Adriana 25
Bevor ich reagieren konnte, spürte ich plötzlich einen harten Griff um meine Handgelenke. Der Mann, der mich eben noch mit schmeichelnden Worten und falschem Lächeln eingelullt hatte, packte mich von hinten.
Mit einem schnellen, geübten Bewegungsablauf verschränkte er meine Arme hinter meinem Rücken und zog sie fest an, während er seinen anderen Arm um meinen Hals legte und mich so in einen Schwitzkasten zwang.
„Ganz ruhig, Süße," murmelte er dicht an meinem Ohr, seine Stimme glatt, fast beiläufig. Ich spürte seinen heißen Atem an meinem Nacken, während ich mich instinktiv wand und versuchte, mich zu befreien. Seine Hände waren stark, sein Griff unerbittlich. Mein Atem wurde schneller, Adrenalin schoss durch meinen Körper, meine Gedanken überschlugen sich.
„Lass mich los," zischte ich, wobei ich meine Stimme so ruhig wie möglich hielt, obwohl mein Herz wie wild hämmerte. Innerlich arbeitete mein Verstand fieberhaft, nach einem Ausweg suchend. Aber jeder Versuch, mich zu bewegen, ließ seinen Griff nur noch enger werden.
Ich zwang mich, innezuhalten. Widerstand brachte hier nichts außer Energieverlust. Stattdessen beschloss ich, mich der Situation anzupassen – zumindest für den Moment. Meine Muskeln entspannten sich, und ich stellte mein Sträuben ein, während ich meine Umgebung genau beobachtete. Vielleicht würde er unachtsam werden, sich in falscher Sicherheit wiegen. Und genau dann würde ich zuschlagen.
Der Mann aus dem Schatten trat näher, und als das Licht ihn voll erfasste, sah ich ihn deutlich. Er war älter, sicherlich Mitte 60, aber auf eine Art, die nichts von Schwäche oder Gebrechlichkeit verriet. Seine Statur war beeindruckend – schlank, aber muskulös, wie jemand, der sich sein Leben lang in Form gehalten hatte. Sein Gang war ruhig und geschmeidig.
Sein Gesicht zeigte die Zeichen der Jahre: tiefe Falten, die sich an den Mundwinkeln und um die Augen eingegraben hatten, und eine Stirn, die von einem Leben gezeichnet war. Doch diese Falten verliehen ihm Autorität, nicht Schwäche.
Seine grauen Haare waren kurz geschnitten, ein klassischer Stil, der seinen kantigen Kiefer und die starken Gesichtszüge betonte. Die Augen – ein stechendes, eisiges Blau – waren scharf und durchdringend, als könnten sie alles und jeden analysieren und auseinandernehmen.
Auch er trug eine Anzugshose, aber kombiniert mit einem schwarzen Hemd ohne Krawatte, was ihm eine Mischung aus Eleganz und Lässigkeit verlieh. Sein ganzer Auftritt strahlte Kontrolle und Macht aus.
„Ich mag es nicht, wenn Fremde in meinen Club einbrechen," sagte er schließlich, seine Stimme tief, ruhig und unnachgiebig. Er sah mich mit einem Blick an, der mir das Gefühl gab, völlig durchschaut zu werden. „Noch weniger mag ich es, wenn sie denken, sie könnten hier herumschnüffeln, ohne dass ich es bemerke."
Ich hätte gleichzeitig lachen und weinen können. Ich hatte es tatsächlich geschafft. James Wilson, leibhaftig, stand direkt vor mir – und bedrohte mich. Das war nicht der Moment oder die Art, wie ich mir unser erstes Treffen vorgestellt hatte, aber besser so, als dass es niemals geschehen wäre.
Mein Blick huschte kurz zu dem Kerl, der mich hierher gelockt hatte. Der Typ, der mich mit so viel Selbstsicherheit angebaggert hatte, als wäre es sein gottgegebenes Talent. Offensichtlich war er mehr als nur ein schmieriger Club-Gänger, der nach einem schnellen Abenteuer suchte.
Er arbeitete für Wilson. Und ich war darauf reingefallen.
Ich biss die Zähne zusammen, während ich den festen Griff des Kerls spürte, der mich hierher gezerrt hatte. Die Wut darüber, dass er mich so leicht in diese Situation gebracht hatte, loderte in mir auf.
Aber jetzt hatte ich keine Zeit, um mich zu ärger. Stattdessen richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit auf Wilson. Er war das wahre Ziel. Nicht sein lakonischer Handlanger, der mich festhielt.
„Es gab keine Videoüberwachung", presste ich heraus.
„Marina hat ihre Position verlassen. Es hat nicht viel gebraucht, um sie zum Reden zu bringen", sagte er ruhig, als ob es keine große Sache war. Ich stockte, als mir plötzlich dämmerte, dass das Mädchen, das ich bestochen hatte, wohl Marina gewesen sein musste.
Ich rechnete nach – maximal 20 Minuten war es her, seit ich mich von dem Mädchen getrennt hatte. Es war kaum zu fassen, wie schnell alles abgelaufen war. In diesen wenigen Minuten mussten sie Marina aufgefunden, sie zum Reden gebracht und mich hierher geführt haben. Prinz Charming, der mich zu Wilson gelockt hatte, war Teil ihres Plans.
Sie mussten wirklich gut organisiert sein. Das ließ mich erkennen, wie durchdacht Wilson und seine Leute agierten. Es war ein beeindruckender, aber auch erschreckender Zug – und ich steckte mitten in diesem Albtraum. Kurz fragte ich mich, was sie wohl mit Marina gemacht hatten und was es bedeutete, für Wilson zu arbeiten und ihn anschließend zu hintergehen.
Wilson schritt auf mich zu, sein Griff war fest, als er mein Gesicht erfasste und mich zwang, in seine kalten, durchdringenden Augen zu schauen. „Was führt dich zu mir?" Seine Stimme war ruhig, aber jede Silbe trug eine unerbittliche Schärfe.
Meine Gedanken überschlugen sich. Ich könnte ihm einfach die Wahrheit sagen: dass ich hier war, weil ich wusste, dass er unbefugt an Crour-Infusionen gelangt war. Dass Hiro, kurz bevor er starb, seinen Namen genannt hatte.
Aber... was würde das bringen? Glaubte ich wirklich, dass er einfach nicken und es zugeben würde? Vielleicht noch mit einem höhnischen Lächeln und einem "Gut gemacht, du hast mich erwischt"?
Nein. Es wäre naiv, so etwas zu denken. Menschen wie Wilson gaben nichts zu. Sie spielten mit Worten, mit Andeutungen, mit Drohungen, aber niemals mit der Wahrheit. Und selbst wenn ich ihn irgendwie dazu brächte, mir zu antworten – was dann? Ich war allein hier, ohne Verbündete, ohne Plan B. Ein Funken von Angst kroch in mir hoch, aber ich schob ihn beiseite.
Ich schwieg. Ein Teil von mir wollte sprechen, wollte ihn zur Rede stellen, aber eine Blockade in meinem Kopf hielt mich zurück. Vielleicht war es die Erkenntnis, dass Worte hier wenig bewirken würden. Vielleicht war es der leise Instinkt, der mir sagte, dass jede Information, die ich preisgab, ein Fehler sein könnte.
Also ließ ich die Stille zwischen uns wirken, ließ ihn auf eine Antwort warten, die ich nicht bereit war zu geben.
Wilsons Griff um mein Gesicht wurde fester, als er bemerkte, dass ich ihm nicht antworten würde. Seine Augen verengten sich, ein gefährliches Glitzern darin. „Ich habe dir eine Chance gegeben," säuselte er in mein Ohr, seine Stimme gleichzeitig sanft und eiskalt, „aber du hast sie leider nicht genutzt."
Er richtete sich ein wenig auf und wandte den Kopf kaum merklich zu dem Mann hinter mir, der mich noch immer mit stählernem Griff festhielt. „Adrian", sagte er, ruhig, aber mit einer Schärfe, die keine Widerrede duldete.
Ich spürte, wie sich Adrians Griff für einen kurzen Moment lockerte, gerade so, als würde er sich neu positionieren. Mein Herz raste, mein Verstand arbeitete fieberhaft. Der Name „Adrian" hallte noch in meinem Kopf wider, als ich das kühle, harte Gefühl von Metall an meinem nackten Arm spürte.
Mein Atem stockte. Eine Waffe.
Keine Zeit, um zu reagieren, kein Raum, um mich zu wehren. Ich fühlte die unerbittliche Kälte des Laufs, die mich wie ein drohender Vorbote durchfuhr. Dann ein lautes Krachen. Ein Schuss.
Hitze durchzuckte meinen Oberarm, gefolgt von einem brennenden Schmerz, der mich fast zu Boden zwang. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und übertönte alles andere, während ich unwillkürlich ein Keuchen ausstieß.
Mein Blick verschwamm für einen Moment, aber ich zwang mich, die Kontrolle zu behalten. In diesem Augenblick war es klar: Das hier war nicht mehr nur ein Verhör. Es war eine Lektion. Und ich war diejenige, die zahlen sollte.
Ich fokussierte mich auf den Schmerz, so wie ich es gelernt hatte, und ließ mich in meinen benebelten Zustand treiben. Die Welt um mich herum war dumpf und verschwommen, während entfernte Worte langsam in mein Bewusstsein drangen: „Wer hat dich beauftragt? Sprich! Die nächste Kugel wird sonst dein hübsches Gesicht zerfetzen."
Ich zwang mich, auf das zu konzentrieren, was wirklich zählte: Cruor. Es war riskant, aber ich hatte keine Wahl. Ich ließ die Mutation in mir pulsieren, spürte, wie mein Körper begann, die Wunde zu stabilisieren, zumindest ein wenig. Der brennende Schmerz ließ nach, wurde dumpfer, kontrollierbarer. Es war noch keine vollständige Heilung, aber genug, um klarer zu denken.
„Niemand," keuchte ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Mein Atem ging stoßweise, aber ich zwang mich, die Augen offen zu halten, ihm ins Gesicht zu schauen.
Wilson schnaubte verächtlich, sein Blick kalt wie Stahl. „Niemand?" wiederholte er mit einem Hauch von Spott in der Stimme. Doch dann glitt sein Blick auf meinen Arm. Die Blutung war bereits gestoppt, und eine dünne Kruste begann sich zu bilden – ein unübersehbares Zeichen der beschleunigten Heilung.
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, und für einen Moment blitzte etwas wie Erkennen in seinen Zügen auf. „Interessant," murmelte er leise, fast zu sich selbst, bevor sich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete. Sein Gesichtsausdruck wurde härter, gefährlicher. „Cruor," stellte er fest, als sei das Wort eine Waffe.
Ich fragte mich, warum schien, als würde eine Erinnerung in seinem Kopf aufblitzte, als hätte er mehr Erfahrungen mit Cruor, als ihm gut tun würde. Doch diese Gedanken verblassten schnell, als Wilson erneut Andrian zunickte, der immer noch fest hinter mir stand, seine Hände wie eiserne Fesseln um meine Arme gelegt.
Im nächsten Moment sah ich in meinem vernebelten Augenwinkel wie Andrian eine Spritze aus seiner Tasche zog. Der Inhalt schimmerte im schwachen Licht des Raumes. Ich spürte die Panik in mir hochkochen. „Nein!", versuchte ich mich zu wehren, doch meine Worte klangen kaum lauter als ein gequältes Flüstern.
Verzweifelt versuchte ich, mich aus dem Griff von Andrian zu winden. Schwach drehte ich mich, strampelte, versuchte meine Knie zu befreien, um ihm vielleicht in den Magen zu treten, doch mein ganzer Körper war ausgelaugt. Die gesamte Energie floss in die Heilung meine Schusswunde.
Ohne einen Funken Anstrengung hielt Adrian mich, als wäre ich nichts weiter als eine Puppe in seinen Händen. Ich konnte meinen Arm kaum bewegen, während der Schmerz der Wunde an meiner Seite mich schier zermürbte.
Ein kaltes Brennen sickerte erst durch meinen Hals, dann durch meinen Körper. Wie ein Sturm, zog der schwarze Nebel über meine Gedanken und es war, als würde der Boden unter mir verschwinden, als wäre alles, was ich noch kannte, einfach weggefegt. Ein tiefer, undurchdringlicher Abgrund verschluckte mich.
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