s i x t y - o n e


Fröhlich spazierte ich die Treppen herunter. Mein Bruder Alex hatte schon seine Koffer überall im Flur stehen und suchte anscheinend noch ein paar Kleinigkeiten. »Musst du wirklich schon fahren?« fragte ich ihn und aus meiner Stimme war etwas bedrückendes heraus zu hören. Ja, ja das muss ich« antwortete er während er sich kopfüber von seinem Bett herunterhängen ließ und vermutlich sein Akkukabel suchte.

»Ehm Alex dein Kabel liegt auf dem Tisch.« lachte ich und mit einem roten Kopf stand er auf. »Oh man«

Es war schon längst Januar und draußen war es eisigkalt. Die Schule hatte vor zwei Wochen begonnen und ich hatte wieder meine alte, gute Leistung erreicht. Meine Mutter brauchte sich also keine Sorgen um meinen Abschluss machen, welcher in ungefähr drei Monaten anstand. Und ich machte sie stolz, wie sie vor ein paar tagen noch erwähnte. Sie freute sich darüber, dass ich endlich wieder die alte war.

Alex musste zurück nach Miami und arbeiten. Also würde ich mich verabschieden müssen. Fest drückte ich meinen großen Bruder an mich. Die Monate in denen er seit dem Einbruch hier gewesen ist, waren nicht einfach. Alex hatte viel verkraften müssen, viel Streit schlichten müssen, viel akzeptieren und vor Allem mit mir durchmachen müssen. Ich hatte viel zu viel von ihm erwartet und ihm manche Dinge erheblich erschwert. Er fand es aber gut, dass unsere Familie an Weihnachten wieder etwas enger zusammengerückt war. Und das wir uns alle einigermaßen wieder verstanden.

»Hey ich auch!!« rief Lucas von sich und gab Alex auch eine lange Bruder-Umarmung. Das Verhältnis zwischen Lucas und mir war nicht mehr so wie früher. Wir redeten normal miteinander und konnten den anderen auch respektvoll behandeln, aber es war nicht dieses alte, perfekte Verhältnis. »Ich bin sehr enttäuscht von dir gewesen« sagte er immer. Und es traf mich, aber ich verstand ihn und seine Reaktion. Die Geschehnisse des letzten Jahres waren nicht einfach und selbst ich hatte diese noch nicht verkraftet. Aber auch mir fiel e schwer, Anschluss zu ihm zu finden und zu verzeihen. Denn wir hatten es uns gegenseitig schwer gemacht und das hatte dazu geführt, dass wir beide Abstand zueinander hielten.

Alex war mit dem Taxi schon auf dem Weg zum Flughafen, ich jedoch blieb zuhause. Lucas und Dad begleiteten ihn und ich beschloss zusammen mit meiner Mutter einen Film zu schauen. Wir sollten die Jungs alleine lassen.

Mein Vater sprach kaum ein Wort mit mir. Es war nicht so, dass er mir verziehen hatte. Und ich glaubte mittlerweile, er würde das auch niemals tun. Auch nachdem das Geld wieder da gewesen ist, glaubte er mir nicht, dass ich nichts mit der Situation zutun hatte. Manchmal warf er mir sogar vor, immer noch Kontakt zu James zu haben, was ich jedoch seit fast drei Monaten nicht mehr hatte. Ich hatte seit seiner letzten Nachricht, welche auf das Geld bezogen gewesen ist, nicht mehr mit ihm geschrieben und ich hatte auch nichts weiter von ihm gehört. Jedoch konnte ich nicht aufhören, jeden Tag an ihn zu denken. Egal wie einfach es jetzt sein sollte, ihn zu vergessen - noch immer quälte mich der Gedanke an ihn.

Meine Eltern hatten sich durch das zurückgegebene Geld gut erholt und wir konnten ohne weitere Sorgen Essen kaufen und die Miete bezahlen. Und durch diese Aktion, hatte ich das Gute in James endlich beweisen können. Ich wusste, dass James etwas, wenn auch nur wenig Liebe in sich trug, sonst hätte er das niemals für mich gemacht. Und es tat mir weh, dass ich mich noch nicht einmal bei ihm bedanken konnte. Als Lucas, Alex und ich darüber diskutiert hatten, schrie Lucas herum, dass ich mich nicht bedanken brauchte, weil er uns das Geld vorher genommen hatte. Aber kein Dieb hatte es jemals zurück gebracht. Vielleicht hatte er das nicht aus einem schlechten Gewissen gemacht. Aber er hatte es aus Liebe zu mir gemacht.

Nachdem ich sah, dass die Bar dicht gemacht hatte, beschloss ich James zu schreiben, doch die Nachricht hatte bis heute nur einen einzigen Haken. Sie war niemals bei ihm angekommen. Des Öfteren lief ich an der Bar vorbei um in alten Erinnerungen zu schweben. Mittlerweile hatte sie einen neuen Besitzer und lief ganz gut, aber ich war natürlich nie hinein gegangen, ich schaute sie nur beim Vorbeigehen an. nur, damit ich mich kurz an James erinnerte.

»Und Mia. Wie geht es dir?« hakte meine Mutter nach und legte sanft ihre Hand auf meine Schulter. Eines Abends vor Weihnachten hatte ich mich weinend in mein Bett verkrochen, weil ich mich sehr nach James sehnte aber niemand verstand, wieso genau ich das tat.

Niemand hatte je verstanden, dass ich mich so dermaßen in ihn verliebt hatte und es mir zu schaffen machte, ihn nicht mehr zu sehen. Ihn gar nicht erst lieben zu können. Sie nahm mich in den Arm und tröstete mich. Sie wusste wie sehr ich an ihm hang und wie schmerzvoll die Gewissheit war, dass wir niemals eine vernünftige Beziehung führen könnten. Und vor Allem, dass ich ihn wahrscheinlich nie wieder sehen würde. »Gut Mom, danke« gab ich etwas lächelnd wieder und konzentrierte mich auf den Film. »Du weißt ja, Michael unser Stammgast« fing sie an zu erzählen, während sie ebenfalls auf den Bildschirm schaute. »Ja Mom, der betrunkene Stammgast der immer bis Mitternacht bleibt und dann kaum noch nach Hause gehen kann, weil er so voll ist« fügte ich lachend hinzu und erinnerte mich daran, wie mein Vater ihm eine Woche Hausverbot gegeben hatte, weil er mich betrunken angefasst hatte. »Ja, er hat mir was gesagt« murmelte sie und wurde etwas leiser. Erwartend blickte ich zu meiner Mutter.

Ihr Blick glitt zu mir. »Er sagte, James sei wieder in der Stadt«

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