Adriana 24

Der Flur war schmal, die Wände in einem tiefen Anthrazitton gehalten, beleuchtet von schmalen LED-Streifen, die ein warmes, goldenes Licht ausstrahlten. Der Boden war mit dunklen Fliesen ausgelegt, die das Licht dezent reflektierten und den Eindruck von Eleganz vermittelten, auch wenn dieser Bereich eindeutig für die Mitarbeiter gedacht war.

Meinen Rücken presste ich sofort an die Wand, ein Instinkt, der sich in der Vergangenheit bewährt hatte. Wenn es Kameras gab, dann waren sie meist an den Decken angebracht, mit Blick auf die Mitte des Flures – ein einfacher Trick, um im toten Winkel zu bleiben und das Risiko zu minimieren, erfasst zu werden.

Mein Blick suchte die Wände und Ecken ab, doch ich konnte keine Kameras entdecken. Ein Club wie dieser hatte sonst doch immer Videoüberwachung, vor allem in den Bereichen, die für Gäste tabu waren.

Ein ungutes Gefühl stieg in mir auf. Es war fast zu einfach, sich hier unbeobachtet zu bewegen, und das machte mich misstrauisch. Vielleicht hatten sie einfach andere Sicherheitsmaßnahmen, oder der Besitzer hielt nicht viel von Technik. Was auch immer der Grund war, ich schob den Gedanken beiseite. Zumindest hier fühlte ich mich sicher, dass mich niemand beobachtete – jedenfalls nicht durch eine Linse.

Ich hatte keine Ahnung, wohin dieser Flur mich führen würde, aber Umkehren war keine Option. Mein Herz pochte schneller, und ich zwang mich, nicht hektisch zu wirken.

Hektik weckte Aufmerksamkeit – und Aufmerksamkeit war das Letzte, was ich gebrauchen konnte. Die Schuhe auf dem harten Boden machten einen leisen, aber dennoch spürbaren Klang. Ich hielt die Schritte bewusst gleichmäßig.

Ich schritt bis zu Ende des Ganges, wo die Musik immer lauter wurde. Die Tür am Ende war nicht verschlossen, und ich drückte sie vorsichtig auf, nicht sicher, was dahinter auf mich wartete.

Als ich hindurchtrat, musste ich mich für einen Moment orientieren. Vor mir lag ein belebter Bereich, direkt hinter einer Bar. Die Theke war nur wenige Schritte entfernt, und zwischen den Mitarbeitern herrschte reges Treiben – Gäste wurde bedient, Getränkekisten gestapelt, Gläser gespült, und jemand rief Anweisungen über den Lärm.

Ich war direkt im Club gelandet. Perfekt. Doch jetzt hieß es, unauffällig zu bleiben. Den kurzen Moment der Überraschung schüttelte ich ab, hob das Kinn und setzte eine selbstbewusste Haltung auf.

Mit einem fließenden Schritt schlüpfte ich geschickt um einen Mitarbeiter herum, der ein Tablett voller Drinks balancierte. Im nächsten Augenblick stand ich auf der anderen Seite der Bar – mitten im Geschehen.

Niemand schien zu bemerken, dass ich aus dem Mitarbeiterbereich gekommen war. Die Angestellten waren viel zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt, und die Gäste mit sich selbst.

Ich hatte es geschafft. Ich war endlich im Club. Der erste Schritt war also erledigt, aber jetzt begann der wahre Teil. Wilson finden. Das war der Plan, zumindest bis zu diesem Punkt. Danach? Tja, danach würde ich sehen.

Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Der Club war voll, aber nicht überfüllt. Die Leute waren gut gekleidet, ein Mix aus Geschäftsleuten, Künstlern, und ein paar geheimen Gesichtern, die man besser nicht zu lange anstarrte. Es gab die üblichen Pärchen, die sich an den Tischen unterhielten, und einige, die am Rand standen und mit scharfem Blick die Menge musterten.

Im Zentrum der Tanzfläche flirrte ein Lichtkegel, der von der Decke herabfiel, und hüllte die tanzende Masse ein. Drumherum gab es kleine Nischen, versteckte Lounge-Bereiche, und am Ende des Raums eine weitere Bar, hinter der die Barkeeper Drinks mixten.

Wo könnte Wilson nur sein? So wie ich ihn einschätzte, würde er sich niemals einfach unter die Menge mischen. Das passte nicht zu seinem Stil. Wahrscheinlich hatte er hier ein Büro, wo er in Ruhe arbeiten konnte. Vielleicht war er auch hier um ein Meeting abzuhalten.

Und wenn er wirklich zum Vergnügen hier war, dann bezweifelte ich stark, dass er auf der Tanzfläche zu finden wäre. Solche Leute wie er hielten sich sicher lieber in einem privaten Bereich auf – vor allem, wenn der Club ihnen gehörte.

In sein Büro zu platzen und vielleicht mitten in ein Meeting zu platzen, wäre nicht nur unangenehm, sondern auch komplett kontraproduktiv. Außerdem hatte ich keine Ahnung, ob er überhaupt ein Büro hier hatte, geschweige denn, wo es sich befinden könnte. Also entschied ich mich, zuerst die ruhigeren Bereiche des Clubs zu durchsuchen.

Mit einem schnellen Blick suchte ich den Raum ab, bis mir eine schmale Treppe am Rand des Hauptbereichs auffiel.

Die Treppe führte zu einer erhöhten Etage, vorbei an einem Türsteher, der mich mit einem kurzen, musternden Blick bedachte, den ich aber ignorierte. Er ließ mich durch, ohne ein Wort zu verlieren.

Von hier oben hatte man einen perfekten Blick auf den Club und die Tanzfläche. Die Geräusche waren jetzt gedämpft – alles fühlte sich ein bisschen weiter weg und seltsam entrückt an.

Ich schob einen schweren, samtigen Vorhang beiseite und trat in einen völlig anderen Raum. Die Atmosphäre hier war unverkennbar anders: warmes, goldenes Licht, das von antiken Wandlampen kam, sodass eine erotische Stimmung entstand.

Breite, tiefrote Couches standen in kleinen Gruppen, einladend und luxuriös, einige halb versteckt hinter Paravents. Es roch leicht nach Leder und Parfüm, und die Luft war erfüllt von leisem Lachen und geflüsterten Gesprächen. Die Musik von unten war nur noch ein sanftes Hintergrundrauschen.

Einige saßen dicht beieinander, küssten sich leidenschaftlich oder ließen ihre Hände an verbotene Stellen wandern. Andere wirkten, als hätten sie das Vorspiel bereits hinter sich und sich im nächsten Moment übereinander herfallen – sie würden es kaum bis in eines der Zimmer schaffen, die man hier mieten konnte.

Ich lenkte meinen Blick schnell weiter, wollte nicht zu lange auf Szenen starren, die nicht für mich bestimmt waren. Doch den anderen schien es egal zu sein.

Plötzlich legten sich Hände von hinten fest auf meine Taille und zogen mich mit einem unerwarteten, selbstsicheren Ruck näher an eine breite Brust. Der plötzliche Kontakt ließ mein Herz für einen Moment schneller schlagen, ein unangenehmes Ziehen schlich sich in meinen Magen. Es war dieses Gefühl von Kontrollverlust, das ich so verabscheute und das ich nach Möglichkeit vermied.

Am liebsten hätte ich mein Messer gezogen, seine Hände von seinem Körper getrennt und ihn dann, wie eine Wilde, niedergemetzelt, nur weil er mich so dreist angefasst hatte.

Doch ich zwang mich, all die aufbrausenden Emotionen tief in mir zu vergraben, setzte eine Maske der Neutralität auf und drehte mich schwungvoll um, sodass die Hände, die mich umklammerten ,sich lösen mussten.

Vor mir stand ein Mann, der mich mit tiefbraunen „Teddybär"-Augen anblickte, die mich für einen Moment aus der Fassung brachten. Er schien in seinen besten Jahren zu sein – vielleicht um die 30. ER hatte scharfe Gesichtszüge, hohen Wangenknochen und eine markante, gerade Nase.

Sein Anzug betonte seine breiten Schultern und den schmalen Hüftbereich. Die schwarzen Locken, die ihm locker ins Gesicht fielen, umrahmten seine Gesichtszüge auf eine fast schon weiche Weise.

„Doch die durchdringende Intensität in seinem Blick ließ keinen Zweifel daran, dass er sich seiner Wirkung auf andere und seiner äußeren Erscheinung sehr bewusst war. Er wusste genau, wie er diese für sich einsetzen konnte.

„Wie kann es sein, dass so eine hübsche junge Dame wie du ganz alleine hier ist?" fragte er mit einem schelmischen Grinsen und legte wieder seine Hand auf meine rechte Taille. Es war ein Zug, der mich sofort in Alarmbereitschaft versetzte.

Ich verengte die Augen und ließ meinen Blick für einen Moment auf seiner Hand ruhen, bevor ich ihm kühl antwortete: „Vielleicht bin ich das nicht."

Sein Lächeln wurde breiter, als er sich vorbeugte und mir ins Ohr flüsterte: „Entweder man kommt hier zu zweit hoch, oder man ist so verzweifelt, dass man alleine kommt, um jemanden zu finden, der einem das Bett wärmt, weil man keinen hat."

Seine Worte sanken wie ein scharfer Tropfen in die Stille zwischen uns. Obwohl es mich eigentlich nicht interessieren sollte – schließlich war ich nicht hier, um Sex zu haben – traf er doch einen Punkt. Er hatte meine Situation zu schnell und zu gut durchschaut, und das war unangenehm.

Ich spürte, wie sich die Spannung in mir aufbaute, doch ich hielt mich zurück. Kein Grund, mich zu verärgern, er wollte nur einen Nerv treffen. „Und was bist du? Der Retter oder der Verzeifelte?" fragte ich und beobachtete seine Reaktion aufmerksam.

Er lachte leise, als würde ihm der Schlagabtausch gefallen. „Ich kann heute Nacht alles sein, was du willst", sagte er und zog mich noch ein Stück näher an sich. „Wir können einen unvergesslichen Abend verbringen."

Ein sarkastisches Lächeln formte sich auf meinen Lippen, aber es war alles andere als freundlich. Der Gedanke, ihm jetzt einfach mit einem schnellen Griff zu zeigen, wer hier die Kontrolle hatte, war verlockend. Ich konnte ihn mit einer Bewegung auf Abstand bringen oder, noch besser, ihm mit einem gezielten Schlag seine perfekte Nase ein für alle Mal verunstalten.

Doch ich hielt mich zurück. Jetzt war nicht der Moment. Ihn vor allen anderen hier zusammenzuschlagen, würde mir nicht helfen – und es war keine gute Idee, die Kontrolle zu verlieren.

Ich brauchte Informationen. Und vielleicht hatte er welche. Vielleicht wusste er mehr über den Inhaber des Clubs, oder vielleicht könnte ich mehr herausfinden, wenn ich ihn in ein Gespräch verwickelte. Ganz ruhig und berechnend.

Sein Angebot war fast schon zu perfekt. Ich könnte so tun, als würde ich mit ihm in ein Zimmer gehen, mich ihm nähern, ihm vorgaukeln, dass ich interessiert war. Und wenn wir dann endlich alleine wären, würde ich ihm ganz andere Fragen stellen.

Entschlossen, meinen Plan umzusetzen, legte ich meine Hand an seine Wange und ließ sie langsam über seine Lippen gleiten, bis sie sich unweigerlich teilten. Ein Funken von Lust flackerte in seinen Augen auf.

Er verstand meine stille Aufforderung und beugte sich zu mir herunter, um einen Kuss auf meinen Hals zu verteilen. Ein sanfter Hauch seiner Lippen ließ mich einen Moment lang innehalten. Als er mir ins Ohr flüsterte: „Lass uns ein Zimmer nehmen", spürte ich, wie sich seine Worte wie ein warmer Schauer durch meinen Körper zogen.

Während er meinen Hals erkundete, verflog für einen Moment alles andere. Doch statt mich einfach treiben zu lassen, trat eine unerwartete Starre in mir auf. Die Berührungen erinnerten mich an andere, ungewollte Nähe, an Momente, in denen ich mich wehrte.

Ein Ruck ging durch mich, als die Bilder vor meinem inneren Auge aufblitzte. Aber sofort folgte die andere, fast widersprüchliche Seite: der Versuch, mich von diesem Moment einlullen zu lassen, den durchdringenden Duft seines Aftershaves, den warmen Druck seiner Hände, der mich fast vergessen ließ, warum ich hier war.

Er war zweifellos attraktiv, das war klar. Aber diese flimmernde Versuchung, die in mir aufstieg, war gefährlich. Es war die Art von Nebel, die mich in eine Illusion von Sicherheit hüllte, die es mir für einen Moment ermöglichte, alles andere zu verdrängen. Aber ich wusste besser – das war genau der Moment, in dem ich den Kopf klarhalten musste.

Er richtete sich wieder auf, legte seinen Arm um meine Taille und zog mich mit einer selbstverständlichen Geste durch die Lounge. Ich behielt meine Fassade aufrecht, während wir uns durch den Raum bewegten, an den anderen Gästen vorbeiglitten, die in ihrem eigenen Universum vertieft waren. Schließlich hielten wir vor einem noch freien Zimmer.

Er öffnete die Tür mit einem charmanten Lächeln und wir betraten den Raum. Es war gemütlich eingerichtet, und in der Mitte stand ein großes Ehebett. Der Raum hatte etwas Vertrautes und die richtige Atmosphäre, um Intim miteinander zu werden.

Er zog die Tür hinter uns zu und verriegelte sie mit einem leisen Klick. Ein Häkchen, das er umklappte, sodass niemand von außen unbemerkt eintreten konnte, aber man jederzeit das Zimmer wieder verlassen konnte.

„Bist du öfter hier?" fragte ich mit einem interessierten Ton und begann, ihn auszufragen, während ich einen Schritt auf das Bett zu machte, als wollte ich mich bequem darauf niederlassen.

Er folgte mir mit einem selbstsicheren Grinsen, doch ich ließ meine Augen an ihm entlang wandern, ohne ihm wirklich Aufmerksamkeit zu schenken. In meinem Kopf drehte sich alles darum, wie ich ihn so weit bekommen konnte, dass er mir alle Informationen gab, die er hatte.

Doch in dem Moment, als ich mich auf das Bett setzen wollte, hörte ich ein leises Rascheln aus der Ecke des Raumes. Jemand saß dort, fast unsichtbar im Schatten eines Sessel. Plötzlich stand die Person auf – ruhig, fast zu ruhig, und trat aus der Dunkelheit. Mein Herz setzte einen Schlag aus.



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