Adriana 26
Langsam, wie aus einem tiefen Schlaf erwachend, öffnete ich die Augen. Ein sanfter, aber unaufhaltsamer Sonnenstrahl fiel auf mein Gesicht und ließ mich mit einem verblassten, schummrigen Gefühl erwachen.
Mein Kopf war noch benebelt, als ob ein schwerer Schleier über meinen Gedanken lag. Die Erinnerung an das, was geschehen war, kam mir nur bruchstückhaft in den Sinn – der Raum, Wilson, Adrian, der schmerzhafte Griff, die Spritze.
Verwirrt blinzelte ich, während ich versuchte, mich zu orientieren. Meine Umgebung war nicht die, die ich erwartet hatte. Wo war ich? Und wie viel Zeit war vergangen? War es erst der nächste Morgen... oder waren inzwischen Tage vergangen?
Vorsichtig strich ich über die Stelle, an der die Blutung noch vor Kurzem heftig gepocht hatte. Doch zu meiner Überraschung fühlte sich die Haut glatt und unversehrt an, als wäre nichts geschehen. Es war, als hätte die Wunde nie existiert. Das passierte nicht innerhalb weniger Stunden – es musste bereits deutlich mehr Zeit vergangen sein.
Ich versuchte, mich aufzusetzen, auch wenn mein Körper sich schwer und träge anfühlte. Der Raum, in dem ich lag, war klein, aber geschmackvoll eingerichtet. Weiche, cremefarbene Laken unter mir kontrastierten mit den warmen Holztönen der Möbel.
Der Boden war mit tatami-ähnlichen Matten ausgelegt, die an traditionellen japanischen Stil erinnerten. An den Wänden hingen kunstvolle Rollbilder mit zarten Kalligrafien und Landschaftsmotiven, und in einer Ecke des Zimmers stand eine schlichte Vase mit einer einzelnen, kunstvoll arrangierten Blume.
Das Licht war gedämpft, und die Sonnenstrahlen, die mich geweckt hatten, fielen durch eine halb geöffnete Schiebetür mit Papierbespannung. Dieser Raum war mir so fremd wie die Tatsache, dass mich jemand gegen meinen Willen hierher gebracht hatte. Ich war definitiv nicht in meinem Hotelzimmer in London, geschweige denn bei Farmacia.
Trotzdem entdeckte ich meine Sachen, die ich auf meine Reise mitgenommen und im Hotel zurückgelassen hatte, verstreut auf dem Boden.
Ich blickte an mir herab und erstarrte. Das, was ich trug, war nicht mehr das Outfit, das ich zuletzt im Opal angehabt hatte. Weg war das enge, schwarze Cocktailkleid mit den glitzernden Pailletten und die hohen Absätze. Stattdessen hatte ich jetzt einen Pyjama an – meinen eigenen, den ich auf diese Reise mitgenommen hatte.
Es war der weiche Baumwollpyjama mit den blassen, karierten Mustern. Jemand hatte ihn gefunden. Jemand hatte meine Sachen durchwühlt, ihn herausgezogen und mir angezogen.
Ein Schauer lief mir über den Rücken, und ich hielt es nicht länger aus. Ich sprang von dem niedrigen Bett auf und stürzte mich auf den Haufen meiner Sachen, die achtlos auf dem Boden verstreut lagen.
Ungeduldig durchwühlte ich das Chaos. Kleider, Kosmetikartikel, Bücher – alles flog in alle Richtungen, während ich suchte. Es waren nicht viel, nur ein paar persönliche Dinge, doch ich musste sicher sein, dass nichts fehlte.
Nach einigen endlosen Minuten hielt ich inne, mein Atem ging stoßweise, und ich starrte auf die verstreuten Überreste meiner Habseligkeiten. Alles schien da zu sein. Mein Reisepass, meine Brieftasche, sogar mein Geld und mein Laptop.
Doch etwas Entscheidendes fehlte. Meine Waffen. Alle.
Die kleine, diskrete Klinge, die ich in einer Spezialtasche unter meinem Kleid getragen hatte, war verschwunden. Genau wie die Pistole, die ich im Hotel in meinem Gepäck versteckt hatte. Es war, als hätte jemand gezielt nach ihnen gesucht – und sie mitgenommen.
Mein Herz begann schneller zu schlagen, diesmal nicht aus Angst, sondern aus blanker Wut. Ich ballte die Hände zu Fäusten und spürte, wie sich meine Nägel in meine Handflächen gruben. Ohne meine Waffen war ich entwaffnet, schutzlos. Alles, worauf ich mich jetzt verlassen konnte, war mein eigener Körper, meine Kräfte.
Ich saß noch immer zwischen dem Chaos meiner durchwühlten Sachen, als mir plötzlich ein Gedanke kam. Hastig zog ich meinen Laptop hervor, klappte ihn auf und drückte den Einschaltknopf. Ich brauchte Informationen – das Datum, die Uhrzeit, irgendetwas. Doch nichts passierte. Der Bildschirm blieb schwarz. Der Akku war leer.
Frustriert knirschte ich mit den Zähnen. Mein Handy! Vielleicht hatte ich damit eine Chance. Ich fand es schließlich in einer der Seitentaschen meines Rucksacks, doch als ich den Bildschirm einschaltete, starrte ich nur auf ein leeres Display. Keine Batterie. Nichts.
Ein kaltes Gefühl kroch in mir hoch. Jemand hatte sich die Zeit genommen, alles Wichtige unbrauchbar zu machen.
Plötzlich hörte ich ein leises Geräusch. Es war kaum mehr als ein zarter Luftzug, doch ich spürte, wie sich mein Nacken versteifte. Die Schiebetür des Zimmers schob sich langsam zur Seite.
Reflexartig spannte ich mich an, bereit, aus meiner knienden Position hochzuschnellen.
Eine junge Frau trat ein, elegant und ruhig, als gehöre sie hierher. Ich blinzelte überrascht und fühlte, wie ich unwillkürlich zusammenzuckte, während ich mich an die durchwühlten Sachen um mich herum erinnerte.
Ein Hauch von Scham stieg in mir auf. Ich war in dieser Situation verletzlicher, als mir lieb war – wie ein ertapptes Kind zwischen den verstreuten Spielsachen. Aber ich biss die Zähne zusammen. Jetzt war keine Zeit für solche Gefühle.
Stattdessen musterte ich sie genauer, versuchte, ihre Absichten einzuschätzen. Sie sah aus wie Anfang zwanzig, mit makelloser Haut und langen dunklen Haaren, die in einem lockeren Knoten gebunden waren. Ihr Kimono war schlicht, aber elegant und ihr Gesicht erinnerte mich an eine Porzellanpuppe.
Noch war ich mir nicht ganz sicher, ob ich sie in die Schublade "Bedrohung" oder "Verbündete" stecken sollte. Ihre Ruhe war entwaffnend, im wahrsten Sinne des Wortes, doch das machte sie nicht weniger gefährlich.
Die Frau im Kimono ließ ihren Blick einmal ruhig über das Chaos gleiten, das ich um mich herum angerichtet hatte, bevor sie mit klarer Stimme sprach: „Folge mir."
Ihre Worte waren einfach, ohne jede Betonung. Kein Befehl, keine Bitte, nur eine nüchterne Feststellung. Es schien selbstverständlich, dass ich folgen würde.
Ich antwortete nicht. Stattdessen hielt ich inne, ließ meinen Blick kurz auf ihrem Gesicht ruhen, bevor ich die Augen leicht senkte und so tat, als würde ich einen Gegenstand aus dem Durcheinander meiner Sachen aufheben. In Wirklichkeit wog ich meine Optionen ab.
Folgen oder nicht?
Ich hatte keine Waffen. Das war der Punkt, der mich am meisten störte. Mit nichts als meinen Händen konnte ich es vielleicht schaffen, eine andere Person zu überwältigen, aber es wäre riskant. Zu riskant. Und dann war da noch Wilson.
Ich wusste nicht, ob die Frau wusste, wer er war, oder ob er überhaupt in der Nähe war – aber tief in meinem Inneren vermutete ich, dass sie mich zu ihm bringen würde. Warum sonst sollte ich hier sein?
Wenn ich ablehnte, würde ich allein hier bleiben, in diesem fremden Raum, ohne jede Möglichkeit, meine Situation zu ändern. Und selbst wenn ich es schaffte, jemanden zu überwältigen und ihm eine Waffe abzunehmen, was dann? Es war ein Plan ohne Substanz.
Meine Gedanken arbeiteten schnell, während ich die Frau beobachtete, die einfach nur still wartete, ohne einen weiteren Ton zu sagen. Es war, als wüsste sie bereits, wie meine Entscheidung ausfallen würde.
Ich unterdrückte ein Seufzen, legte das Objekt in meiner Hand wieder ab und richtete mich auf und nickte der Frau knapp zu.
Die Frau drehte sich ohne ein Wort um, und ich folgte ihr, noch immer im Pyjama und auf Socken. Meine Schritte waren gedämpft, doch jede Faser meines Körpers war angespannt, bereit, auf das kleinste Zeichen von Gefahr zu reagieren.
Wir betraten einen schmalen Flur, der im gleichen traditionellen Stil gestaltet war wie das Zimmer, in dem ich aufgewacht war.
Die Wände bestanden aus glattem, dunklem Holz mit feinen Schnitzereien, und das Licht kam von kleinen Papierlaternen, die sanft die Tatami-Matten unter unseren Füßen beleuchteten.
Mein Blick glitt über die Details, während wir den Flur entlanggingen. Die Einrichtung, die Atmosphäre – alles wirkte so typisch japanisch, dass ich unweigerlich zu grübeln begann. War ich wirklich in Japan, oder befand ich mich lediglich in einem Haus, das diesem Stil nachempfunden war? Die Frage nagte an mir. Und selbst wenn – warum hatte Wilson mich hierher gebracht?
Der Weg war kurz und zu meiner Überraschung begegneten wir niemandem. Kein einziger Laut störte die unheimliche Stille, nur das leise Rascheln unserer Schritte auf den Matten war zu hören. Es war, als wären wir allein in dieser seltsamen Welt, die so fremd und doch so bewusst gestaltet war.
Schließlich blieb die Frau vor einer schlichten Holztür stehen. Ihre Hand lag kurz auf dem glatten Holz, bevor sie die Tür mit einer fließenden Bewegung öffnete.
Der Raum, den wir betraten war ein Badebereich, aber keiner, wie ich ihn kannte. Er war großzügig und offen gestaltet, mit einem Boden aus großen, glatten Steinplatten, die in verschiedenen Grautönen schimmerten.
In der Mitte befand sich ein eingelassenes Becken mit dampfendem Wasser, das von einer Quelle an einer Seite gespeist wurde – das leise Plätschern des Wassers erfüllte das Badehaus und schuf eine fast unwirkliche Stille.
Doch ich war nicht allein. Rund um das Becken waren weitere Frauen, ähnlich gekleidet wie die Frau im Kimono, die mich hierhergeführt hatte. Ihre Bewegungen waren ruhig, fast choreografiert, während sie Handtücher falteten, Tee auf kleinen Tabletts arrangierten oder Blumen in Vasen stellten.
Die Frau, die mich begleitet hatte, trat zur Seite, verneigte sich leicht und sagte mit ruhiger Stimme: „Bitte genießen Sie den Aufenthalt bei uns im Wellness-Bereich. Ich werde Sie danach abholen und zu Mr. Wilson bringen."
Meine Vermutung hatte sich also bestätigt. Trotzdem rasten meine Gedanken in alle Richtungen. Es gab so viele Fragen, die ich stellen wollte, so viele Unklarheiten, die beantwortet werden mussten. Schließlich entschied ich mich für die naheliegendste Frage: „Wo bin ich?"
Die Frau hielt inne, ihre Augen trafen kurz meine. Ihr Gesicht blieb regungslos. „Es tut mir leid", sagte sie höflich, „ich bin nicht befugt, Ihnen diese Information mitzuteilen."
Nachdem die Frau im Kimono gegangen war, stand ich einen Moment lang verwirrt da. Doch schon bald kümmerten sich die anderen Frauen im Raum um mich und boten mir verschiedene Möglichkeiten an, mich zu entspannen.
Ich entschied mich zunächst für die Sauna, wo die Hitze meine Anspannung langsam löste. Anschließend genoss ich eine Massage, bei der meine verkrampften Muskeln nachgaben, und schließlich ließ ich mich im warmen, sprudelnden Wasser des Whirlpools treiben.
Während der gesamten Zeit wurde ich aufmerksam betreut – Tee wurde mir gereicht, frische Handtücher bereitgestellt, und jede meiner Entscheidungen wurde ohne Frage oder Zögern erfüllt. Die Atmosphäre war so beruhigend, dass ich es tatsächlich schaffte, meine wirbelnden Gedanken für eine Weile auszuschalten und die Entspannung zuzulassen.
Doch trotz dieser ungewohnten Ruhe blieb ein unterschwelliges Gefühl der Vorsicht. Ich genoss die Momente der Erholung, wusste aber, dass ich mich nicht in Sicherheit wiegen durfte. Dieses luxuriöse Ambiente war nicht zufällig gewählt und ich hatte nicht vergessen, dass Wilson irgendwo auf mich wartete.
Die Frauen reichten mir schließlich frische Kleidung – eine schlichte, aber elegante Kombination aus einer Hose und einer Bluse, beide aus weicher Leine. Die Hose war gerade geschnitten, in einem warmen Sandton gehalten, und endete knapp über den Knöcheln. Die weiße Bluse war locker geschnitten, mit einem leichten V-Ausschnitt und langen Ärmeln, die sich krempeln ließen.
Dazu reichten sie mir ein Paar Sandalen aus Leder und dünnen Riemen. Sie waren schlicht und funktional, aber dennoch elegant genug, um zum restlichen Outfit zu passen. Die Sandalen hatten eine Note, die mir gefiel.
Meine eigene Kleidung war verschwitzt und zerknittert. Ich hatte nichts Weiteres eingepackt, weil ich nicht damit gerechnet hatte, so lange weg zu sein. Also akzeptierte ich die frischen Kleider.
Die Frau im Kimono, die mich zuvor bereits begleitet hatte, wartete geduldig, während ich mich umzog. Als ich fertig war, nickte sie mir zu und bedeutete mir, ihr zu folgen.
Erneut gingen wir durch die Flure, die mir inzwischen vertrauter vorkamen, doch mein Unbehagen blieb. Jeder Schritt auf den Tatami-Matten war so leise, dass ich mich fragte, ob es Absicht war, dass dieser Ort keinen Lärm zuließ.
Schließlich erreichten wir einen offenen Raum, dessen Schiebetüren zur Seite geschoben waren, um den Blick auf einen gepflegten Zen-Garten freizugeben. Der Raum selbst war spärlich möbliert, doch in der Mitte stand ein niedriger Tisch, der auf einem weichen Teppich platziert war.
Wilson saß bereits dort. Sein Auftreten war wie beim letzten Mal makellos – ein dunkler Anzug, der sich perfekt an seinen Körper anschmiegte, als sei er darin geboren. Seine Haltung war entspannt, aber seine Augen musterten mich mit einem unergründlichen Blick. Ich konnte nicht sagen, ob er zufrieden, angespannt oder einfach nur neugierig war.
Der Tisch war nur für zwei gedeckt. Kein Personal, keine weiteren Gäste. Es war offensichtlich, dass dies ein sehr gezieltes Treffen war.
Ich blieb am Eingang stehen, während die Frau im Kimono sich wortlos zurückzog. Mein Herz schlug schneller, doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Wilson deutete mir mit einer kleinen Geste, Platz zu nehmen.
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