17. Services
♪ Under Pressure - Queen
H E A T H E R
An diesem Morgen verfluchte ich alles. Ich verfluchte Carl, ich verfluchte den alten Devine und ich verfluchte die verdammte Laufmasche in meiner Strumpfhose.
Eines jedoch verfluchte ich nicht: Nialls Angebot, gleich einen Kaffee mit mir trinken zu gehen.
Nachdem ich Carl die Hiobsbotschaft mitgeteilt hatte, ließ ich ihn sogleich wissen, dass mein Kunde mich unverzüglich zu sprechen wünschte, damit wir gemeinsam Plan B erarbeiteten. Carl ließ mich von dannen ziehen, eine andere Möglichkeit hatte er auch nicht, zumal er selbst einen Klienten erwartete. Mitkommen und uns auf die Nerven gehen fiel also Gott sei Dank aus.
Mit schnellen Schritten verließ ich das Büro und hechtete in den Aufzug, der gerade oben angekommen war. Die Aktenmappe in der Hand beobachtete ich wie die Zahlen der Stockwerke aufleuchteten, um erleichtert aufzuatmen, als der Aufzug endlich das Erdgeschoss erreichte. Nichts wie weg hier!
Das kleine Café, in dem ich mich mit Niall treffen sollte, lag zum Glück nicht allzu weit von meiner Arbeitsstätte entfernt. Ich brauchte nur eine Station mit der U-Bahn zu fahren, anschließend zwei Minuten zu laufen und schon war ich dort.
Zu meiner Überraschung saß Niall bereits an einem der Tische und winkte mir lässig zu.
„Warst du schon hier, als du mich angerufen hast?", wollte ich wissen und deponierte meine Aktentasche auf einem der beiden freien Plätze.
„Wie wäre es mit einem freundlichen guten Morgen?", erwiderte Niall augenzwinkernd. Sofort errötete ich. Höflichkeit dem Kunden gegenüber war oberstes Gebot und einfach so mit einer Frage herauszuplatzen, schickte sich eigentlich nicht. Gott sei Dank nahm er mir das nicht übel, sondern schmunzelte als ich ein „Guten Morgen" nuschelte.
„Wie kommt es, dass du so früh auf den Beinen bist?", wollte ich wissen und griff nach der Karte. Augenblicklich begann mein Magen zu knurren, was Niall ein herzliches Lachen entlockte.
„Du stellst vielleicht Fragen. Devine schickte eine E-Mail an das Anwaltskonsortium und die klingelten mich aus dem Bett. Ansonsten hätte ich noch länger geschlafen."
Mit einem Seufzen klappte ich die Karte zu: „Jetzt müssen wir die Strategie ändern."
„Was du nicht sagst." Niall fuhr sich mit der linken Hand durch sein dichtes Haar, gerade in dieser Sekunde tauchte die Bedienung an unserem Tisch auf. Wir gaben die Bestellung auf, warteten, bis sie sich wieder entfernt hatte, und setzten das Gespräch fort.
„Das Anwaltskonsortium hat einen Besprechungstermin vorgeschlagen und ich möchte, dass du mich dorthin begleitest", rückte mein Gegenüber mit der Sprache heraus.
Spontan erfolgte meine Antwort: „Natürlich werde ich das. Wann soll das Spektakel stattfinden?"
„Heute Nachmittag um zwei."
Ein äußerst knappes Zeitfenster, mit dem ich jedoch umzugehen wusste. Im Moment betreute ich Niall als Hauptklienten, alles andere musste hinten anstehen oder an meine Kollegen weitergegeben werden. Außerdem bedeutete diese Zusammenkunft, dass ich Carl erneut aus dem Weg gehen konnte.
„Ich werde da sein, keine Sorge", versicherte ich. Gerade in diesem Moment servierte die Bedienung das Frühstück. Rühreier, Toasts, Speck und Bohnen, ein echtes englisches Frühstück, über das wir uns beide hermachten. Währenddessen verstummte unsere Unterhaltung nur kurz.
„Eigentlich dachte ich, dass wir die Zeit bis dahin zusammen verbringen", hörte ich Niall zu meinem Erstaunen sagen.
Ich bestrich meinen Toast mit Marmelade. „Um sicherheitshalber eine Strategie auszuarbeiten?"
Ein Grinsen erfolgte als Antwort, begleitet durch einen Satz, der mich beinahe vom Stuhl fallen ließ. „Nein, das können wir beim Mittagessen tun, vor der Besprechung. Ich möchte jetzt nämlich mit dir shoppen gehen."
„Bitte was?" Fast wäre der Toast meiner Hand entglitten und ich war zu perplex, um überhaupt einen Ton von mir geben zu können. War er jetzt verrückt geworden?
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich habe bereits eine E-Mail an Gavin, deinen Boss geschickt, mit der Bitte, dass man dich mir heute komplett zur Verfügung stellt." Niall grinste mich weiterhin an, während ich ein erstauntes Schnaufen ausstieß.
„Wann hast du das getan?"
„Als du auf dem Weg hierher warst, also kurz, nachdem wir beide telefonierten. Gavin hat bereits geantwortet und sich damit einverstanden erklärt."
Kurzzeitig nahm meine Stimme einen schneidenden Tonfall an. „Hast du ihm auch gesagt, wieso?"
Mit einem süffisanten Grinsen lehnte Niall sich in dem gepolsterten Stuhl zurück. „Ich habe nur das Geschäftliche erwähnt, mehr nicht. Aber sind wir ehrlich, sich einen neuen Anzug zu kaufen, gehört doch mit dazu. Schließlich muss ich gut aussehen, wenn ich Devine ein weiteres Mal als Sieger gegenüber trete."
Bei so viel Eitelkeit und Arroganz blieb mir im ersten Moment die Spucke weg. Ich suchte nach Worten, um meine Gedanken auszudrücken, doch heraus kam nur ein weiteres ungläubiges Schnaufen. Niall hingegen lachte kurz, seine blauen Augen strahlten so sehr, dass meine Chancen, ihm böse zu sein, merklich geschmälert wurden.
„Also gut, gehen wir zuerst shoppen", lenkte ich ein. Eine andere Wahl hatte ich sowieso nicht, denn jegliches Sträuben glich der Weigerung einer Anordnung meines Vorgesetzten. Auch wenn er keine Ahnung davon hatte, was sich hier gerade abspielte und wie ich die nächsten Stunden verbringen würde.
Direkt nach dem Frühstück (Niall hatte mich eingeladen), nahmen wir ein Taxi, das uns zur Westfield Mall kutschierte, wo Niall zielsicher einen Laden aufsuchte: den bekannten Herrenausstatter Jeremy Hackett. Natürlich, er konnte sich einen kostspieligen Anzug leisten, dessen Preis locker im vierstelligen Bereich lag.
Seufzend folgte ich ihm nach drinnen, die Aktenmappe unter den rechten Arm geklemmt. Man behandelte uns beide äußerst zuvorkommend und obwohl ich nicht der Kunde war, bot man mir dennoch etwas zu trinken sowie Gebäck an. Zu Keksen hatte ich noch nie nein sagen können und deshalb vertrieb ich mir die Zeit mit Essen, während Niall sich beraten ließ. Allerdings verlangte er plötzlich nach mir.
„Heather, soll ich lieber den grauen Anzug oder den dunkelblauen anprobieren?"
Ich schluckte den Keks hinunter, den ich mir gerade in den Mund gestopft hatte. „Ich würde beide anziehen und dann entscheiden."
„Gut, vielleicht kannst du mit in die Umkleidekabine kommen und mir behilflich sein?"
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und ich traute mich nicht, dagegen zu rebellieren, obwohl es hier sicher genügend Personal gab, das solche Dinge liebend gerne erledigte. Der Verkäuferin hätte es sicher nichts ausgemacht, Niall in Boxershorts zu sehen, nun fiel mir diese Aufgabe zu.
„Sie können mir Ihre Mappe ruhig anvertrauen, ich passe gut darauf auf", bot die Verkäuferin an, doch ich lehnte dankend ab. „Ich nehme sie mit in die Umkleidekabine, das geht schon." Um nichts in der Welt hätte ich die wichtigen Papiere aus der Hand gegeben.
Ein wenig unsicher stand ich neben Niall in der Kabine, in der locker vier Leute Platz hatten und während er seine Jeans auszog, versuchte ich möglichst unbeteiligt daneben zu stehen. Auf was hatte ich mich hier wieder eingelassen?
„Du tust gerade so, als hättest du noch nie einen Mann in Boxershorts gesehen", zog Niall mich auf.
„Du weißt, dass das nicht stimmt", hielt ich dagegen.
„Klar, du warst ja mit diesem Ekelpacket zusammen." Niall zog sein T-Shirt über den Kopf. „Hier, halt mal bitte."
Ich tat, wie mir geheißen, während ich versuchte, ihn möglichst nicht anzustarren. Sein breites Kreuz imponierte mit schon ein wenig und auch die Muskulatur seiner Arme, die man deutlich zu erkennen vermochte, sprach mich an. Himmel, warum musste er auch äußerlich dermaßen attraktiv sein? Und als ob die Situation nicht schon merkwürdig genug gewesen wäre, begann Nialls Handy plötzlich zu klingeln.
Augenblicklich nahm er den Anruf per Face Time entgegen. „Hallo Harry, was gibt es denn?"
„Nein, bitte nicht", betete ich in Gedanken, doch leider hatte Harry mich bereits entdeckt, da Niall das Handy in einem sehr ungünstigen Winkel hielt. „Hey, da ist ja Heather und wow Niall, du bist nur mit einer Boxershorts bekleidet? Ich wollte euch nicht stören, ehrlich. Das ist mir jetzt richtig peinlich."
Mir war nach Schreien zumute, stattdessen bohrten sich meine Fingernägel in Nialls Shirt, das ich noch immer in meiner rechten Hand hielt. Bevor Niall die Sachlage jedoch klären konnte, hörte ich Annis aufgeregte Stimme.
„Löwenlöckchen, was redest du da? Sind die beiden gerade bei der Sache und wir haben sie gestört?"
Ich ließ das Shirt fallen und bedeckte mein Gesicht mit beiden Händen. Die Peinlichkeit nahm kein Ende und Niall setzte noch eins oben drauf. „Alles schon passiert, wir sind gerade fertig geworden."
Augenblicklich packte mich die Wut und ich nahm die Hände wieder von meinem Gesicht. „Nein, das ist nicht wahr!", schmetterte ich den Anrufern entgegen. „Wir stehen in einer Umkleide bei Hackett, weil er sich einen Anzug kaufen möchte."
„Heather echt, du bist so eine Spielverderberin", maulte Niall geradewegs los, während Harrys Gelächter in meine Ohren drang. Nur Anni schien traurig zu sein, denn sie sprach unvermittelt: „Schade, ich dachte schon zwischen euch hätte sich was entwickelt. Na ja, vielleicht ein anderes Mal."
Nicht schon wieder!
Mit klopfendem Herzen lauschte ich der weiteren Unterhaltung, die jedoch nur daraus bestand, dass Harry sich erneut entschuldigte, uns gestört zu haben, wenn auch nur beim Anzugkauf, wie er sich ausdrückte. Merkwürdigerweise mochte ich den Lockenkopf von Nialls Freunden am liebsten. Vielleicht, weil er die besten Manieren besaß und zu wissen schien, wo es lang ging.
Nachdem die beiden sich voneinander verabschiedet hatten, atmete ich erleichtert auf. „Ach komm schon, Heather, wir hätten so viel Spaß gehabt, die beiden zu veräppeln", grinste Niall mir entgegen. „Man sollte das Leben nicht zu ernst sehen, egal, welche Widrigkeiten es dir auftischt."
Augenrollend klaubte ich sein Shirt vom Boden auf. „Ist das eine deiner eigenen Lebensweisheiten?"
„Wenn du es so sehen willst, dann ja."
Inzwischen hatten Niall Hemd und Hose angezogen und griff nach dem Jackett, das über einem Bügel hing. Als er hineinschlüpfte erkannte ich bereits, dass ihm der Anzug ausgezeichnet stand. Er saß wie angegossen.
„Der ist wie für dich gemacht", entfuhr es mir prompt.
„Du würdest ihn also kaufen, ohne den anderen anprobiert zu haben?"
„Ich denke, das würde ich. Ich mag die dunkelblaue Farbe an dir", erwiderte ich ehrlich.
Niall lächelte mich an, sein Blick wirkte warm, fast schon vertrauensvoll, als er sprach: „Gut, dann nehme ich den."
Argwöhnisch zog ich die Brauen zusammen. „Ohne den anderen anprobiert zu haben?"
„Ich vertraue deinem Urteil." Es entzog sich meiner Kenntnis, warum er dies tat, denn mir war sehr wohl bewusst, dass er mich für konservativ hielt und vermutlich auch nicht für kompetent genug, um in Sachen Mode den neuesten Schrei herauszufiltern.
Nach dem Kauf des Anzuges begaben wir uns zu einem schnellen Mittagessen in eines der Restaurants, die in der Westfield Mall anzutreffen waren. Wir entschieden uns für das Bamboo Basket, ein japanisches Lokal, das vorwiegend Nudelgerichte nach asiatischer Art anbot.
„Wir sollten uns über die Strategie Gedanken machen", warf ich ein, während wir uns das Essen schmecken ließen.
„Keine Sorge, ich weiß, wie man in einer solchen Lage verfährt." Aufmerksam hörte ich zu und hoffte einfach, dass die Sache gelingen würde. Hin und wieder schaute ich auf die Uhr, bis Niall schließlich sagte: „Bleib locker, wir haben noch Zeit, außerdem können sie nicht ohne mich anfangen."
„Deine Nerven hätte ich gerne."
„Ich kann sie dir leihen, wenn auch nur kurzfristig." Eines musste man ihm lassen, er blieb in so ziemlich jeder Situation witzig, eine Eigenschaft die mir leider oftmals fehlte. Zumindest wenn es um geschäftliche Dinge ging. Ich konnte einfach nicht aus meiner Haut und eine Verspätung kam einer Katastrophe gleich.
Zum Glück schafften wir es pünktlich zu der Anwaltskanzlei, in der sich das Konsortium zusammenfand. Nachdem Niall mich vorgestellt hatte, startete direkt der geschäftliche Teil.
„Niall, welche Pläne verfolgen Sie jetzt?", erkundigte sich Mr Creed neugierig.
Niall erläuterte genau das, was er vorhin mit mir besprochen hatte. „Ganz einfach, ich werde ihm ein weiteres Angebot unterbreiten, ein etwas besseres. Sollte er dieses ablehnen, werde ich die Mehrheit seiner Aktien in meinen Besitz bringen."
Anerkennend nickten die Anwälte Niall zu und Mr Creed sprach: „Sie haben eine Menge von ihrem Vater gelernt, er wäre mit Sicherheit stolz auf Sie."
Ich sah wie Niall schluckte, seine Augen seltsam glitzerten und just in diesem Moment griff ich unter dem Tisch nach seiner Hand. Er zuckte nicht zurück, sondern ließ es einfach geschehen.
Mein Herz pochte wie wild, als unsere Hände sich berührten und wieder hatte ich das Gefühl, dass wir uns ohne Worte verstanden. Leicht drückte ich Nialls Hand, eine Geste, die er erwiderte. Niemand bekam mit, was sich zwischen uns unter dem Tisch abspielte, denn alle waren viel zu beschäftigt, das neue Angebot auszuarbeiten.
Niall wurde befragt, welche Summe er veranschlagen wollte, während ich im Geiste seine Vermögensaufstellung durchging. Ich hatte beinahe alles im Kopf, da ich diese erst heute früh angeschaut und ausgedruckt hatte. Sie lag vor mir und ich reichte sie an Mr Creed weiter, als er mich darauf ansprach.
„Alles sehr vorbildlich, Miss Ellis", lobte er mich und prompt spürte ich den Druck von Nialls Fingern. Wir hielten noch immer unsere Hände und nach wie vor bemerkte es kein Mensch. Für einen Moment versuchte ich zu ergründen, welche Empfindungen dies in mir hervorrief. Es fühlte sich vertraut an, leicht und gleichzeitig ein wenig geheimnisvoll. So, als ob man versuchte in die Seele des anderen vorzudringen.
„Heather, wir können dann gehen." Nialls Stimme katapultierte mich abrupt zurück in die Realität. Im gleichen Augenblick unterbrachen unsere Hände den Kontakt zueinander und als sei nichts gewesen, erhoben wir uns von den Plätzen.
„Wir melden uns, sobald das Schriftstück fertig ist, Niall." Mr Creed verabschiedete sich freundlich von uns, nachdem er uns zur Tür geleitet hatte.
„Das lief doch super", meinte Niall, als wir gemeinsam auf ein Taxi zusteuerten.
„Ja, und ich hoffe sehr, dass Devine dieses Angebot annimmt. Höher solltest du nicht gehen."
„Mache ich auf keinen Fall."
Er hielt mir die Tür des Taxis auf und stieg dann nach mir ein, wobei er dem Taxifahrer meine Adresse nannte. „Ich fahre dann einfach weiter und zahle die Zeche. Du hast mir heute sehr geholfen, Heather."
Das Glimmen in seinen blauen Augen zeugte davon, dass er nicht nur die geschäftlichen Dinge meinte und genau das ließ meinen Puls beschleunigen. „Gern geschehen", erwiderte ich nur.
„Heather?"
„Ja?"
„Würdest du am Samstag nochmal mit mir shoppen gehen?"
Nialls Frage mit einem einfachen Ja zu beantworten war nicht so einfach, da ich eigentlich geplant hatte, am kommenden Wochenende nach Hause zu fahren. Aber in dieser Sekunde erahnte ich, dass es Dinge gab, die man aufschieben konnte. Irgendetwas sagte mir, dass Niall mich brauchte, so wie ich ihn brauchte und plötzlich fiel es mir leicht, zuzusagen.
„Aber wir kaufen nicht schon wieder einen Anzug, oder?", vergewisserte ich mich mit einem Augenzwinkern.
„Ich würde sagen nein und lass dich einfach überraschen."
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Eine Woche konnte endlos sein, ich sehnte den Freitag herbei und telefonierte beinahe täglich mit Niall, der mich am Donnerstag wissen ließ, dass das zweite Angebot an Devine unterwegs sei. Wir vereinbarten, dass er mich am Samstag um elf Uhr abholen sollte, um den gemeinsamen Shopping-Trip anzugehen. Demnach stand einem gemütlichen Freitagabend nichts im Weg.
Ich führte mein Ritual durch, ließ das Wasser in die Badewanne laufen und suchte nach meinem Buch, das ich auf dem Nachttisch hatte liegen lassen, als plötzlich das Läuten der Türglocke ertönte.
„Wer ist denn das jetzt?", murmelte ich laut vor mich hin. Ein wenig angespannt lief ich zur Tür, um die Sprechanlage einschließlich der Kamera zu betätigen.
„Heather, mach auf, sonst rennen wir dir die Bude ein!" Als ich in Isaacs Gesicht blickte, fing ich an zu lachen. Er hatte seine Drohung tatsächlich wahrgemacht und stand nun mit Maisie vor meiner Pforte.
Eilig betätigte ich den Türöffner und hörte kurz darauf die Schritte meiner Freunde im Treppenhaus. Lachend fielen wir uns in die Arme, als hätten wir uns Jahre nicht gesehen.
In der Tat lag es schon eine Weile zurück, seit die beiden mich in London besucht hatten, trotzdem führten sie sich sofort auf, als seien sie hier zuhause. Isaac bediente sich am Kühlschrank und Maisie an den Keksen, die auf dem Wohnzimmertisch in einer Schale lagen.
„Was machen wir heute Abend?" Isaac stand in der Tür, eine Dose Bier in seiner Hand.
„Ich wollte gerade in die Badewanne stei – oh Gott, das Wasser läuft noch immer!" Hektisch stürzte ich ins Badezimmer, zum Glück hatte der Wasserspiegel den Badewannenrand noch nicht erreicht, sodass das Schließen des Wasserhahnes die beinahe eingetretene Katastrophe erfolgreich verhinderte. Anschließend kehrte ich zu meinen Freunden zurück, die sich vor Lachen beinahe kugelten. „Okay, okay, wir gehen aus", sprach ich. „Ich muss mich nur schnell anziehen."
Es dauerte nicht lange und wir liefen durch die Straßen Londons. Isaac hatte die Adresse einer Bar herausgesucht, die er unbedingt besuchen wollte und wir folgten ihm blind.
„Ich hätte wissen müssen", entfuhr es mir, als wir vor dem Establishment zum Stehen kamen, „dass du ins in eine Gay-Bar schleppst." Während Isaac mir zuzwinkerte, hakte ich mich bei Maisie ein. Er tat dies nicht zum ersten Mal und wir wussten genau, was wir tun mussten, um nicht von anderen Frauen angesprochen zu werden. Wir spielten einfach ein lesbisches Paar, das hatte in der Vergangenheit immer gut funktioniert.
Isaac, der seit zwei Jahren solo durch die Gegend wandelte, hatte durchaus Interesse an einer ernsthaften Beziehung und gerade deshalb wünschte ich ihm von ganzem Herzen, dass er sein Glück finden sollte. Ob er seinen Traumpartner nun ausgerechnet hier in London aufgabeln würde, wagte ich jedoch zu bezweifeln. Allerdings wollte ich ihm den Spaß nicht verderben, weshalb ich meinen Platz neben Maisie an einem Tisch einnahm, der gerade frei wurde.
Die Bar war gut besucht, Leute verschiedener Altersklassen tummelten sich darin und ich nahm das Bier entgegen, das Isaac besorgt hatte.
„An der Bar steht ein schnuckliger Kerl, den schaue ich mir mal näher an", ließ er uns wissen. Maisie und ich nickten ihm zu, gaben ihm quasi damit den Freibrief, loszuziehen.
„Ich glaube, er kriegt bald einen Samenkoller, wenn er sich nicht entleert", meinte Maisie und prompt prustete ich los.
Von Isaac hörten wir eine ganze Weile nichts mehr, aber wir sahen ihn an der Bar sitzen, in ein Gespräch mit einem jungen Mann vertieft, der ihm schöne Augen machte. Sie flirteten heftig miteinander, wie sich aus der Entfernung ausmachen ließ und ich freute mich für meinen guten Freund, dass er zumindest heute seinen Spaß hatte.
Unterdessen unterhielt ich mich mit Maisie, die mich über meinen Betreuungsfall (damit meinte sie Niall), ausfragte. „Ach, so unrecht ist er nicht, er hat durchaus seine guten Seiten", erklärte ich lächelnd.
„Okay, auf einer Skala von eins bis zehn, wie heiß ist er?" Maisie blickte mir tief in die Augen, ein Umstand, der mich automatisch antworten ließ.
„Eine glatte Zehn."
Langsam leckte Maisie sich über die Lippen. „Gib es zu, du würdest am liebsten mit ihm in die Kiste springen. Du bist schon viel zu lange auf Entzug."
„Maisie! Er ist mein Kunde, selbst wenn ich es wollte, würde ich das nicht tun!" Empört funkelte ich meine Freundin an, die jedoch nur mit den Schultern zuckte. „Irgendwann wirst du deine Sittsamkeit bereuen, Heather. Vögele ihn, wenn er so heiß ist, wie du sagst, so einfach ist das."
„Es ist für mich einfach, es nicht zu tun." Ich musste zugeben, dass ich Niall mehr und mehr mochte, aber ich legte keinen Wert darauf, mir selbst seelische Schmerzen zuzufügen, indem ich mit einem Gigolo anbändelte, um rein körperlichen Trieben nachzugehen.
Isaac tauchte plötzlich an unserem Tisch auf, er wirkte super gut gelaunt. „Ladies, ich habe morgen ein Date", verkündete er lautstark.
„Mit dem süßen Typen an der Bar?" Maisie und ich sprachen das gleichzeitig aus.
„Jawohl, wir treffen uns morgen Nachmittag und wollen später zusammen was Essen gehen."
„Dann habe ich morgen also Zeit mit Heather alleine." Sogleich berichtigte ich die Aussage meiner Freundin. „Irrtum ich bin mit Niall verabredet. Also darfst du London alleine unsicher machen."
Maisies Gesicht war unbezahlbar und ich wusste genau, was sie dachte. „So ist das also, na dann werde ich shoppen gehen. Aber ich bestehe darauf, dass wir uns alle später auf einen Drink treffen. Isaac mit seiner neuen Eroberung und du mit diesem Niall, den ich unbedingt kennenlernen möchte."
Hoffentlich endete dieser Vorschlag nicht in einer Katastrophe.
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Hallo meine Lieben, ich habe ein neues Kapitel fabriziert und hoffe, dass es auch gefallen hat.
Wie mag wohl das Treffen ausgehen, das Maisie angeregt hat? Katastrophe oder eher nicht?
Mochtet ihr die Szene in der Umkleidekabine? Ich habe beim Schreiben so gelacht. ^^ Niall verlant Heather ja einiges ab aber sie schlägt sich tapfer.
Ich hoffe, ihr seid gespannt, wie es weitergeht.
Im Moment komme ich leider nicht so zum Schreiben, wie ich es gerne möchte. deswegen wird das nächste Kapitel nicht vor Montag kommen, eher danach.
Ich danke euch alle für die tollen Kommentare, ich liebe es, eure Gedanken und Gefühle zu lesen.
LG, Ambi xxx
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