja, dann hatte ich jetzt keine Chance mehr es nach zu prüfen. Ich war mir sicher, dass Jisung alles an Blut weg gespült hatte, da er wusste, dass jemand Fragen stellen würde. Dieser Junge warf in mir noch so viele weitere Fragen auf, doch eine von ihnen stach besonders hervor:

Was hattest du noch alles zu verbergen, Han Jisung?

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