Adriana 18

Ich steckte den USB-Stick in den Laptop und überprüfte, ob die Daten wie beabsichtigt auf dem Stick gespeichert wurden und nicht lokal auf dem Gerät. Ein USB-Stick war wesentlich einfacher zu vernichten als ein ganzer Laptop.

Da ich mich durch das benutzen von gestohlener personalisierter Daten aus dem Darknet strafbar machte, war mir bewusst, dass meine Handlungen Konsequenzen haben könnten.

Doch ich war es gewohnt, fremde Daten für meine Zwecke zu nutzen. Es mochte radikal erscheinen, aber meine Erziehung und mein Leben hatten jegliche Moral außer Kraft gesetzt. Schon seit jeher hatte ich gelernt, mich anzupassen, mich zu tarnen und alles zu verbergen, was mich verraten könnte.

Entschlossen begann ich, die verschiedenen aufgezeichneten Aktivitäten von Personen namens „James Wilson" zu durchsuchen. Die Bildschirme flimmerten im schwachen Licht des Raumes, und die Stille wurde nur vom leisen Summen der Computer und dem gelegentlichen Klicken der Mäuse unterbrochen.

Der Raum roch nach abgestandener Luft und Elektronik – ein vertrauter, fast angenehmer Duft für mich.

Neben mir arbeitete Ryan, der sich ebenso intensiv auf seinen Bildschirm konzentrierte. Seine Augen waren auf die Daten fixiert, während seine Finger geschmeidig über die Tastatur flogen. Wir arbeiteten präzise und methodisch, durchleuchteten jedes Detail und verfolgten alle Verbindungen. Die Stunden vergingen wie im Flug, doch die Fortschritte waren ernüchternd.

Unsere Vorgehensweise war systematisch. Zuerst suchten wir in öffentlich zugänglichen Datenbanken nach Informationen über „James Wilson". Wir durchforsteten soziale Netzwerke, Foren und öffentliche Aufzeichnungen.

Danach durchsuchten wir verschlüsselte Datenbanken und Darknet-Quellen auf der Suche nach zusätzlichen Informationen. Wir analysierten E-Mails, Chats und alle weiteren digitalen Spuren. Unser Ziel war es, Muster und Verbindungen zu erkennen, die uns weiterhelfen könnten.

„Ryan," sagte ich schließlich, meine Stimme war nur ein Flüstern in der stillen, surrenden Luft. „Ich muss zurück zu Farmacia. Ich darf nicht zu lange wegbleiben, sonst könnte es auffällig werden."

Er hob den Kopf und sah mich an, seine Augen zeigten Müdigkeit und Frustration. „Verstehe," murmelte er. „Wir kommen einfach nicht weiter, oder?"

Ich schüttelte seufzend den Kopf. „Wir haben alles durchforstet, aber nichts fügt sich zusammen. Es scheint, als ob wir eine wichtige Spur übersehen haben."

Ryan nickte und fuhr sich durch die Haare. „Ich habe auch das Gefühl, dass wir etwas übersehen haben. Vielleicht gibt es noch versteckte Daten oder unvollständige Informationen."

„Ich werde mich in den nächsten Tagen wieder melden," versprach ich. „Vielleicht entdecken wir dann noch etwas, das wir bisher übersehen haben. Aber jetzt muss ich wirklich gehen."

Ryan schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, dass ich dir nicht schneller helfen konnte. Aber ich werde auf jeden Fall dranbleiben. Vielleicht finden wir etwas, wenn wir die Daten erneut durchgehen."

Ich nickte und stand auf. Während ich den Raum verließ, dachte ich über meine Situation nach. Mein ganzes Leben lang hatte ich gelernt, mich zu verstecken und anzupassen. Dass ich nun Informationen gegen Farmacia geheim hielt, hätte ich mir vor Jahren nicht vorstellen können.

Als ich in die vertrauten Straßen zurückkehrte, wurde jeder Schritt Richtung Farmacia schwerer – ich hatte sie verraten. Ich hatte mein Zuhause, meine Welt und die Menschen, die mir etwas bedeuteten, zurückgelassen. Alles, was ich gekannt hatte.

Es war nur eine spontane Entscheidung gewesen, als ich mich entschloss, Farmacia nicht zu sagen, dass ich den Namen der Person kannte, die die Cruor-Infusionen erhalten hatte. Wenn Farmacia das jedoch herausfand, war ich wirklich am Ende.

Ich kannte ihre Methoden und Vorgehensweisen nur zu gut. Die Erinnerungen daran kamen wie ein Schleier über mich, während ich auf dem Bürgersteig stehen blieb.

Ich finde mich in einem kleinen, fensterlosen Raum wieder, der von grellen Deckenlampen beleuchtet wird. Auch dieser Raum ist weiß gestrichen und sieht aus wie jeder andere in diesem Krankenhaus.

Ich bin erst vierzehn. Eine jüngere Version von Ms. Tung steht vor mir. Ihr Gesicht ist jünger, glatter und ihre Augen blicken mich eindringlich an. Ihre Haltung und der präzise, kontrollierte Tonfall verraten, dass sie keinerlei Geduld für Fehler hat. Sie spricht mit einem monotonen Tonfall, der jede Regung von Menschlichkeit vermissen lässt.

„Du musst lernen, keine Informationen preiszugeben," sagt sie, bevor sie mich alleine lässt. Ihr Abgang ist abrupt, und die Tür schließt sich mit einem lauten Knall, der mir die bevorstehende Einsamkeit verdeutlicht.

Plötzlich wird der Mitarbeiter, der einen makellosen schwarzen Anzug trägt und eine weiße Krawatte, ungeduldig. Sein Gesicht ist maskenhaft, seine Augen sind kühl und berechnend.

Er packt mich grob und zieht mich zu einem Eimer mit Wasser, der neben einem kleinen Tisch steht. Der Eimer wirkt unscheinbar, doch die Kälte, die er ausstrahlt, scheint mich zu durchdringen. Meine Augen weiten sich vor Angst, als ich den kalten Wassereimer sehe.

„Nicht vergessen. Du musst mir wie immer nur deinen Namen verraten, damit ich aufhöre," sagt er, während er mich an den Eimer führt.

Er drückt meinen Kopf unter die Oberfläche des eiskalten Wassers. Der plötzliche, schneidende Schmerz durchzieht meine Sinne. Panik breitet sich wie ein wildes Feuer in mir aus, als ich versuche, ruhig zu bleiben. Der Druck auf meinen Lungen wird unerträglich, und die Welt um mich herum wird durch den schimmernden Wasserglanz verzerrt.

Plötzlich zieht er mich mit einem brutalen Ruck aus dem Wasser. Ich atme hastig, die kalte Luft brennt in meinen Lungen. Doch bevor ich mich richtig orientieren kann, wird mein Kopf erneut unter Wasser gedrückt.

Der Schmerz und die qualvolle Kälte sind überwältigend. Wieder wird mein Kopf ruckartig aus dem Wasser gezogen, und ich schnappte nach Luft, während mein Herz heftig klopft. Doch kaum habe ich mich gefasst, wird mein Kopf erneut unter die Oberfläche gedrückt.

Ich will mich wehren, doch die Fesseln meiner Angst und die Hoffnung auf ein Ende halten mich zurück. Der Gedanke, dass jede Gegenwehr nur eine weitere Tortur verlängern würde, hält mich davon ab, mich zu wehren. Zudem weiß ich, dass jede Reaktion auf meine verzweifelten Versuche nur dazu führen wird, dass die Übung noch länger dauert.

„Ich werde dir noch eine Chance geben," höre ich seine Stimme, gedämpft durch das Wasser. „Verrate mir deinen Namen!"

Diese Übung war mir vertraut. Die Wiederholung war der Grund für mein Versagen beim letzten Mal, als ich die Qualen nicht mehr ertrug und ihm meinen Namen entgegen schrie, damit er aufhört.

Mit aller Kraft versuche ich, meinen Namen dieses Mal zurückzuhalten, der mir auf den Lippen brennt. Der kalte Schock des Wassers mischt sich mit der qualvollen Angst. Die Welt verschwimmt um mich herum, während mein Verstand gegen die drohende Dunkelheit ankämpft.

Dennoch bereute ich die Entscheidung, die ich zunächst aus dem Bauch heraus getroffen hatte, keineswegs. Sie war das Einzige, was mir Hoffnung gab, ein Leben zu führen, in dem ich meine eigenen Entscheidungen treffen konnte – ohne Farmacia.

Es war nur ein dünner, seidener Faden, an dem ich mich festhielt, und die Hoffnung, dass ich diesen James Wilson vor Farmacia finden könnte. Vielleicht könnten seine Gründe für die Cruor-Infusionen hilfreich sein.

Ich blieb wie angewurzelt auf dem Bürgersteig stehen. Die Sonne war bereits untergegangen, und die Straßen waren leer. Nur die Laternen spendeten ein schwaches Licht, das mir eine Art Gesellschaft bot.

Ich zog meine Kapuze tiefer über mein Gesicht, um mich vor der Außenwelt abzuschirmen. Ich fühlte mich, als kämpfe ich allein gegen den Rest der Welt. Auch wenn Ryan mir seine Hilfe angeboten hatte, wusste ich, dass er nicht auf Dauer mein Verbündeter sein konnte.

Ich stand immer noch mitten auf dem Bürgersteig und fühlte mich wie ein erbärmliches Bild. Ich scherte mich nicht um andere Meinungen, trotzdem bewegte ich mich in den Schatten der Häuser und lehnte mich gegen eine Wand.

Ich wollte in dieser Nacht nicht das Ziel werden – auch wenn ich mich einsam fühlte, wusste ich, dass ich nicht allein war. Aggressive Banden hatten diese Gegend als ihren Haupttreffpunkt auserkoren, und die Kriminalität schreckte die einfachen Bürger ab.

Die gesunkenen Preise führten dazu, dass freie Wohnflächen entstanden, die junge Hacker wie Ryan nutzten, um sich in der Ablenkung der Banden zu verstecken.

Ich war mir sicher, dass ich schon länger beobachtet wurde – die schnellen Schatten, die ich manchmal am Fenster erhaschte, die versteckten Kameras und die merkwürdigen Geräusche deuteten darauf hin.

Solange ich nicht auffällig wurde, war das kein Problem. Aber sollte es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen, könnte ich ernsthafte Schwierigkeiten bekommen.

Die kalte Wand fühlte sich durch meine Kleidung hindurch unangenehm an. Ich atmete tief ein und genoss die frische Nachtluft, die durch meine Lungen strömte. Ich schloss kurz die Augen, um meine Gedanken zu sammeln.

Dann spannte ich meine Muskeln an, um mich stärker und selbstbewusster zu fühlen.

Das erste, was ich im Verteidigungskurs gelernt hatte, war: Ausstrahlung. Man macht sich zum leichten Opfer, wenn man das auch ausstrahlt. Wer selbstbewusst auftritt, strahlt das auch aus. Und wer greift schon jemanden an, wenn er weiß, dass er nicht gewinnen kann?

Mit einem letzten Blick auf die dunkle, leere Straße machte ich mich auf den Weg zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. Der Weg dorthin führte mich durch enge Gassen, die vom schwachen Licht der Laternen kaum erhellt wurden.

Die Stadt um mich herum wirkte still und geheimnisvoll, die Geräusche der Nacht wurden nur von meinem eigenen Atem und dem leisen Knirschen meiner Schritte auf dem Asphalt übertönt.

An der Haltestelle angekommen, stellte ich mich in den Schatten, um nicht zu auffällig zu wirken. Die Straßenbahnlinie, die ich benötigte, kam nur alle 20 Minuten, also musste ich mich gedulden. Während ich wartete, versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Viele Fragen schossen mir durch den Kopf, auf die ich keine Antwort hatte.

Als die Straßenbahn schließlich in der Ferne auftauchte, streckte ich mich und trat aus dem Schatten heraus. Ich stieg in die Straßenbahn ein, deren Innenraum schwach beleuchtet und angenehm warm war. Der Fahrgastbereich war fast leer, was mir die nötige Ruhe gab, um mich zu entspannen.

Ich genoss die Ruhe während der Fahrt und war fast enttäuscht, als ich an meiner Haltestelle aussteigen musste. Es war ein merkwürdiges Gefühl, nun wieder vor dem massiven weißen Gebäude zu stehen, auf dem die große Schrift „Farmacia" prangte. Das Gebäude wirkte unscheinbar, fast wie jedes andere Krankenhaus.

Einzelne Lichter drangen aus den Fenstern der Patienten, die noch wach waren. Ich trat durch eine Drehtür ins Gebäude ein und ließ mich von der klimatisierten Luft begrüßen. Ich eilte durch den Krankenhaustrakt zu einem Fahrstuhl, der nur für Mitarbeiter zugänglich war und in den laborativen Bereich führte – die Cruor-Träger waren dort untergebracht.

Trotz der späten Stunde waren die Ärzte noch aktiv. Sie grüßten mich freundlich, was mir ein Gefühl der Vertrautheit vermittelte – gleichzeitig waren sie mir jedoch fremd.

Ich wusste nichts über das private Leben der blonden, jungen Dame, die mir beim Vorbeigehen zunickte, oder über die Familie des Arztes, der die Notaufnahme leitete und mir kurz zuwinkte. Und sie wussten nichts über mein Leben – über meine Gefühle, meine Gedanken oder meine Ziele.

Morgen musste ich Ms. Tung einen ausführlichen Bericht über meine Arbeit vorlegen. Ich musste präzise darlegen, was ich herausgefunden hatte, wie ich vorgegangen war und welche Methoden ich angewendet hatte.

Farmacia wusste, dass ich in letzter Zeit viel unterwegs gewesen war, da Kameras im gesamten Gebäude jede meiner Bewegungen dokumentierten. Sie wussten also auch, dass ich spät zurückgekehrt war. Daher wollten sie Ergebnisse sehen – und wenn ich keine greifbaren Resultate hatte, dann wenigstens plausible Gründe, warum es nicht geklappt hatte. Scheitern war hier keine Option.

Ich hatte bereits eine grobe Vorstellung davon, wie ich Ms. Tung den Bericht präsentieren wollte, um mich nicht zu verzetteln. Doch jetzt war ich erschöpft, und der Bericht musste bis morgen warten.

Als ich schließlich in mein Zimmer kam, war es, als würde der Druck der vergangenen Stunden mit jedem Schritt schwerer auf meinen Schultern lasten. Ich ließ mich langsam und mit einem tiefen Seufzer auf mein Bett sinken. Die Matratze war ein willkommener Rückzugsort nach dem langen Tag.

Die Erschöpfung war förmlich greifbar. Meine Augen brannten von den stundenlangen Blicken auf die Bildschirme. Mein Gehirn war überladen mit den unzähligen Informationen, die ich heute über James Wilson zusammengetragen hatte.

Es war ein endloser Fluss von Daten über zahlreiche Personen, die alle denselben Namen trugen – warum musste er ausgerechnet einen Namen haben, der so häufig war?

Frustriert griff ich mir in die Haare und starrte genervt die Decke an. Die monotone Farbe schien sich vor meinen Augen zu bewegen, und ich fand keinen Trost in dem einfachen Anblick. Ich wusste, dass es noch eine Weile dauern würde, bis ich einschlafen konnte.

Mein Körper verlangte nach Ruhe, aber mein Geist war noch viel zu aktiv. Die Gedanken kreisten unaufhörlich um die gesichteten Daten, die verpassten Hinweise und die fehlenden Verbindungen.

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